kapitel 1

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Kapitel 1

J U L I E


Click. Click. Click. Zufrieden ließ ich die Kamera in meiner Hand sinken und lächelte das Model vor mir an.
»Ich denke, wir haben es!«, sagte ich und zeigte ihr den Daumen hoch.

Ich trat zu meiner Chefin, Maria, an den riesigen Monitor, der rechts neben uns stand, und ging die letzten Fotos durch. Auch das Model – eine dunkelhaarige Schönheit – trat zu uns und sah sich die Ergebnisse an, bevor sie schließlich zufrieden zurück in ihre Umkleide ging, um sich umzuziehen. Die anderen Mitarbeiter begannen das Set abzubauen.

»Gut gemacht«, lobte Maria und lächelte mich an. »Ich wusste schon immer, dass Potenzial in dir steckt, aber mit diesen Fotos hast du wirklich nochmal alles übertroffen.« Sie war eine mittelalte Frau mit dunklen Haaren, die ihr bis auf die Schultern fielen, und hatte ein rundes, freundliches Gesicht, das mir über die Jahre so vertraut geworden war.

Ein stolzes Grinsen breitete sich auf meinem Gesicht aus, während ich die Kamera Toby übergab, der sie sicher verpackte. Das heutige Shooting war wichtig gewesen und hatte wirklich Spaß gemacht. Wir hatten Tara Knight, ein aufstrebendes New Yorker Model, für eine Artikelserie in einer Zeitung fotografiert, was ordentlich Geld in unsere Kasse spülte. Maria war völlig aus dem Häuschen gewesen, als sie die E-Mail mit der Anfrage erhalten hatte. Ich war mir immer noch nicht sicher, wie man ausgerechnet unser kleines Studio inmitten von New York auswählen konnte, wo es doch so viel größere, bekanntere gab, aber hinterfragen wollte ich das Ganze natürlich nicht. Vielleicht war das Glück ja nun auf unserer Seite. Davon hätten wir in den letzten Monaten noch mehr gebrauchen können.

Es machte mich unglaublich glücklich, dass wir nun die nächsten Monatsmieten decken konnten. Es war immer wieder eine Gratwanderung zwischen dem finanziellen Ruin und der Sehnsucht danach, unser Hobby weiterhin als Beruf ausüben zu können. Durch die großen Studios und Fotografen, die Berühmtheiten wie Emma Watson oder George Clooney ablichteten, war die Konkurrenz groß. Um nicht zu sagen erdrückend. Es war schwierig, Aufmerksamkeit auf unser kleines Studio zu lenken. Immer wieder gab es zwar mal ein paar größere Aufträge, doch die deckten unsere Kosten meist nur für einen, höchstens zwei Monate – und das war bei Weitem nicht genug. Die großen Studios zerquetschten uns unter ihren riesigen Schuhen wie Ameisen, die man beim Spazierengehen übersieht.

Ich folgte Maria in ihr Büro, um die Termine für morgen zu besprechen – eine Routine, die sich bei uns eingebürgert hatte. Mittlerweile war es Abend geworden. Wir hatten einige Stunden geshooted und ich freute mich schon darauf, später gemütlich auf der Couch liegen und Pizza essen zu können. Ein wenig erschöpft hatte mich das Ganze schon. Doch ich wollte mich nicht beschweren. Ich machte das, was ich liebte, auch wenn uns die Kosten jeden Tag im Nacken saßen.

Maria seufzte genervt und ich hörte das Klicken der Computermaus.

»Was ist los?«, erkundigte ich mich und ließ mich auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch fallen.

Wenn jemand Fremdes das Büro betreten würde, würde er vermutlich die Beschreibung typisch Künstler dafür verwenden. Überall lagen Zettel, Stifte, Büroklamern und andere Dinge herum. Kataloge und Exposés stapelten sich, an den Wänden hingen Fotos, die Maria und ich bei Shootings aufgenommen hatten, und allgemein herrschte hier wirklich ein großes Durcheinander. Wir hatten uns schon wochenlang vorgenommen, hier mal wieder Ordnung reinzubringen, doch die Zeit hatte es bisher nicht zugelassen. Das Ziel, unser kleines Studio über Wasser halten zu können, nahm unseren ganzen Tag in Anspruch.

stupid boy [Timothée Chalamet]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt