❀ Kapitel 23

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»Auf die Dauer der Zeit nimmt die Seele die Farbe der Gedanken an.«
(Marcus Aurelius)

Die Wände waren hell und der Korridor zog sich so sehr in die Länge, dass man meinen könnte, er wäre unendlich

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Die Wände waren hell und der Korridor zog sich so sehr in die Länge, dass man meinen könnte, er wäre unendlich.

Magnolia spürte den Schweiß an ihren Handflächen und fragte sich stillschweigend, ob es schlimmer war, in ewig blendender Helle oder in finstere Dunkelheit zu schauen.

Letztendlich kam sie zum Entschluss, dass es wirklich keinen Unterschied machte. Denn solange man keine anderen Farben mehr wahrnahm, zog sich alles um einen herum in eine quälend langgezogene Leere.

Genauso schleppend trug sie nun schon die letzten drei Monate hinter sich her.

Die eichenbraune Tür mit dem diskreten Milchglas in dessen Mitte, verbarg die Gestalt von Dr Boucher. Als Mags diese Frau zum ersten Mal sah, nett lächelnd mit gefalteten Händen auf ihrem Schreibtisch, empfand sie beinahe puren Hass.
Dadurch biss sich ihr Gewissen auch an ihre Gedanken fest.

Die sympathische Psychologin konnte schließlich nichts für ihre klägliche Lage und dies versuchte Magnolia sich schon für eine halbe Stunde einzureden. Möglicherweise war es langsam ihre innere Verzweiflung, die Gewitterwolken in ihren Kopf stiegen ließ. Die Therapie ging bereits so lange, vierzig Sitzungen mit insgesamt einhundertdreißig Stunden und mit jeder neuen wurde die Hoffnung auf Besserung in ihr kleiner.

Das glatte Holz fühlte sich wie ein Fremdkörper an.

Durch den Schweiß an ihren Handflächen verstärkte sich Mags' Griff um den Langstock umso mehr, ihre Knöchel hinterließen bereits weiße Flächen auf der Haut.

„Ich weiß, dass Sie sich momentan nicht wohl fühlen, Magnolia. Aber die Therapie wird mehr Erfolg verzeichnen können, wenn Sie es mit Ihrer eigenen Überzeugung versuchen."

Sie lächelte und Mags' Mundwinkel zuckten für eine winzige Sekunde, weil sie es erwidern wollte.

Aber sie konnte nicht.

Leer und verloren starrte sie das Chiroskop an und schien bereits im Vorfeld zu wissen, dass es ihr wieder nicht gelang, auch nur einen sauberen Strich des Bildes zu immitieren. Als sie durch das Spiegelglas hindurch sah, erkannte sie die Zeichnung einer Biene.
„So langsam weiß ich einfach nicht mehr, was das alles noch bringen soll. Der Arzt meint, dass ich in den ersten Wochen schon eine Verbesserung merken würde. Aber es passiert einfach gar nichts."
Die Psychologin nickte mitfühlend ihre Verzweiflung ab, hatte sie nun schon oft Patienten, die ähnlich fühlten wie Mags.
„Geben Sie sich Zeit, Magnolia. Die Therapiedauer ist von Patient zu Patient individuell und eine Prognose nur eine relative Schätzung. Wir werden weiterhin unser Möglichstes tun, um Ihnen zu helfen. Aber dazu müssen Sie es auch wollen."

All die verschwundenen FarbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt