Kapitel 16

161 13 6
                                    

Die überfüllte Müslischüssel konzentriert auf einer Hand balancierend, stapfte ich in mein Zimmer, bemüht, die Milch nicht auf den Boden zu kippen. Der Löffel schlug laut klappernd gegen das weiße Porzellan, als ich sie auf meinem Schreibtisch abstellte, meine Schultasche unter ihn kickte und mich selbst auf meinen Stuhl fallen ließ.

Mit einem zufriedenen Seufzen schwang ich meine Beine auf die freiliegende Tischkante, wo ich sie überschlug und nach meinem Mittagessen angelte. Sonnenstrahlen wanderten in einem goldenen Gelb über den blauen Himmel und erhellten mein Zimmer, so dass es schier so wirkte, als wenn jeden Augenblick Sommer wäre.

Genüsslich schaufelte ich mir einen Löffel der Kellogs in den Mund und schloss lächelnd die Augen, als sich der schokoladige Geschmack überall ausbreitete. So ließ es sich leben.

Ich hatte mir diesen schöpferischen Moment der Ruhe auch nur mehr als verdient. Eine Doppelstunde Mathe bei meinem Lieblingslehrer Herrn Gieseke, gefolgt von einer Doppelstunde Chemie, waren echt nicht unter interessanten Unterricht einzuordnen und das noch mit einer Vielzahl an Gedanken und Anzweifelungen im Kopf. Mittlerweile war ich mir nämlich garnicht mehr so hundertprozentig sicher, dass Jace dieser Wolf war, der mit meiner Jacke Tauziehen spielen wollte.

Hätte er nicht theoretisch auch einfach hinter dem Holzwrack hocken können und irgendeinen großen wolfsähnlichen Hund hervorkommen lassen können, für den er sich dann ausgab? Ich meine die richtige 'Verwandlung' hatte ich garnicht gesehen und die Pizzafahne hätte auch sonst woher kommen können. Wäre Jace mir dann nicht auch in Wolfsgestalt gefolgt um mich an meiner Flucht zu hindern?

Mit gerunzelter Stirn verfrachtete ich einen weiteren beladenen Löffel in meinen Mund und starrte einen Moment grübelnd aus meinem Fenster, während meine Füße unbewusst zu kreisen begannen. Ein kaum wahrzunehmendes Knacken ging durch diese Bewegung von meinem Gelenk aus.

Schwerfällig beugte ich mich nach vorne, stellte das Müsli zurück auf die Tischplatte und streckte mich nochmals ausgiebig. Dann verschwand meine eine Hand kurzzeitig im Inneren meiner Schultasche, um über die unterschiedlich großen Bücher zu tasten und letztendlich den orangefarbenen Timer herauszuziehen.

Nur rein aus Interesse, wie die Lehrer uns diese Woche unsere freien Nachmittage versauen wollten, schlug ich die aktuelle Seite auf, doch starrte bloß auf ein leeres Blatt, auf dem nur das aufgedruckte Datum samt Wochentage vorzufinden war. Mit einem Seufzen ließ ich die Seiten an meinem Daumen vorbeirasen, doch hielt abrupt inne und blätterte einige Wochen zurück, bis ich das Gesuchte fand.

Eine Kullinotiz stand häuptlings auf der oberen Ecke, sodass ich unbewusst den Kopf wand um sie entziffern zu können. Meine Lippen bewegten sich leicht, als ich es mir stumm vorlas und verächtlich schnaubte.

Ich war hier xP

So ein Kinderkram, jedoch wurde ich doch neugierig, ob noch mehr von diesem unnötigen Zeug in meinem Planer stand und deshalb weiter blätterte. Erfolglos.

Das bis auf weiteres leere Hausaufgabenheft zurück in die Tasche stopfend, lehnte ich mich erneut an meine Stuhllehne, rutschte etwas weiter hinunter, sodass es bequem war und starrte wieder vor mich hin, als mein Handy plötzlich vibrierte und der Bildschirm einen Augenblick lang aufleuchtete. Verwundert musterte ich es, streckte meine Hand nach ihm aus, doch ließ sie unschlüssig, wenige Zentimeter über ihm, verharren.

Langsam glitten meine Fingerspitzen über das kühle Glass, bis ich mir schließlich ein Herz fasste und es mit meinen Fingern vollständig umschloss. Ohne groß zu überlegen, gab ich den Zahlencode ein. Ein wiederholtes Vibrieren ließ meine Hand kurzzeitig ertauben und mich nur entnervt Aufstöhnen.

Das Gefühl zu FliegenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt