Eine Tür öffnet sich

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Man darf die Hoffnung nicht aufgeben.

Auch Nerin gab ihre Hoffnung nicht auf, vielleicht einen Weg aufgezeigt zu bekommen, der es ihr ermöglichte, jetzt nach der Rückkehr des Königs Heinrich II. aus dem Feldzug gegen die Polen nach Merseburg, doch noch in irgendeiner Weise mit Stanielub nach Polen auf sicherem Wege über die Grenze zu gelangen.

Und das Vertrauen, dass Nerin hierbei ihrer guten Freundin Reglindis von Meißen entgegengebracht hatte, wurde auch schon alsbald für richtig bestätigt.

Markgräfin Reglindis hatte eine Gelegenheit erkannt, sowohl ihrer Freundin Nerin von Lenzen als auch dem guten Larno vielleicht zu deren Glück zu verhelfen zu können. Sie fühlte sich Beiden in hohem Maße vom Herzen verpflichtet.

König Heinrich II. war in Merseburg. Hier empfing er edle weltliche und geistliche Männer, hörte sich deren Anliegen an und beurkundete viele Dinge. Da er immer noch verschiedene Würdenträger nach Merseburg einbestellen ließ, schien sich ein längerer Aufenthalt in Merseburg abzuzeichnen.

Da Königin Kunigunde zwar bei wichtigen Gelegenheiten zugegen war, jedoch sich auch mit den edlen Damen gern die Zeit derweil vertrieb, war Reglindis als Vertraute der Königin Kunigunde in dieser Zeit ebenfalls aufgefordert, auch am Hof zu sein.

In einer unbeobachteten und durch Dritte ungestörten Situation sprach Reglindis daher mit der Königin. Hierbei erbat sie in Vertraulichkeit die Zustimmung der Königin Kunigunde, dass Reglindis eine Dienerin mit persönlichen Mitteilungen an Reglindis Mutter und jüngere Schwester dem Bischof Heico von Meißen mit in das Geleit in ihr polnisches Heimatland mitschicken durfte. Reglindis beschwor die Königin hierzu fast, da sie von Mutter und Schwester fast über ein Jahr keine Nachricht erhalten durfte. Zudem versicherte Reglindis der Königin, keine geheimen Pläne oder Absprachen zu machen- nur sehr persönliche Dinge zu teilen, die ihr Glück mit dem Markgrafen Hermann und ihre Gesundheit betrafen.

Königin Kunigunde ließ sich erweichen hierzu sogar einen Geleitbrief zu siegeln, den sie Reglindis übergab.

Was die Königin nicht erfuhr, dass Reglindis die Absicht hatte, Nerin als Dienerin zu entsenden.

Bei kurzem Besuch auf Burg Genea fand Reglindis Gelegenheit, Nerin am nahen Gehöft aufzusuchen und sie von ihrer Absicht zu überzeugen. Nerin und auch Stanielub willigten ein und begaben sich in Vorbereitung dieses Unterfangens an die Burg Strehla, welche nach dem Brand der Stadt unbeschadet geblieben war. Dort angekommen, bereiteten sich Nerin und Stanielub auf die Mitreise vor.

Unter dem Vorwand, den Bischof zur Beichte noch vor dessen Abreise aufsuchen zu wollen, begab sich Markgräfin Reglindis nun nach Strehla, wo sie Nerin und Stanielub in ihr Gefolge aufnahm. Als am Folgetag Reglindis die Beichte abgelegt hatte, sprach sie mit dem Bischof Heico von Meißen über die Dinge noch in der Kapelle der Burg.

„Guter Bischof. Mir liegt eine persönliche Bitte nahe am Herzen. Und nachdem ich auch mit der Königin darüber gesprochen hatte- gar unter Tränen, suchten die Königin und ich eine gute Lösung zu finden. Ihr allein, guter Bischof, könnt uns nun noch helfen."

Irritiert über diese Offenbarungen fragte Bischof Heico nach, worum es denn den zwei edlen Damen ging.

„Die Mutter- mir immer lieb und teuer, und vor Gottes Augen fromm, ich habe ihr noch nicht von meinem Glück in der Meißener Heimat berichten können. Auch meine kleine Schwester, die ich sehr und herzlich an mich gebunden sah- alle wissen schon so lang nichts von mir."

„Ach, mein armes Kind."

„So sieht es die Königin als meine Pflicht an, der Mutter und Schwester doch endlich Kunde zu geben, doch die Angelegenheiten lassen es wohl absehbar nicht zu, dies vielleicht selbst zu tun. Die Königin brachte mich auf den Gedanken, eine meiner Vertrauten mit Euch ins Geleit zu geben, damit Sie an meiner Stadt von mir Kunde geben kann. Unter meinen Damen in Strehla erklärte sich die brave Dienerin Nemanja bereit, mir diesen Herzensdienst zu erweisen. Die junge Dame und ihren Vater würde ich gern in Eure Obhut mitgeben."

„Nun, die Dinge, welche ich nach Polen zu überbringen habe sind weltlicher Natur. Im Auftrage des Königs bin ich gebunden, mich genauestens an seine Weisungen zu halten. Und zusätzliches Geleit bei diesem Anlass? Ich weiß nicht."

Nun möchte der gute Bischof Heico ein Mann sein, der sich vor dem König gut hervor zu tun gedachte, zumal auch der Erzbischof Tagino von Magdeburg sicherlich auch das Wirken Heico's zu bewerten suchte. Doch Markgräfin Reglindis war eine Frau von höchstem Rang im Reich- vielleicht auch alsbald die Gemahlin des Herren seiner Mark Meißen für weltliche Belange, wenn denn Hermann von Meißen weiter in der Gunst des Königs aufstieg. Sollte man der Herrin Reglindis dies abschlagen.

Reglindis bemerkte die Zweifel wohl. So spielte sie nunmehr letztlich ihren letzten Trumpf aus- alles auf eine Karte setzend.

„Die Königin selbst gab mir diesen Geleitbrief mit ihrem Siegel bereits für meine Dienerin mit, damit die Dame Nemanja auch den persönlichen Schutz der Königin selbst ausweisen kann, sollten sich Gefahren erkennen lassen. Sowohl Königin Kunigunde- als auch ich- versichern Euch, dass die Umsetzung der persönlichen Anliegen kein handeln innewohnt, dass gegen das Reich oder die Kirche gerichtet ist. Nur dass ich mir selbst diesen Seelenwunsch erfülle, danach strebe ich. Und, guter Bischof, ich versichere Euch, mich sowohl bei meinem Gemahl als auch der Königin dafür auszusprechen, Euch dafür angemessen und reichlich zu entlohnen."

Offenbar hatten die letzten Worte , die Entlohnung auch noch gut und reichlich in Aussicht stellten, mehr bewirkt als all das herzlichst vorgebrachte Gerede vorher. Denn mit einem Male schien der Bischof Heico weniger geistlich, wenn auch weltlich Güter den Besitz zu ihm finden konnten.

„So zeigt mir bitte den Geleitbrief der Königin."

Heico prüfte Brief und Siegel gewissenhaft. Dann entschied er sich.

„Nun gut. Doch wenn ihr die Dienerin und ihren Vater dorthin entsendet, so ist ungewiss, ob ihr sie jemals wieder an Euren Hof oder hierher nach Burg Strehla zurückkommen seht. Auch wenn der polnische Herzog, Euer Vater, ein Fürstreiter für die Verbreitung unseres Glaubens unter den Slawen ist, so könnte er sich veranlasst sehen, Eure Dienerin an seinem Hofe zu belassen."

„Ja, guter Bischof. Dies habe ich mit der guten Dienerin Nemanja bereits besprochen. Sie ist sich dieser Umstände wohl bewusst, will es jedoch aus ihrer Verbundenheit und Treue zu mir gern auf sich nehmen, erst einmal dort verbleiben zu müssen."

„Nun? Wenn dies so ist? Wir brechen morgen schon auf. Denn ich habe die Urkunden für die Polen bereits heute erhalten und will auch keinen Zeitverzug, um abgesprochene Treffen dort einzuhalten.", sprach Bischof Heico und übergab die geleitbriefrolle in die Hände von Reglindis zurück.

„Ich danke Euch!", bekräftigte die Markgräfin nochmals. „Beide werden morgen bereit sein. Ich gestelle eine gesonderte Kutsche dafür, damit sie Euch nicht zur Last fallen.

Am folgenden Tag war dann nun der Abschied- von Reglindis und wohl auch aus den deutschen Landen. Es flossen Tränen, die Bischof Heico nur so deutete, dass sowohl die Dienerin als auch die Herrin Reglindis wohl eine längere Trennung voneinander zu verwinden hatten.

Sowohl Stanielub als auch Nerin- als Dienerin Nemanja- hatten Order, sich schweigsam zu zeigen und sich dann in Polen dem dortigen Geleit zu folgen.

So entschwand der Zug des Bischofs aus Reglindis Augen.

„Sollen Sie zueinander finden!", sprach Markgräfin Reglindis leise zu sich selbst, dem kleinen Tross hinterherblickend.

Larno - Wege zur WahrheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt