Die Sachsen waren mit den Sprechern ihrer Abordnung, Graf Esiko von Kuckenburg und Abt Sigifred von Nienburg als erste auf der Burg Lenzen erschienen. Ihre kleine Abordnung wurde durch sechs weitere sächsische Ritter begleitet, die wohl zum überwiegenden Teil nur den Schutz der zwei großen Edlen zu gewährleisten hatten.
Fürst Berogast ließ es sich nicht nehmen, die Gäste selbst zu begrüßen.
Zu den Abgesandten des Lutizenbundes war immer noch nichts bekannt- nur, dass sie aus ihrem Lager bereits aufgebrochen waren und nun nahe dem Stadttor sind. Mehrere Edle zu Pferd und einige Fußkrieger waren dabei.
Während sich der Abt Sigifred von Nienburg mit den kleineren Genüssen einer vorbereiteten Tafel mit kleineren Speisen und Getränken zufriedengab, schien sich der edle Graf Esiko von Kuckenburg erkennbar gelangweilt davon, hier am Verhandlungsort noch lange warten zu müssen.
Fürst Berogast verwickelte den Grafen Esiko in ein belangloses Gespräch, um die Zeit ein wenig verstreichen zu lassen bis die Lutizenvertreter ankamen.
So unterhielt man sich über die letzte erfreuliche Begegnung zwischen dem Sachsenherzog und Berogast vor zwei Jahren. Berogast erfragte den Gesundheitszustand des sächsischen Herzogs und verlor sich danach über eine Beschreibung der Burg Lenzen und die Baufortschritte der Stadt an der Burg. Stolz beschrieb Berogast die Fortschritte beim Ausbau des Hafens und der neuen Übersetzstelle über die Elbe, die die Gäste heute schon in Augenschein nehmen konnten. Gleichwohl war das Gespräch eher schleppend. Fürst Berogast fiel es schwer, seine eigene Begeisterung über die Themen mit dem interessenlos wirkenden Grafen Esiko zu teilen.
Erst als die Gefährtin des Fürsten Berogast, die junge und ansehnliche Marsia den Saal betrat und zu Berogast und Esiko hinzutrat, wurde augenscheinlich auch Graf Esiko wieder munter.
Marsia hatte ein sehr langes geschlossenes Gewand aus hellgrün eingefärbtem Stoff ausgewählt, dass mit vielen feinen Garnmustern aufwartete, um dem festlichen Anlass gerecht zu werden.
Graf Esiko von Kuckenburg musterte Marsia, ja konnte kaum den Blick von ihr abwenden. Die Blicke des Grafen entgingen Fürst Berogast nicht. Er fand diese Blicke unangebracht- ja sogar lüstern, wie es schien.
So bat Berogast seine Gefährtin bei erstbester Gelegenheit ein wenig bei Seite und wies sie an, von der oberen Empore des Obergeschosses der Unterredung zu folgen, da im Saal wohl augenscheinlich Frauen den Wortführer der Sachsen stark ablenkten. So entschwand Marsia dann auch folglich aus dem unteren Saal- von einem letzten durchdringenden Blick des Grafen Esiko begleitet.
Dies war dann auch ein Moment, in welchem Graf Esiko sich ein weiteres Mal unangemessen verhielt: Er sprach einen wunden Punkt für Fürst Berogast an, indem er nachträglich sein Beileid zum Tode des ältesten Fürstensohnes Berowin bekundete, der nach schwerer Krankheit im letzten Sommer aus seinem jungen Leben gerissen wurde und im Alter von zweiundzwanzig Jahren dahinschied.
Fürst Berogast hatte diesen Schmerz bis heute noch nicht verwunden. Trost gab ihm aber, dass er seine Tochter Nerin wieder an seinem Hof wusste, welche ihm herzlich zugetan war. Sie wäre in der Erbfolge die Nächste, jedoch- da es bei den Slawen nicht möglich ist, den Fürstentitel in die weibliche Linie des eigenen Blutes zu vererben- war sein Sohn Beromir nun der Anwärter auf die Nachfolge, wenngleich Beromir nunmehr erst über den Winter hinweg auf diese Aufgabe vorbereitet werden konnte.
Erst jetzt fiel dem Fürsten Berogast von Lenzen auf, dass Beromir noch nicht im Saal anwesend war. Daher schickte der Fürst einen Mann der Wache, den jungen Fürstensohn zu suchen. Sodann wandte er sich wieder der belanglosen Gespräche mit Graf Esiko und Abt Sigifred von Nienburg zu. Letzterer hatte sich wohl nun genug gestärkt für die Gespräche.
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Larno - Wege zur Wahrheit
Historical FictionDer dritte Band der Trilogie . Vorher veröffentlichte Bände: 1. Larno - Der Rebell, 2. Larno - Im Ränkespiel der Macht Das Schicksal brachte Larno in die Dienste des Herzoges von Polen, in dessen Gunst er sich noch sieht. Doch Polen und das Heilig...