Warten ist keine Lösung

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Herzog Boleslaw hatte für sich eine Entscheidung gesucht, doch waren die Angelegenheiten seines Reiches wichtiger als die Herzensdinge zweier junger Leute.

Er hatte angeordnet, dass sich Frau Nerin von Lenzen nach Masowien zu begeben habe. Dies jedoch machte er nur seiner Frau bekannt, mit der Vorgabe, den Namen Nerins und ihren fürstlichen Stand nicht weiter bekannt zu machen. Die Reisende soll als Dame ihres Hofes verabschiedet werden.

Reglindis Kutsche wurde gut beladen auf die Rückreise nach Meißen gesandt- mit Geleit bis an die Landesgrenze Polens und einem Dankschreiben der Herzogin an die Tochter und auch den Bischof Heico vom Meißen.

Für Larno begann nun eine Zeit des Wartens. Er verstand nicht, warum der Herzog sich seinem Anliegen verschloss. Doch grollte er in seiner Ungeduld dem Herzog nicht, da er immer noch auf Fürsprache der Herzogin in der Sache hoffen musste.

Er hatte Stanielub nunmehr an seiner Burg in Welna. Dieser gab Bericht über die Bekannten im Linonenland, die Entwicklungen auf Burg Bojek und auch die Kinder, die seither dort dazugekommen waren. Man sprach viel über Nemanja, was für beide Männer meist betrüblich war. Jedoch half es Beiden, den alten Schmerz zu bewältigen- auch gemeinsam.

Unbegreiflich war für Larno, wie König Heinrich II., den Larno für einen Ränkeschmied und Menschen von boshaftem Wesen sah, Nerin an die Redarier in ein Eheversprechen brachte- nur um ein Bündnis mit den Lutizen zu erhalten.

Für sich hatte Larno fest entschieden, sollte er seine alten Widersacher Boran „den Genarbten" und Fürst Neromir im Kampfe stellen können, so würde er das Notwendige tun, damit diese Zwei nie mehr einem Menschen Leid zufügen können. Auch Neromir war ein Ränkeschmied- und stand Heinrich II. kaum an Durchtriebenheit und Niedertracht in seinen Augen nach.

Die Zeit ging dahin. Es wurde Winter und Frühling.

Und noch immer gab es keine Entscheidung des Herzogs Boleslaw I. Chrobry, auf welche Larno in Liebesdingen wartete.

Doch erhielt Larno als Ritter des Herzogs einen Aufruf unter dessen Heerbanner. Am mittleren Flusslauf der Oder versammelte der Herzog Boleslaw nunmehr seine Truppen.

Larno ließ sich von Biello als Waffengefährten ebenso begleiten, wie von Stanielub. Dies gab ihm Sicherheit auf dieser Heeresschau, wenngleich Biello und Stanielub nur zu Wachdiensten am Lager vorgesehen würden.

Das Heer der Polen war jedoch kleiner, als Larno es erwartet hatte. Wenig Reiterei, jedoch mehr Fußvolk war dieses Mal unter Waffen hier an der Oder zusammengekommen.

Das Ziel gab Herzog Boleslaw I. Chrobry durch eine deutliche Rede vor den versammelten Leuten selbst bekannt.

„Ihr guten Männer! Ihr Krieger Polens! Auf der anderen Uferseite der Oder- in Wäldern, auf Lichtungen und in den Auen der Flüsse werden wir einen Feind suchen und stellen, der feige und niederträchtig mit dem Feind ein Bündnis gegen unsere Heimat schmiedete. Wir werden gegen den Bund der Lutizen zu Felde ziehen. Erreichen will ich mit Eurer Hilfe dort, dass die Lutizen sich ihrer slawischen Wurzeln erinnern und sich von dem Bündnis mit Heinrich II. trennen und ablassen. Viele Anführer der Lutizen sind mit Silber bestochen. Ich denke, dass mancher Krieger dort- im Angesicht unserer Streitmacht- seine Waffen streckt und deren Bundesherren den Rücken zukehrt."

Die Menge jubelte.

„Wir werden nicht lange dort vorgehen! Ich will die Lutizen nur spüren lassen, was es bedeutet, sich Polens Zorn auf sich zu laden. Wer sich Uns ergibt, soll Gnade spüren. Doch wo deren Slawen gegen unsere Männer die Waffe erheben, da wollen wir zeigen, aus welchem Eisen unsere Schwerter geschmiedet sind."

Die Ansprache zeigte auf, welche Absichten Herzog Boleslaw hatte: Das Bündnis mit den Deutschen sollte gestört werden.

Der Feldzug begann mit einem ungestörten Übersetzen über die Oder. Man verbarg sich nicht. Die Polen zogen zuerst nach Norden, folgen dann einem Flusslauf folgend nach Westen. Hier kam man dem Kerngebiet des Lutizenbundes nahe. Die spürte man, als man Händler überraschte, die zwischen Siedlungen reisten. Sie gaben Auskunft, wo drei Lager der Lutizen zu finden seien, konnten sodann ihrer Wege unbehelligt folgen, nachdem sie ein Versprechen der Verschwiegenheit gegeben hatten.

Die drei Siedlungen lagen nahe beieinander und waren nur wenig und schlecht beschützt. Boleslaw ließ die drei Orte brandschatzen und einige Gefangene wegführen. Doch damit beließ es Herzog Boleslaw- das Heer zog sich zurück an die Oder, allerdings auf anderem Wege in einem weiten Bogen nach Süden.

Larno versuchte sich nahe beim Herzog und dessen Sohn Miezko Lambert zu zeigen. Er hoffte, dann zur Stelle zu sein, wenn er Lutizenbündische ausmachte, um den Herzog zu schützen. Vielleicht stimmte dies den Herzog um. Doch Boleslaw direkt darauf anzusprechen wagte er nicht, es stand einem Ritter nicht zu. Auch schien Boleslaw einem Gespräch auszuweichen.

Einzig mit Herrn Miezko Lambert, dem Herzogssohn, konnte Larno sprechen. Herr Miezko entschuldigte sich, Larno's Auserwählte fälschlich verdächtigt zu haben. Und zudem bescheinigte er Larno eine gute Wahl getroffen zu haben, was Larno zwar schmeichelte, jedoch auch nicht eine Lösung verschaffte.

Warten war keine Lösung! Da kam Larno dieser Feldzug zur rechten Zeit.

Wo die Lutizen waren, war hier nicht zu klären. Es gab kaum Kämpfe- drei oder vier kleinere Zufallskämpfe gab es.

So war der Rückzug eine kluge Wahl, um die Kräfte zu schonen.

Die Anführer der Lutizen und Redarier waren zu eben dieser Zeit viel weiter westlich. Ende März 1006 bis zum April des Jahres trafen sich die Anführer des Lutizenbundes mit König Heinrich II. an Elbe nahe dem Ort Werben. So hatte Heinrich II. den Lutizen die Erneuerung des Bündnisversprechens abgerungen und auch mitgeteilt, dass die Burg Arneburg im Gau Belcsem wiederaufgebaut und mit seinen Truppen besetzt werden wird. Die hätten die Lutizen zu achten.

Und es war die gleiche Versammlung, welche etwas Anderes geschehen sah: Auf Bitten der Königin Kunigunde sprach sich Heinrich II. für eine Untersagung von Ehen zwischen Christen und Heiden aus. Zudem ließ Heinrich II. hier in Werben verkünden und beurkunden, dass Verkäufe von Christen an die Heiden untersagt werden- so, wie es in königlicher Gerechtigkeit nur zu billigen war.

Kunigunde war es damit zufrieden. Die von Markgräfin Reglindis vorgebrachten Punkte hatten ihr Gewissen angerührt. Nun war das gewissen vor Gott beruhigt, wofür sie ihrem Gemahl Heinrich II. sehr offen dankte vor allen Herren- auch den Lutizenbündischen, die weniger erfreut schienen.

Denn mit diesem königlichen Schiedsspruch war Nerin aus der Bürde des Heiratsversprechens mit dem heidnischen Boran genommen.

Dies jedoch erfuhr Nerin erst viel später im Jahr.

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