Kapitel 11

267 19 8
                                    

Mit mürrischem Blick stocherte ich in dem Mensa-Essen oder besser gesagt der Nudelpampa herum und steckte mir ab und zu, was sehr viel Überwindung kostete eine Nudel des Volkornmistes in den Mund. Die Soße hatte ziemlich große Ähnlichkeit mit Abspülwasser, mit der wässrigen Art und den dicken Klumpen an Zwiebeln und Hack. Allgemein sah das Essen, wie schonmal durchgekaut aus.

Normalerweise würde ich nie im Leben auf die Idee kommen, hier irgendetwas zu essen, besonders in der Mensa, doch ich hatte heute Morgen einfach zu viel Respekt gehabt, noch einmal Vater in der Küche anzutreffen, weshalb ich ohne Proviant zur Jugendfolterkammer gekommen war. Ich war sogar aus dem Fenster, des Waschraums geklettert, um ihm nicht doch noch gegenüber zu treten, da ich glücklicherweise meine Schuhe im Bad stehen gelassen hatte. Hoffentlich lag der Ersatzschlüssel noch unter der Fußmatte, falls das Fenster verschlossen war...

Ein Stuhl wurde mir gegenüber zurückgezogen und mit einem genervten Blick, erkannte ich einen grinsenden Jace, der sich auf ihm niederließ und sich etwas zu mir neigte, sodass unsere Köpfe knapp 30 Zentimeter voneinander entfernt waren. Langsam hob ich meinen Blick von meinem Fraß und sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an, wurde jedoch von einem rot verkrustetem Kratzer irritiert, der hundertprozentig gestern noch nicht seine Stirn geziert hatte.

"Hast du dich mit deiner Schwester um die Cro Alben geprügelt?", fragte ich und schob mir eine beladene Gabel zwischen die Lippen. Verwundert starrte er mich an und folgte schließlich meinen Augen, die immer noch seine Stirn betrachteten. Schielend versuchte er einen Blick von dem Kratzer zu erhaschen, doch scheiterte kläglich. Ein Grinsen unterdrückend, schob ich mir eine weitere Gabel in den Mund.

"Nein nein... Ich und prügeln? Wie kommst du denn darauf?", witzelte er, sah mich jedoch ausdruckslos an und schaute mir schließlich ernst in die Augen.

"Dir geht es nicht gut, oder?", stellte er fest und nahm sich kurz darauf, ohne zu fragen eine der bräunlichen Nudeln von meinem Teller und betrachtete sie nachdenklich.

Perplex starrte ich ihn an und ließ die Gabel, auf der eine weitere Ladung wartete, in der Luft verharren. Wie kam er darauf? Hatte ich mich irgendwie komisch benommen? Waren meine Augen etwa noch rot angeschwollen von gestern Nacht? Oder war das jetzt einfach so eine Probe, wo er blindlings mit Vermutungen um sich warf und so mehr über mich herausfand, falls ich sie bejahen würde.

"Äh... das sagt derjenige, der dessen Gesicht einer Art Schlachtfeld gleicht?", antwortete ich verunsichert mit einer Gegenfrage. Er rollte nur genervt mit den Augen, und verschränkte seine Hände, wobei mir erst jetzt auffiel, dass die Nudel bereits verschwunden war. Entweder baute sie gerade ihre Beziehung zum Boden aus oder ätzte in seinem Magen vor sich hin.

"Nein jetzt mal im Ernst". Er neigte sich noch weiter nach vorne, sodass ich seinen warmen Atem auf dem Gesicht spüren konnte. Flüchtig lehnte ich mich nach hinten und ließ die Gabel klirrend auf den Tellerrand fallen. Was wollte er von mir?

Verstört musterte ich ihn, schaute verunsicherte aus dem Fenster, welches eher einer gläsernen Wand glich und setzte mich wieder gerade hin, jedoch den Rücken verkrampft an die an die Lehne gepresst.

Mit spitzen Fingern warf ich die Nudel, welche von der Gabel auf meinen Schoß gehüpft war zurück zu den anderen, schnappte mir den Teller und erhob mich. Meine Schultasche schulternd, steuerte ich auf den Geschirrwagen zu und schüttete den Rest meiner Essensportion in den roten Mülleimer, der schon eine Menge von dem 'ökologischen Biozeug' enthielt.

Ich musste mich garnicht umdrehen um zu wissen, dass Jace mir folgte, als ich die Mensa verließ. Mit fest zusammengepressten Zähnen marschierte ich die Treppe zum Klassenraum hoch und stampfte extra laut mit den Schuhen bei jedem einzelnen Schritt auf, um meine nicht vorhandene Lust, mit ihm ein Gespräch zu beginnen, auch für Blinde und Schwerhörige deutlich zu machen.

Das Gefühl zu FliegenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt