Seven

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-Weiße Folter-
Foltermethoden die vorrangig die Psyche eines Menschen angreifen, verletzten
oder zerstören. Da sie keine sichtbaren Verletzungen hinterlässt wird sie oft als Saubere Folter bezeichnet.
{Schlafentzug, Demütigung, Scheinhinrichtung, Extremtherapie,
Isolation, ...}

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[Ein paar Monate später]

„Тоска.
ржавчина.
семнадцать.
рассвет."

Schmerzen.

„печь.
девять.
доброкачественный."

Dröhnendes Pochen breitet sich in seinem Kopf aus.

один.
грузовой вагон."

Ein letzter Stromschlag fuhr durch seinen Kopf. Dann ist es ruhig. Er saß einfach nur da, starrte gegen eine unsichtbare Wand, er bemerkte nicht einmal die Männer die auf ihn zukamen.
Einer von ihnen hielt ein kleines rotes Buch, ein ausgewaschener Stern prangte in der Mitte.
Langsam kam er auf ihn zu, andere Soldaten zielten mit ihren Waffen auf seinen Kopf.
„Soldat?", drang eine raue Stimme zu ihm durch. Kurz war er gewillt dem Mann zu antworten, Worte die er eingetrichtert bekommen hatte, sie schienen ihm die Richtige Antwort zu sein. Doch dann sträubte er sich, schüttelte seinen Kopf, Gedanken kehrten in sein Inneres zurück.

In mein Inneres. Ich blinzelte mit den Augen. Ich hatte die Kontrolle verloren. Sie waren durchgedrungen. Hatten meine Gedanken weggewischt, bis nichts mehr übrig war.
„Soldat?" Wütend hob ich den Kopf.
„Ficken Sie sich."
Der Mann legte frustriert das Buch aus den Händen, seine Kollegen hatten noch immer die Waffen erhoben.
„Versuch 52 fehlgeschlagen." Ein weiteres Kreuz wurde hinter das heutige Datum gesetzt, wieder verließen die meisten Doktoren den Raum.
Ich fühlte mich noch immer zittrig, das Pochen in meinem Kopf hatte nicht nachgelassen.
Ich war weich geworden, sie hatten meinen Verstand zerstört. Es würde nicht mehr lange dauern bis ich dem nicht mehr entkommen würde. Sie würden meinen Kopf wieder leer fegen, meine Erinnerungen mit Wut und Hass ersetzten.
Meine Erinnerungen. Sie waren verwaschen, schon fast unscharf. Wie ich hier gelandet war, wusste ich nicht mehr, ich spürte nur noch eisige Kälte auf meiner Haut und hörte den Namen Solokow in meinem Kopf. Doch Bilder blieben aus.
Was hatten diese Leute mit mir gemacht?
In meinen Gedanken versunken bemerkte ich Zola nicht der auf mich zukam, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, eine geduldige Miene zierte sein hässliches Gesicht.
Die Stirn ist auf jeden Fall zu groß.
„Sie können sich nicht ewig wehren Sergeant."
Ich bin Sergeant gewesen?
Zola drehte sich um und sprach einen etwas zu groß geratenen Doktor an, der etwas in das kleine, rote Büchlein schrieb, welches ich am liebsten Verbrennen würde.
„Sie wissen was zu tun ist. Sagen wir 4 Tage lang. Das sollte er aushalten ohne zu verhungern.", damit verließ er den Raum und ließ mich mit einem unsicheren Doktor und 3 Soldaten allein.
Ich wusste nicht was er meinte, wahrscheinlich eine weitere seiner unerschöpflichen Foltermethoden. Müde verzog ich das Gesicht, am liebsten hätte ich mich einfach in meiner kleinen Zelle verkrochen.
„Отвези его в 30-ю камеру.", wies er ihnen mit sehr verwaschenen Russisch zu. Er war Deutscher, ganz klar an seinem Akzent zu erkennen.
Bringt ihn in Zelle 30 hatte er sagen wollen, doch es war ein Gestammel was mit 30 Zellen in ihn verglichen werden könnte. Mein Russisch hatte sich hier unten sichtbar verbessert.
Die Russischen Soldaten schienen ihn nervös zu machen, vielleicht lag es daran das sie bei seiner Aussprache belustigt, doch keinesfalls nett gemeint, lächelten.
Ich wurde von dem Stuhl hochgezogen, zerrte mich aus den Griff der Soldaten und folgte ihnen wackelig. Wegrennen brachte nichts, das hatte ich schmerzhaft in Erfahrung bringen müssen. Man sollte meinen ich müsste mich an die täglichen Elektroschocker gewöhnen, die mir zwickend in die Seite gerammt wurden, wenn ich mal nicht das machte was Ich sollte. Also wie gesagt täglich.
Wie so oft wurde ich die langen, dunklen Gänge entlang geführt, meine Haare hingen mir verschwitzt im Gesicht. Sie waren gewachsen, was mich störte, aber hier unten gab es bestimmt keinen Frisör.
Kurz bevor wir mein kleines, dreckiges und verhasstes Zuhause erreichten, bogen wir in den nächsten Gang.
Ich wagte nichts zu sagen, zumal ich noch immer zittrig auf den Beinen war und meine Umgebung sich vor meinem Inneren Auge immer wieder verschob.
Ich hätte brechen können wenn ich wollte, doch ich war mir sicher das das mit weiteren Elektroschocks belohnt werden würde. Ich hatte für heute genug Strom, der Elektrokrampftherapie aller Ehren.
Wir liefen länger als sonst, bis wir einen dunklen Gang erreichten. Sie zogen eine schwere Tür auf, die Anstrengung stand ihnen im Gesicht geschrieben und ich wurde hinein geschubst. Noch bevor ich mich umdrehen konnte flog die Tür zu, ich war allein.
Allein mit meinen Gedanken, in einer Dunkelheit in der ich nicht einmal meine eigene Hand sah. Es war dunkler als alles andere was ich je gesehen hatte, das Schwarz drückte auf mich, hing schwer auf meinen Schulter.

Sensorische Deprivation
Entzug sensorischer Reize (Sinneseindrücke, Wahrnehmung). Wird der Mensch vollständig von Außenreizen abgeschirmt, stellen sich Halluzinationen und verändertes Bewusstsein ein, was durch Isloationstanks/-zellen erreicht werden kann.

Sagen wir 4 Tage lang. Das sollte er aushalten ohne zu verhungern.
4 Tage. Die Stimme Zolas hallte merkwürdig laut in meinem Kopf wieder, schien meine Gedanken zu erwecken die auf einmal wie ein wütender Sturm durch meinen Kopf fegten und immer lauter wurden.
4 Tage würde ich in dieser Dunkelheit allein sitzen, meine Gedanken hören, keiner Menschenseele begegnen.
Zola und seine Nachläufer waren zwar nicht die beste Ablenkung, aber sie verhinderten, schon allein mit ihrer Anwesenheit, dass ich vor Einsamkeit verrückt geworden wäre.
Jetzt war ich alleine. Und ich würde wahrscheinlich auch wahnsinnig werden, das war das ganze Ziel.

-

Ich versuchte mich abzulenken. Von den ganzen Stimmen die wild in meinem Kopf schrien, etwas wollten was ich nicht verstand. War das schon immer so gewesen? Gab es eine Zeit in der ich Ruhe hatte, in der meine Gedanken nur wie kleine Wellen leise rauschen ohne zu schreien?
Das Gefühl war mir zu bekannt, es musste so gewesen sein, doch es lag Meilenweit hinter mir, ich konnte es nicht fassen nicht berühren, meine Hand schien auf eine unsichtbare Wand zu stoßen während sie auf meine Erinnerungen zugreifen wollte.
Es verließ mich, mein früheres Leben verschwand in einem Dunst aus Schmerz und Dunkelheit.
Ich sah Gesichter, verschwommen, ein Nebel lag über ihnen. Da war eine Frau, sie war älter als ich, lächelnd schlang sie ihre Hände um einen kleinen Jungen, ein Baby auf ihren Armen. Neben ihr ein breit gebauter Mann, er versuchte sich wenigstens ein Lächeln abzuringen. Wer war das?
Und da stand ein zu klein geratener junger, blonder Mann. Er lächelte mich schüchtern an.
Ich fühlte mich beraubt, ich würde nie wieder die Details in ihren lächelnden Gesichtern sehen, nie wieder wissen woher ich sie kannte, wer sie waren.
Und irgendwann wären sie ganz weg. Sie würden nur eine Leere hinterlassen die mit dem ausgefüllt werden würde, was Zola sich so unglaublich wünschte.

Als ich in dieser schwarzen, undurchdringlichen Dunkelheit saß wurde mir klar, dass ich mich selbst verloren hatte.

INSIDE - BuckyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt