Zweiteilige Betrachtungen

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Reglindis von Meißen hatte es tatsächlich geschafft, der Königin Kunigunde durch eine sehr emotionale Schilderung einer Sachlage, anrührig und unterschwellig den Gedanken in den Kopf zu bringen, dass es ihr selbst aus christlichem Glauben schwerlich zu ertragen ist, wenn eine Christin einem Heiden anvermählt werden soll.

Wie die junge Markgräfin Reglindis auf derlei Gedanken kam, würde man wohl nie erfahren. Vielleicht gab es in den polnischen Gebieten- dort, wo sie herstammte- derlei Konstellationen und diese bewegten die junge Reglindis nachhaltig. Vielleicht suchte sie bei der erfahrenen Königin Kunigunde daher einen Ratschlag.

Königin Kunigunde regte aus eigenem Antrieb noch eine weitere Diskussion unter den Damen des Hofstaates in Merseburg an: eine Beratung darüber, ob es denn nicht auch unchristlich sei, wenn Christen gefangengenommene Christen vielleicht an Heiden verschachern würden- ungeachtet ihres Glaubens nur auf einen geldlichen Vorteil sehend, damit diesen gefangenen Christen in Erniedrigung und Sklaverei in der Fremde weggebend. Auch zu dieser zweiten Sache wurde beraten.

Und viele Meinungen kamen da zusammen unter den Frauen.

Kunigunde war in Italien einmal Zeuge einer Gerichtsentscheidung in Pavia, welche ganz und gar nicht von ihr als Königin mitgetragen wurde. Gleichwohl habe sie seinerzeit geschwiegen, da es im Verhältnis zu den italienischen Städten angespannte Verhältnisse- ja sogar Zerwürfnisse gab und sie ihrem Gemahl auf dessen Erster Italienbereisung als König keine Probleme aufwerfen wollte, wo der König keine sah. Nun jedoch war die Zeit etwas vorangeschritten- vielleicht konnte sie ihrem Gemahl noch einmal hierzu ein Gespräch auferlegen?

Das Königsheer hatte derzeit kein Glück mehr im Kampf gegen die Polen. Man hatte die Bedrohungen von Meißen erfolgreich abgewendet- hieß es in Mitteilungen, die dem Heer Heinrichs II. bereits vorauseilten. Und man konnte die Polen in ihre Schranken weisen und zurückdrängen nach Polen. Aber habe man auch in der Nähe zu Meißen ein kleineres Gefecht um eine Burg an den Feind geben müssen- sehr zum Ungemach des Königs Heinrich II. selbst.

Als das Heer ankam in Merseburg und die kampfesmüden Sachsen und Thüringer sich von den Schwäbischen und Bayerischen in alle Richtungen gelöst hatten, da überkam auch den König Heinrich II. eine gewisse Müdigkeit- zu welcher sich eine Erkältung mischte.

Im Verhalten Heinrichs spürte die Königin Kunigunde eine leichte Veränderung, welche sie nur schlecht fassen oder beschreiben konnte. Müsste sie ein Wort dafür finden, so wäre dieses Wort wohl Zorn. Heinrich erzürnte sich über den polnischen Herzog Boleslaw I. Chrobry und die große Arroganz, welche der Pole bei der Eroberung der Burg Liubusua gezeigt habe.

Man habe dort- vor den Augen der Deutschen- die Besatzung überwältigt und gefangen genommen und hiernach die erst im gleichen Jahr ertüchtigte und verstärkte Burg niedergebrannt. Da man nicht helfen konnte- weder durch Truppen, noch moralisch, war es ein Trauerspiel, das viele Deutsche entmutigte. Es waren vor allem die Sachsen und Thüringer, welche eines Krieges mit dem polnischen Herzog überdrüssig schienen. Sie drängten bereits auf eine vertragliche Lösung durch Friedensschluss mit den Polen.

Aber auch die Ekkehardinger, in deren Blutslinie Reglindis eingeheiratet hatte, waren von der Entwicklung des Kampfes mit den Polen überdrüssig. Zudem hatte dieses edle Haus herbe Niederlagen und Schmähungen durch den Krieg mit großer Last zu tragen. Waren Meißen, Bautzen und die Gebiete der Mark Meißen fast jährlich bedroht und mit Kriegsfolgen belastet, so wurde nun auch noch der Markgraf Gunzelin durch die Polen gefangen, Bautzen war teilzerstört und mehrere Schutzburgen niedergebrannt worden.

Auch König Heinrich II. war sich dessen bewusst. So hatte er sich entschieden, die Stadt und Befestigung Bautzen an Reglindis Gemahl Herrmann von Meißen zu überlassen, der nun- in Abwesenheit seines gefangenen genommenen Onkels- auch die Interessen der Familienlinie wahrzunehmen hatte.

Reglindis wollte ihn hierbei unterstützen, wie es ihre Pflicht in dieser Zeit war.

Noch bevor sie diese Aufgabe angehen wollte, hatte sie jedoch mit der Königin Kunigunde besprochen, dass man beim König eine Fürbitte äußern wollte.

Der erkrankte König war jedoch derweilen von vielen Hochadligen und geistigen Würdenträgern in Merseburg gebunden und hatte sich wegen des Unwohlbefindens weniger mit Staatsgeschäften, Unterredungen oder Beurkundungen befassen wollen.

In Absprache mit der Königin, wollte nunmehr Kunigunde selbst ihren Gemahl in Vertraulichkeit aufsuchen.

Dies tat die Königin in diesen Oktobertagen in Merseburg auch.

Heinrich II. besprach mit seiner Gemahlin zu aller erst seine weiteren zeitlich nahen Absichten. Nach der Genesung wollte er mitsamt Hofstaat in Richtung des Niederrheins ziehen. Zudem äußerte er seinen Entschluss, die Weihnacht und auch den Jahreswechsel wieder auf der Pfalz in Pöhlde verbringen zu wollen. Übermannt von seiner strak schwelenden Wut auf den Herzog Boleslaw I. Chrobry beabsichtige er zudem im Folgejahr einen neuen Polenfeldzug mit starkem Heeresaufgebot. Doch Vorher habe er sich wohl noch durch einen Feldzug gegen die unbotmäßigen Friesen durchzusetzen. Aber im kommenden Sommer würde er es dem Polenherzog schon zeigen wollen, dass sich das Reich unter seiner Leitung stark zeige.

Da der König hierbei auch davon sprach, die Bündnisvereinbarungen mit dem heidnischen Lutizenbund erneut einzufordern und ein Kontingent aus Redariern und Lutizen diesem Polenfeldzug im Folgejahr einzuverleiben, sah es die Königin Kunigunde als gute Gelegenheit, die in Quedlinburg zu Ostern getroffene Vereinbarung zu hinterfragen.

So lenkte die Königin geschickt die Gesprächsführung mit ihrem Gemahl auf eben die zusätzlich getroffenen Vereinbarungen mit den Lutizenanführern.

Heinrich, der seiner Gemahlin hier die Absprachen noch einmal offenlegte und auch einräumte, dass es wohl schon Umsetzungen der Nebenvereinbarungen, wie der Lieferung von Waffen und einer Ehe zwischen einem Abodriten und einer redarischen Fürstentochter gäbe, tappte damit in die gestellte und beabsichtigte Falle seiner Gemahlin.

So brachte sie ihren persönlichen Einwand als Christin vor, aus christlichem Hause stammende Ehepartner mit Heiden selbst nicht gut zu heißen, auch wenn dies einer Bündnisbevorteilung diene. Da die Heiden sich hierdurch dennoch nicht dem eigenen christlichen Glauben zugetan fühlten und es den vermählten Christen unmöglich erscheint, in heidnischen Landen den eigenen Glauben angemessen praktizieren zu können oder gar zu dürfen, gegen die befremdlichen heidnischen Bräuche, würde sie selbst sich eine Aufhebung derartiger Vermählungsversprechen von ihrem Gemahl wünschen. So haben auch Teile anderer edler Häuser des Landes sowie verschiedene Geistliche diesen Wunsch an sie herangetragen.

Heinrich II. schien etwas irritiert davon, dass sich seine Königin in derartiger Art in seine Bündnisgeschäfte einbrachte, jedoch wolle er sich hierzu beraten lassen.

So hinterfragte er konkret, welche weiteren christlichen Edlen hierzu geäußert haben.

Die Königin brachte hierbei vor, dass die Diskussion im Zuge einer Debatte unter im Hofstaat über den Verkauf von Christen als Sklaven an Heiden entbrannt sei, wobei Gefangene des Christlichen Glaubensgebietes an heidnische Fürsten verkauft wurden. Dies sei bereits seit vielen Jahren aus der Nordmark und auch den östlichen Gebieten und Gauen bekannt. Auch hierzu müsse ihr Gemahl vielleicht eine Beratung mit den geistlichen Häuptern suchen und sie erbat hierzu eine nachhaltige Bekundung des Willens Heinrich II..

Nun konnte Heinrich seiner Ehefrau nur wenig abschlagen- dies war gemeinhin bekannt. Immer wieder überschrieb er Güter, Dörfer und Mansen seiner Gemahlin zur eigenen Verwendung und Nutzung.

So war der König auch dieses Mal nicht abgeneigt, unter den vorgebrachten Argumenten, sich Rat zu holen- vielleicht sogar alsbald eine Entscheidung zu finden und sodann auch beurkunden zu lassen. Er lobte zudem auch, dass sich seine Gemahlin Kunigunde so offenkundig mit Fragen des Glaubens befasste. Dies würde er an ihr schätzen, da die Verbreitung des christlichen Glaubens ja auch seine Hauptaufgabe als Lenker des Reichs sei und vielleicht nicht immer alle Fragen sofort beantworten kann- es manchmal auch im Sinne des Glaubens ist, gewisse Dinge in Frage zu stellen.

Fürwahr erfolgreich und glücklich zog sich die Königin sodann vom Lager ihres kranken Mannes zurück, um ihm die nötige Ruhe zu verschaffen.

Ihr eigenes Gewissen war indes etwas beruhigter- wie sie auch ihrer Vertrauten, der Markgräfin Reglindis berichten konnte. 

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