Gio Reyna

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"Cause only you could fill this empty space"

Tagebucheintrag Nummer 37

06.06.2022

Es war ein verregneter und windiger Nachmittag, als ich heute meine Wohnung gegen 14 Uhr verließ. Der Himmel weinte über Dortmund, schon bevor das Spiel gegen Leverkusen überhaupt angefangen hatte. Aufgeregt trat ich meinen Fußweg zum schönsten Stadion der Welt an, der ja zum Glück nur ein paar Minuten beträgt. Meine Jacke trug ich offen, um wie immer voller Stolz meine Zugehörigkeit zu dem Verein zu präsentieren, der mich schon seit Jahren glücklich macht: Borussia Dortmund. Meinen Rücken zierte natürlich die Nummer meines besten Freundes Gio, der heute nach fast 6 Monaten Zwangspause sein Comeback für den BVB gegeben hat. Am Stadion angekommen herrschte schon ein hohes Aufkommen der Fans, die alle dem Topspiel der „Bayern-Verfolger" entgegen fieberten. Ich reihte mich in die Schlange zur Südtribüne ein und fand mich kurze Zeit später auch schon auf meinem Platz wieder. Das Stadion war bereits gut gefüllt und es herrschte wie jedes Mal eine tolle Atmosphäre. Ich genoss dieses Gefühl, wieder dort zu sein und einfach alles um mich herum vergessen zu können. 90 Minuten zählte nur der Fußball, alle anderen Probleme existierten nicht. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals, als die Jungs auf den Platz kamen, um sich warm zu machen. Denn Gio war unter ihnen, nach so langer Zeit des Leidens. Er hatte sich zurück gekämpft und darauf bin ich wahnsinnig stolz. Nach dem Aufwärmen stimmten die Fans „You will never walk alone" an, was mir eine dicke Gänsehaut bescherte. 

Das Spiel begann und nahm einen Verlauf, mit dem Wohl niemand gerechnet hätte. Zuhause eine Macht, das galt diese Saison bei Borussia Dortmund. Doch davon war heute nichts zu sehen. Heute machte sich die einzige Schwäche, die der BVB hat, besonders bemerkbar: Die Abwehr. Und wer dachte, das Motto „Angriff ist die beste Verteidigung" könnte heute wie so oft helfen, der hatte sich geschnitten. Die Offensive war regelrecht abgetaucht, Kapitän Marco Reus verhielt sich wie ein Geist. Unsere norwegische Naturgewalt fehlte an allen Ecken und Enden. Flanken wurden ins Leere gespielt, als würde man verzweifelt nach Erling suchen, der aber eben einfach nicht da war. Natürlich kann der BVB auch ohne Erling Haaland, das wurde schon oft genug bewiesen, jedoch nicht heute. Florian Wirtz und Co. fegten über den Platz, ohne Rücksicht auf Verluste und auf der Jagd nach Toren. Der Schock stand den Fans ins Gesicht geschrieben, die Enttäuschung machte sich in Form von Pfiffen deutlich. Nach einem Spielstand von 1:4 pochte mein Herz dann jedoch nicht mehr vor Aufregung aufgrund des nervenaufreibenden Spiels, sondern wegen einer bestimmten Person. Gio stand am Spielfeldrand, sein Trikot schmiegte sich perfekt an seinen Körper und er sah einfach wunderschön aus. Voller Motivation, voller Elan, voller Mut, voller Zuversicht, etwas in diesem Spiel verändern zu können. Er wollte den Unterschied machen und aus dem schwarz-gelben Hühnerhaufen herausstechen. Und das tat er auch. Für mich tat er das sowieso immer, auch wenn er kein Tor vorbereitete oder selbst schoss. Gio konnte das Spiel zwar nicht mehr drehen, aber er kämpfte und das ließ mein Herz aufgehen. 

Als Nobby Dickel seinen Namen ausrief, während er auf das Spielfeld rannte, schrie ich mir die Seele aus dem Leib. In diesem Moment konnte ich auch nicht genau sagen, ob es der Regen war, der mir dabei von meiner Nasenspitze tropfte, oder ob es Freudentränen über Gio's Comeback waren. Wahrscheinlich beides. Mein bester Freund blickte in diesem Moment auch kurz in Richtung Südtribüne, er wusste dass ich dort saß. Sofort machte mein Herz einen Satz und ein Strahlen wanderte auf mein Gesicht. Einen Ausdruck, den man bei einem 1:4 Rückstand wohl nicht zeigen sollte. Aber es war nun mal Gio. Nach dem Schlusspfiff passte sich die Stimmung der Dortmunder endgültig dem Wetter an. Mit hängenden Köpfen schlichen sie vor die fast leere Südtribüne, da schon viele Fans das Stadion verlassen hatten. Es war ein dunkler Nachmittag in Dortmund, die höchste Niederlage der Saison, die nächste Klatsche nach dem CL und Pokal-Aus. Allen war die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben, vor allem einem von ihnen: Gio. Er hatte sich sein Comeback sicherlich anders vorgestellt, mit einem Sieg, einer Feier vor der Südtribüne, Glücksgefühlen...nun war von all dem das Gegenteil eingetreten. Aufmunternd winkte ich meinem besten Freund zu, was er mit einem schwachen Lächeln und einem vorsichtigen Heben seiner Hand erwiderte. Ich wusste wie Gio sich fühlte, nach 2 Jahren Freundschaft kenne ich ihn mittlerweile einfach zu gut. 

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