Wir kletterten wieder von dem Dach und weckten Lacy.
Sie setzte sich direkt kerzengerade hin, wobei sie mit dem Kopf gegen die Wand knallte. Ich musste mir ein Lachen verkneifen und informierte sie schnell über die Baumleiche.
"Kennt ihr die Person?"
"Keine Ahnung, sie hängt zu weit oben. Deshalb dachten wir, dass du uns vielleicht helfen könntest", antwortete Troy.
Sie nickte und stieg aus dem Wagen.
Als sie die misshandelte Leiche dort oben hängen sah, musste sie kurz schlucken. Man konnte sich mit ihr nicht einmal einen vernünftigen Horrorfilm ansehen, ohne, dass sie direkt kotzen musste. Aber so war sie schon immer, und ich denke nicht, dass sich das je ändern wird.
Sie hielt ihre Hand in die Richtung der Leiche und faselte irgendetwas auf Latein.
Dann knickte der Ast, an dem die Person erhängt wurde, ab und fiel runter. Etwas Blut spritzte durch die Luft, als sie auf den Boden aufschlug.
Troy und ich liefen sofort darauf zu, Lacy blieb an ihrem Platz.
Als wir näher kamen, sahen wir einen mittelalten Mann. Ich kannte ihn nicht, aber er sah sehr misshandelt aus. Seine Klamotten waren überall zerissen und er hatte überall Verletzungen. Sein übriger Arm wurde fast ganz abgeschnitten, er hing nur noch an einem Fetzen an seinem Körper. An der Hand fehlten ihm ein paar Finger und an seinem Schienbein konnte man ihm bis auf den Knochen gucken.
Sein Kopf hing in der Schlinge des Seiles, womit er an den Baum gehängt wurde. Sein Hals war, genau wie sein restlicher Körper, mit Blut verschmiert. Eine tiefe Wunde war in seiner Kehle und das Seil bohrte sich tief hinein.
"Armes Kerlchen", bemerkte ich.
Troy sah mich mahnend an, beließ es aber dabei.
"Er hing da noch nicht so lange", stellte er fest, "Ein Vampir war es wohl nicht, so wie er aussieht."
"Wer könnte es denn gewesen sein?", kam es von Lace.
"Wir haben keine Ahnung. Sieht schon fast wie eine Opfergabe aus", sagte ich.
"Es kann ja sein, dass er geopfert wurde, von Hexen zum Beispiel.", sagte Lacy.
Ich sah sie verstört an.
"Was für Hexen bitte? Hast du überhaupt mal was von anderen Hexenzirkeln gehört?"
"Nein, aber das heißt ja nicht, dass es nicht noch welche gibt." Wir erwiderten nichts mehr darauf, standen auf und liefen zu Lace.
"Also, verbennst du ihn jetzt oder was?", sagte ich zu ihr. Sie sah mich zuerst etwas genervt an, tat es dann aber trotzdem.
Nachdem der Haufen Asche von Lacys magischen Wind verweht wurde, setzten wir uns wieder in den Bulli.
Wir beschlossen einfach weiter in Richtung Death Valley zu fahren, weil wir jetzt alle nicht mehr schlafen konnten.
Am späten Nachmittag kamen wir endlich an. Ich war immer noch der Meinung, dass es unnötig war, meinen durchgeknallten Bruder zu suchen. Wir finden ihn wahrscheinlich eh nicht, er tickt nicht so wie ich. Und dann hätten wir unsere Zeit mit etwas verschwendet, wobei wir etwas viel sinnigeres hätten machen können.
"Also, lasst uns aussteigen", meinte Troy.
Ohne irgendwelchen Optimismus stieg ich aus dem Wagen und schaute mich einmal in der kompletten Wüste um.
Weit und breit war nichts zu sehen. Zwischendurch lag ein verlorener Ast auf dem Boden, ein paar Steinchen lagen herum und ab und zu wuchs ein kleiner Grasbüschel heran.
Etwa eine Meile entfernt stand eine kleine, verottete Hütte mitten im Nichts, sonst waren weit und breit keine Pflanzen oder Häuser zu sehen. Wie es aus sah, waren wir die einzigen Menschen hier, also der perfekte zum Alleinsein. Trotzdem war Riley nicht aufzufinden.
"Ich habe doch von Anfang an gesagt, dass wir ihn nicht finden werden. Hört doch mal auf mich", brach ich die Stille.
"Nein, nein. Da hinten steht ein kleines Häuschen, da könnte er doch sein", widersprach Troy.
"Ja, steigt ein", sagte Lacy.
"Die paar Meter können wir auch laufen", meinte ich.
"Nein, wozu haben wir denn ein Auto?"
"Also ich laufe. Und ich wette, ich bin vorher da als du", grinste ich. Troy wollte auch laufen, Lacy musste aber fahren. Sie konnte immerhin nicht so schnell laufen wie wir.
Genau dann, als Lacy losfuhr, begannen wir loszurennen. Natürlich überholten wir den Wagen direkt und Troy und ich machten untereinander ein kleines Wettrennen. Das konnte er niemals gewinnen. Er ist zwar älter als ich, ich war aber trainierter und außerdem trank ich viel mehr Menschenblut als er.
Ich war innerhalb von zwanzig Sekunden an der Hütte, Troy zwei Sekunden später.
"Du hast nachgelassen, Branchette", ärgerte ich ihn. Er hat es sowieso schon immer gehasst, wenn ich ihn bei seinem Nachnamen nannte.
"Nur zwei Sekunden, Lexis."
Ich lachte ihn bloß aus und hielt Ausschau nach Lacy, sah aber weit und breit keinen schwarzen Van.
"Äh..siehst du zufällig deinen Wagen irgendwo?"
"Nein..", murmerlte er, "was machen wir jetzt?"
"In's Haus gehen."
"Bist du verrückt? Deine beste Freundin ist weg und du willst einfach ohne sie weiter gehen?"
"Also, zuerst einmal bin ich nicht verrückt und ist sie meine einzige Freundin, nicht beste. Und stell dich nicht so an, sie wird schon kommen. Wir werden doch wohl vorgehen dürfen."
Troy gab widerwillig nach und wir betraten das Häuschen.
Von innen sah es viel bewohnter aus als von außen.
Wir standen direkt in einem Zimmer, das wahrscheinlich als Mehrzweckzimmer benutzt wird. Es stand ein Sofa und ein Sessel rechts im Raum, links eine offene Küche und ein Esstisch. Es lagen furchtbar hässliche Teppiche auf den Boden und eine nackte Glühbirne hing von der Decke.
Eine Tür direkt gegenüber von der Haustür führte in einen anderen Raum.
"Ist ja grässlich", gab ich von mir.
Troy ignorierte meinen Kommentar und wir gingen durch die nächste Tür. Dort landeten wir in einem kleinen Flur mit drei weiteren Türen. Wir durchsuchten die Zimmer, zwei Schlafzimmer und ein Bad, fanden Riley aber immer noch nicht. Wir standen zusammen in einem der Schlafzimmer und überlegten, was wur jetzt machen sollten.
Dann ging Troy einfach zu dem Wäschekorb und wühlte darin herum.
"Du bist echt pervers", sagte ich angeekelt.
"Riechst du das nicht? Da ist Blut drin", erklärte Troy. Dann zog er ein blutverschmiertes Hemd heraus und zeigte es mir.
"Genau das hatte Riley vor zwei Tagen an", stellte ich fest. Troy nickte zustimmend.
"Dann muss er hier noch sein."
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Lovely Death
ParanormaleAnastasia ist schon seit über 200 Jahren auf dieser Erde. Sie genießt ihr Dasein als Vampir in vollen Zügen, bis ein Junge in ihr Leben tritt und alles verändert.