Kapitel 7
J U L I E
Die Wohnungstür fiel krachend hinter Nick ins Schloss und ich konnte nur hoffen, dass wir damit nicht die Nachbarn auf den Flur riefen. Gerade der ältere Herr aus der untersten Etage war sehr speziell und auf das Aufkreuzen der Polizei wegen Ruhestörung mitten in der Nacht konnte ich verzichten.
»Was soll das?«, fuhr er mich an. Ich zuckte zusammen, obwohl ich gespürt hatte, dass er in keiner guten Stimmung war.
»Ich habe dir doch erzählt, dass ich mit Maria essen gehe«, sagte ich, während ich meine Tasche abstellte und die Jacke abstreifte.
Wir hatten viel zu oft Streits in diesem Flur. Vielleicht war er verflucht. Diese Situation kam mir fast wie ein Déjà-Vu vor.
»Und wer ist dann dieser Kerl, mit dem du plötzlich vor unserem Haus antanzt? Wo hast du den plötzlich her?« Nicks Augenbrauen hatten sich wütend zusammengezogen. Er hatte mal wieder einen Eifersuchtsanfall. Ich hasste das.
Nick war so besitzergreifend wie ein Eichhörnchen bei seiner Nuss und wenn ihm jemand nicht passte, zögerte er nicht, seine Zähne in ihn zu schlagen, bis er blutete. Erneut musste ich an den armen Kerl im Club denken und an Timothée der Nicks Temperament live und in Farbe erleben musste. Zum Glück war Nick noch relativ friedlich ihm gegenüber gewesen.
Es war mir unsagbar peinlich, dass er sich vor ihm so aufgeführt hatte. Timothée musste weiß Gott was von mir denken. Eigentlich sollte es mich nicht kümmern, was Timothée dachte, aber – mal ehrlich – jedem anderen Menschen wäre diese Situation ebenfalls mehr als unangenehm gewesen.
»Das war Tim...my.« Im letzten Moment erinnerte ich mich daran, dass Timothée sich nicht mit seinem vollen Namen vorgestellt hatte, und beschloss das vor Nick so zu übernehmen, da er mit Sicherheit seine Gründe dafür hatte.
»Timmy«, sagte mein Freund abschätzig.
Er konnte ihn nicht kennen, fiel mir dann auf. Hätte er gewusst, wen er da vor sich hatte, hätte er anders reagiert. Oder vielleicht auch nicht. Manchmal kannte ich meinen eigenen Freund nicht mehr.
»Ja, Timmy.« Ich wandte mich ab. »Ganz ehrlich, Nick, ich habe keine Lust und keine Nerven, jetzt mit dir zu streiten. Du übertreibst maßlos.«
Ich öffnete die Tür zur Küche, wo ich zum Schrank ging und ein Glas herausnahm, das ich unter dem Wasserhahn mit Wasser füllte.
Nick war mir gefolgt und baute sich zwischen mir und der Tür auf. Die Lampe, die ein Stück von der Decke herunterhing, war die einzige Lichtquelle und ich kam mir vor wie eine Figur in einem grotesken Theaterstück mitten unter dem Scheinwerferlicht.
»Ich übertreibe? Wieso bringst du einfach einen wildfremden Kerl mit zu unserer Wohnung?«, fuhr er fort. Er verschränkte die Arme vor der Brust, wobei die Muskeln darauf hervortraten. Mir war schon vorhin aufgefallen, dass er heute besonders gut aussah, aber aktuell konnte ich mir darüber keine Gedanken machen, wenn mein Kopf voll und ganz damit beschäftigt war, nicht völlig durchzudrehen und diesen Streit irgendwie zu beenden. Oder ihm zumindest aus dem Weg zu gehen. Der Abend war so schön gewesen. Unbeschwert, leicht. Da wollte ich mir nicht von Nick meine gute Laune verderben lassen. Fast hätte ich es geahnt. Es konnte ja nicht sein, dass plötzlich alles so glatt lief. Ging es dem Studio gut, litt meine Beziehung darunter. Hatte ich keine Beziehungsprobleme, ging es dem Studio schlecht. Wobei ich mich an eine Zeit ohne Beziehungsprobleme mit Nick überhaupt nicht mehr erinnern konnte.
»Mein Gott, weil er mich nicht alleine nach Hause gehen lassen wollte. Ist doch nett von ihm. Unfassbar, wie du dich vor ihm aufgeführt hast«, erwiderte ich genervt, bevor ich einen Schluck aus dem Glas nahm. Mein Mund war so staubtrocken wie der Saharasand auf den Autos in unserer Straße, den es vor ein paar Tagen geregnet hatte.
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stupid boy [Timothée Chalamet]
RomantizmSein Leben spielt sich vor der Kamera ab, ihres dahinter. Doch was, wenn ihre beiden Welten verschmelzen? Julie liebt das Fotografieren und arbeitet in einem kleinen Fotostudio inmitten von New York City, das sich nur schwer über Wasser halten kann...