Kapitel 02

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Mit fahrigen Fingern öffnete ich die Schnürsenkel meiner geliebten Converse, doch rutschte immer wieder von ihnen, dank meiner schwitzigen Hände ab. Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte ich es endlich geschafft mich aus ihren Fängen zu befreien und stellte sie ins Schuhregal. Zitternd strich ich mir mein Haar zurück und rappelte mich wankend auf. Meine Schultasche schulternd, konzentrierend das Gewicht zu halten, taumelte ich auf die Küche zu.

Alles drehte sich. Der Boden schwankte gefährlich unter meinen Füßen und es war mir, als würden die Wände und Decken jeden Augenblick über mir zusammenbrechen. Die stetig verschlossene Tür kam in mein Blickfeld, doch ich warf ihr nur einen ausdruckslosen Blick zu, der mich jedoch schon aus meiner mühsamen Konzentration riss.

Mit einem erschrockenen Schrei kippte ich zur Seite über und landete mit einem harten Aufprall auf der linken Schulter. Mein Kopf war nur wenige Zentimeter von der hölzernen Tür entfernt und ein alkoholischer Geruch, drang durch die unscheinbare Lücke über der Schwelle, den ich stark auf Whisky einschätzte. Ein Pochen ging von meiner Schulter aus und ein unangenehmes Kribbeln zog sich über meinen Arm.

Den Tränen nahe quälte ich mich abermals hoch und ließ meine Tasche vorerst im Flur liegen. Schritt für Schritt steuerte ich auf die Küchentheke zu, stützte mich schließlich schweratmend auf ihr ab und zog meine geliebte Punktetasse aus dem Schrank. Warum war ich verdammt nochmal so schwach? Frustriert gab ich das Kakaopulver in die Tasse und schüttete die Milch dazu.

Mein Herz polterte ungleichmäßig in der Brust und schallte laut in meinen Ohren wieder. Hastig drückte ich den On-Knopf vom Radio um es übertönen zu können, doch es wurde immer lauter. Panisch presste ich meine Hände auf die Ohren, doch verstärkte das Wummern dadurch nur noch mehr. Zitternd und mit aller Willenskraft ließ ich meine Finger über den kühlen Marmor der Theke gleiten und hinterließ eine glänzende Schweißspur. Kleine schwarze Punkte huschten über mein Sichtfeld und das Lied im Radio begann sich zu verzehren und zwischen den Tonlagen hin und her zu springen.

Nein! Bitte nicht. Warum jetzt? Es war doch Garnichts passiert...

Die Kopfschmerzen kamen, wie ein Faustschlag ins Gesicht und mit ihnen sank ich abermals zu Boden. Das Bild vor meinen Augen verschwamm und der Raum begann sich zu drehen. Die Wanduhr wurde scheinbar immer größer und schien den ganzen Raum zu füllen und verkleinerte sich danach wieder so rasch, dass wenn ich geblinzelt hätte die Bewegung verpasst hätte. 'Wake me up' schalte aus dem Radio und ließ sich von mir nur mit Mühe und Not identifizieren.

Fixpunkt suchen. Konzentrieren. Bei Bewusstsein bleiben.

Beide Arme um das Tischbein geschlungen und mit zusammengekniffenen Augen auf dem Boden kauernd, versuchte ich dem Song zu lauschen. Einzelne Sätze und Zeilen ließen sich aufschnappen, doch der Rest war nur ein verworrenes Misch-Masch. Ganz langsam kam die Kontrolle über meinen Körper zurück und ich ließ meine verkrampften Arme erschöpft vom Holzbein gleiten.

"Kein Nervenzusammenbruch", murmelte ich, wie ein Mantra vor mich hin und schloss ermüdet die Augen. Ehe ich es wirklich registrieren konnte, hatte mich der Schlaf schon mitgerissen.

* * * * * * * * * * * * * *

Blinzelnd öffnete ich die Augen. Dunkelheit umfing mich und eine eisige Kälte hatte sich in meinem Körper ausgebreitet. Ein Sausen und Zischen war zu vernehmen. Mich fragend, ob das hier ein Traum war, setzte ich mich auf und blickte mich ratlos um. Langsam konnte ich einzelne Konturen ausmachen, die sich schließlich zu Gegenständen bildeten.

Die Feststellung, dass ich mich in der Küche befand, kroch langsam in mein Bewusstsein. Ich musste wohl eingeschlafen sein. Noch leicht benommen, hievte ich mich mithilfe des Tisches auf die Beine und schlurfte auf das offene Fenster zu, welches die unangenehmen Geräusche verursachte. Mit einem dumpfen Laut fiel es zu und kappte den kühlen Luftzug, der sich durch das noch zuvor angelehnte Fenster in die Küche geschlichen hatte. Fröstelnd schlang ich meine Arme um meinen Oberkörper, sprang einige Male auf und ab und trippelte schnellen Schrittes in den Flur, wo ich fast über meine eigene Tasche stolperte, die ich erst sah, als ich mich schon fast wieder abgepackt hatte.

Flüchtig griff ich nach dem Träger und kraxelte, sie hinter mir her schleifend die Treppe hoch. Mit einem müden Gähnen drückte ich die Tür zu meinem Zimmer auf und verschloss sie rasch wieder hinter mir. Die Tasche in die Ecke schleudernd, sprang ich auf mein Bett. Seufzend schloss ich die Augen, jedoch fiel mir kurz darauf ein, dass ich noch die gesamte Kleidung trug.

Genervt rappelte ich mich auf und wollte nach meinem Handy auf dem Nachttisch greifen um dessen Taschenlampe zu betätigen, doch ich wurde nicht fündig. Die Hose ausziehend, schlüpfte ich gleichgültig unter die Decke und warf sie samt Socken zu meiner Schultasche auf den Boden. Nur meinen Hoodie behielt ich an und kuschelte mich erneut in ihn und die Daunenpracht. Ich würde morgen schauen, wo ich es mal wieder vergraben hatte.

[Das Bild am Rand soll Cat darstellen, jedoch nur ihr körperliches Aussehen, also sie trägt andere Kleidung, wie ihr vielleicht schon bemerkt habt ^^].

Das Gefühl zu FliegenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt