Vergangenheit

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Kim Sun Jin

2015 Südkorea
Ich saß nun schon seit einigen Stunden auf der Bank vor dem Grab meines Vaters. Er starb vor ein paar Tagen an einem Leberversagen. Es war ein Schock für mich, als ich von der Direktorin ins Büro gerufen wurde und man mir sagte, er sei tot.

Ich weinte, bis keine Tränen mehr kamen. Mein Vater war für mich mein bester Freund. Ich konnte ihm alles erzählen, ohne Angst zu haben, verurteilt zu werden. Er war immer da für mich. Ich habe ihn sehr in mein Herz geschlossen, auch wenn er nicht mein leiblicher Vater war, denn ich wurde adoptiert als ich 5 Monate war. In diesen 15Jahren ist er wie ein richtiger Vater für mich geworden. An seiner Beerdigung waren nicht sehr viele anwesend, da er nur wenige Freunde gehabt hatte.

In ihren Reden sagten alle immer wieder dasselbe 'Er war ein guter Mann, aber ein Säufer'. Nun ja, er hatte ein großes Problem gehabt, und zwar den Alkohol, der ihn auch ins Grab brachte, aber musste man, das in wirklich jeder Rede zur Sprache bringen. Ich störte mich nie wirklich an seinem Problem, aber ich wünschte mir, er hätte etwas dagegen getan.

Ich wusste selber nicht, was ich in meiner Rede sagen sollte. Ich war nicht in der Lage, das Wort zu ergreifen. Nachdem die Beerdigung vorbei war, hörten die Beileidsbekundungen nicht mehr auf. Ich hatte sie alle so satt. Ich wollte diese heuchlerischen Gesichter nicht mehr sehen, die so tun, als sei es in Ordnung, dass sie hinter dem Rücken eines Toten redeten. 

Sobald man tot ist, sieht man leider nicht mehr, wer eigentlich deine echten Freunde waren. Auch ich musste erfahren, wer meine richtigen Freunde waren, denn viele, die ich meine Freunde schimpfte, kehrten mir den Rücken als sie erfuhren, wie und warum mein Vater starb. Wenigstens hatte es ein gutes, ich wurde meine falschen Freunde los, in die ich nur unnötig Energie hineingesteckt hätte.

Meinem Bruder schien es nicht so nahezugehen, aber ich wusste das er es nur nicht zeigen wollte, denn er hatte ihn auch sehr lieb gehabt. Wir spielten früher immer Basketball zusammen und bauten in seiner Werkstatt viele lustige Kunstwerke, die wir dann in einer Art Galerie in unserer Garage ausstellten. Mein Bruder kam zu mir und nahm mich in den Arm.

"Sun Joo, meine Kleine, ist alles in Ordnung? Hör nicht auf das Geschwätz der anderen. Sie kannten ihn nicht wirklich." Ich nickte nur und seine Worte trieben wieder die Tränen in meine Augen.

"Hör mal, Kleine, ich muss dir etwas Wichtiges sagen. Ich werde wegziehen. Ich ziehe nach Japan und werde dort mein Studium beenden." Ich konnte nicht glauben, was er da gerade gesagt hatte. Warum wollte er weggehen und mich alleine zurücklassen?

"Warum, warum, musst du weggehen. Du kannst mich doch hier nicht alleine lassen. Ich hasse dich", schrie ich. Er schaute mich nur mit einem schuldigen Gesicht an. Ich verstand ihn einfach nicht und lief schnell davon. Ich hörte ihn noch meinen Namen rufen, doch ich wollte einfach nur weit weg von allen, die mich im Stich lassen wollten. 

Tja, meine Mutter kam mit seinem Tot etwas anders zurecht. Sie sagte während der Zeremonie kein Wort, nicht mal eine Rede hatte sie vorbereitet. Sie saß einfach stumm wie ein Fisch auf ihrem Platz in der vordersten Reihe und starrte den Sarg, wie eine Verrückte, die ihren Verstand verloren hatte, an. Anders als ich hatte sie große Probleme mit der Sucht meines Vaters. Jedes Mal, wenn er betrunken nach Hause kam, fing ein großer Streit an.

Jedes Mal versuchte ich es zu ignorieren und hörte entweder in meinem Zimmer Musik oder ging raus und kam erst spätabends wieder zurück, wenn ich dachte, dass sie schliefen. Ich hatte generell ein etwas schlechteres Verhältnis zu meiner Mutter. Wir hatten oft Streit wegen teilweise ziemlich belanglosen Dingen. Sie verlor kurz nach dem Tod meines Vaters die wichtigste Schauspielerrolle ihrer Karriere und machte insgeheim meinen Vater dafür verantwortlich.

Liebe unter dem Blutmond || Sunki FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt