An der Oder

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Beim Ort Krossen an der Bober- Mündung in die Oder befand sich das Lager des polnischen Heeres.

Nach dem kleinen Erfolg durch den gelegten Hinterhalt gegen die Deutschen- und um nicht weiter am anderen Ufer bedrängt zu werden- nahm Larno vorsorglich sein Kontingent wieder über die Oder zurück und war hier nun im Lager bestrebt, dem Herzog Boleslaw I. Chrobry seinen Bericht zu geben.

Wenngleich viele der Edlen im Heer diesen Erfolg sehr begrüßten, so blieb der Herzog selbst ohne eine klar erkennbare Meinung zum geschilderten Geschehen. Er stellte hingegen vor allen Leuten nur fest, dass nunmehr die Deutschen gewarnt und auf der Hut sein werden.

Späher berichteten zwei Tage danach davon, dass sich dem Heer des Deutschen an der Oder ein weiteres Kontingent des Lutizenbundes angeschlossen habe.

Über die Oder hinweg konnte man die Deutschen und die Fackeln ihres Lagers bereits sehen. Nur die kluge Auswahl des polnischen Heerlagers hinderte die Deutschen hier am Übersetzen über den breiten Fluss. Irgendwann nun begannen die Deutschen mit einem Brückenbau am anderen Ufer.

Graf Biedrow und Larno besahen sich das mit großem Gelärm begleitete Bauen der Brücke von der Waldkante an der Flussaue aus.

„Sie sind dort drüben recht umtriebig.", stellte Larno mit ruhigem Ton fest.

Den Grafen indessen gingen andere Fragen durch den Kopf. Und er sah nun eine gute Möglichkeit, diese Fragen loszuwerden.

„Wann wolltest Du mir erzählen, dass Du in den Deutschen Landen einen Bruder hast? Jetzt kennen wir uns schon so lange, sind mehrfach im Waffengang gemeinsam vorgegangen. Wir sind Nachbarn- ja sogar gute Freunde. Und dennoch hast Du dieses Geheimnis nie offenbart?"

„Das ist eine lange Geschichte- war es auch für mich. Meine Mutter hatte mir nie von meinem leiblichen Vater berichtet, nahm das Geheimnis um ihn mit in ihr Grab. Doch trieb mich diese Unwissenheit immer innerlich um. Es war nach den Ereignissen auf der Burg Slivor. Nach dem Verlust meiner Nemanja und dieser unsäglichen Flucht hatte ich schon jegliche Hoffnung verloren, doch noch Antworten zu finden, die für mich Licht in die Dunkelheit gebracht hätten. Ich hatte die Suche nach all den vielen Jahren aufgegeben."

„Und? Was ist dann geschehen? Ich meine, Du musst doch irgendwann etwas erfahren haben?", erkundigte sich Biedrow wissbegierig.

„Hmm. Ja. Doch war dies der Verdienst von Nerin, der Fürstentochter von Lenzen. Sie war ja unter den Hofdamen Eurer Prinzessin Reglindis, die ich auf Burg Slivor durch einen Zufall allesamt befreien konnte. Und Nerin- dies habe ich dir ja schon zur Genüge erzählt- ist eine sehr eigensinnige Frau. In guten Absichten begleitete Nerin mich dorthin, wo meine Mutter einst lebte. Das war die Burg Wulfesal am Rande des Linonengebietes. Die Tage, welche ich dort verbringen konnte waren wie eine Reise in die Vergangenheit- in die meiner Mutter, wohl aber auch meine Vergangenheit. Und durch glückliche Fügung dort, gab sich eine Freundin und Vertraute meiner Mutter mir zu erkennen und erzählte mir eine Geschichte, die seltsamer kaum sein kann."

Biedrows Neugierde war geweckt. „Welch Geheimnisse hast du erfahren? Komm- lass mich nicht warten. Heraus damit!", forderte Biedrow.

„Meine Mutter war Brautjungfer der dortigen Tochter des Stammesältesten und Burgherren. Die Braut war – wohl um Bündnisse mit den Sachsen dort zu sichern- einem sächsischen Mann versprochen, der von mehreren anderen Rittern der Sachsen sein Ehrengeleit bekam. Die Hochzeit war wohl sowohl nach slawischen und christlichem Brauchtum geschlossen worden. Und meine Mutter und einer der Sachsen verliebten sich dort wohl leidenschaftlich ineinander. Und ich? Ich entstamme dieser Liebe. Doch meine Mutter wollte dem Ritter nicht in dessen Lande folgen, wie ich erfuhr. Was jedoch immer offenbleiben wird, ist die Frage, ob sie diese Entscheidung bereut hat. Dazu bekam ich keine Antwort."

Larno - Wege zur WahrheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt