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Als Pia gegangen war, wollte ich mich wieder auf den Weg zu meinen Brüdern machen, doch dann kamen sie schon zu mir.

Jian und Herrik steckten die Köpfe in mein Zimmer. „Lance hat gesagt, du willst UNO mitnehmen."

„Das stimmt. Habt ihr es dabei?"

„Jap." Jian lächelte diabolisch. „Aber du darfst es nur mitnehmen, wenn du es vorher mit uns spielt."

Obwohl sich mein Magen nach einem Abendessen sehnte, sagte ich zu. So konnte ich auch noch einmal Zeit mit meinen Brüdern verbringen.

Herrik nahm Anlauf und sprang auf mein Bett. „Ja, lass uns UNO spielen!"

Ich schnappte ihn und kitzelte ihn einmal durch. Herrik schrie und wehrte sich, bis ich ihn schließlich losließ. „Du bist aber stark geworden", gab ich zu.

Herrik zog seinen T-Shirt Ärmel hoch und zeigte mir seinen Oberarm. Da musste ich lachen.

Auch Jian lächelte, während er die Karten mischte und sie austeilte.

„Wie viele Karten wollt ihr?", fragte er.

„Teil alle aus", entschied Herrik.

Ich stöhnte. „Nicht schon wieder." Herrik wollte immer alles ausgeteilt bekommen, damit man möglichst lang spielen konnte, und dann beschwerte er sich, dass es keinen Nachziehstapel gab.

Jian war das wohl egal, denn er teilte alle Karten aus.

Ich hielt die Klappe, denn dies waren vorerst die letzten Momente mit meinen Brüdern und ich wollte sie genießen.

Das klang eigentlich viel zu dramatisch, da ich ja nur für eine kurze Zeit weg war, aber in Anbetracht dessen, dass wir in kürzester Zeit versuchen mussten, die Erde zu retten, würde sich in nächster Zeit wohl nicht mehr so viele schöne Momente zum Spielen mit Jian und Herrik ergeben.

Das Spiel dauerte ewig, aber im Endeffekt gewann ich, was meine Brüder nicht erfreute. Nach einer weiteren Runde, in welcher Herrik das Spiel für sich entscheiden konnte, kamen meine Eltern vorbei, und wollten mit uns Essen gehen. Ich sah auch Pia, die sich hinter ihnen vorbeischleichen wollte, doch ich hakte mich bei ihr unter, sodass sie in unserer Mitte zum Essen gehen konnte. Auch wenn sie sich ihrer Familie noch nicht sehr verbunden fühlte, konnte sie sich ja mit meiner anfreunden.

Erst hatte ich Angst, dass sie meinen Arm abwehren würde, doch nach kurzer Zeit merkte ich, dass Pia meine Hand sachte drückte. Das freute mich sehr. Pia sollte sich in meiner Nähe immer wohlfühlen.

Mein Magen knurrte. „Was gibt es denn zu essen?"

Alle lachten. Auch Pia neben mir fing an zu grinsen. Hatte ich was verpasst? Fragte ich das öfters?

Mum antwortete mir schließlich. „Ich glaube Nudeln mit einer speziellen Soße."

„Wie geheimnisvoll."

Herrik spielte den Schockierten. „Vielleicht wollen sie uns ja vergiften."
„Bestimmt." Jian verdrehte die Augen.

„Lach mich nicht aus", ermahnte Herrik ihn. „Ich bin nur vorsichtig."

„Und das ist gut so", pflichtete Mama ihm bei.

Nach dem Essen legte ich mich schlafen. Marie oder Lance waren beim Essen nicht aufgetaucht, was aber nicht weiter schlimm war, da ich sie ja ab morgen für längere Zeit durchgängig sehen würde.

Ich hatte Pia noch bis vor ihre Tür gebracht, und sie zum Abschied umarmt, damit sie noch einmal sah, dass sie nicht allein war.

Meine Eltern und Brüder hatte ich auch nochmal richtig verabschiedet, bevor ich mich in mein Zimmer aufgemacht hatte.

Als am nächsten Morgen mein Wecker klingelte, fühlte ich mich bereit. Es war mir egal, dass es 6 Uhr morgens war. Xenia hatte für uns ausgerechnet, dass wir von hier aus ungefähr 3 Stunden Fußmarsch vor uns hatten, bis wir das Haus des ersten Auserwählten erreichten. Da wir noch nicht wussten, wie unsere Reise von dort aus weitergehen würde, mussten wir früh aufbrechen. 

Die Ungewissheit nagte schwer an mir. Was würde im Haus des ersten Auserwählten passieren? Würden uns seine Eltern rauschmeißen, oder sich unsere Geschichte anhören?

Ich zog mich angespannt an, schnappte mir meinen Rucksack und die Liste mit den Adressen und machte mich auf den Weg nach unten.

Dort wurde ich bereits erwartet. Lance, Marie, Pia, Drew, Ade, Sverre, Kazumi und die zwei anderen Reforten, dessen Namen ich noch nicht kannte, standen in einem Kreis in der Eingangshalle. Großartig, ich war die Letzte ...

Peinlich berührt lief ich die große Wendetreppe nach unten und hob die Hand. Ich wollte die Runde gerade begrüßen, als sich eine Tür öffnete und ein junges Mädchen heraustrat.

Ade ging zu ihr und stellte sie uns vor. „Das ist Jugi. Sie kann über zehn Sprachen fließend sprechen, und wird euch helfen, mit den Auserwählten zu kommunizieren." 

„Ist das nötig?", fragte ich. „Die Eltern kommen doch auch Tag- und Nachtreich. Müssten die Kinder dann nicht auch Deutsch können?"

„Das denken wir nicht", antwortete mir Sophia. „Wahrscheinlicher ist es, dass die Eltern jede mögliche Erinnerung an die Natesim vernichten wollen und somit ihrem Kind nie ihre Muttersprache verraten haben."

Ich nickte. Das ergab Sinn. „Hallo Jugi." Ich streckte ihr meine Hand entgegen und lächelte sie an. Sie hatte sonnengelbe Augen, was bedeutete, dass sie ursprünglich aus dem Tagreich kam. Außerdem waren ihre schwarzen Haare zu einem Dutt zurückgesteckt und ihr zierlicher Körper steckte in einem gelben Kleid.

„Salut." Sie grinste.

Nachdem sie Marie mit Hey, Pia mit Hola und Lance mit Guten Tag begrüßt hatte, gab ich es auf, die Sprache zu erraten. Ich hatte keinen Plan von Sprachen, merkte ich da wieder. Das kleine Mädchen hatte schon jetzt meine Hochachtung.

„Da ihr jetzt alle zusammen seid ..." Sverre klatschte in die Hände. „Valerian und Cyan sind mit einem Navigationsgerät ausgestattet, das euch den Weg weisen wird, des Weiteren tragen sie Zelte bei sich, in denen ihr zu Not übernachten könnt. Für den ersten Abend ist die Übernachtung bei Familie Fox eingeplant, nachdem ihr Paul von seiner Herkunft erzählt habt. Sollte dies nicht funktionieren, müsst ihr euch unverzüglich bei uns melden. Ein Ansporn für euch ist hoffentlich, dass ihr bei Misserfolg im Zelt übernachten müsst.

Außerdem kontaktiert ihr uns bitte bei der kleinstmöglichen Veränderung über die Seelenverbindung. Egal, ob es darum geht, dass ihr einen Auserwählten mit einer Familie zu uns schickt, oder ob ihr denkt, beobachtet zu werden. Eure Mission ist sehr wichtig, und deshalb wollen wir ständig in Kontakt stehen."

„Verstanden", sagten die Reforten, wie aus einem Mund. Sie beide waren aus dem Nachtreich, wie ihre schwarzen Irisen verrieten.

Marie nickte nur und ich reckte meine Daumen in die Höhe. Mit reichlicher Verspätung kam auch ein „Verstanden" von Pia, was uns alle zum Lachen brachte.

„Dann wäre alles geklärt. Viel Glück!" Ade winkte uns zu und verließ den Raum. Kazumi wiederholte das „Viel Glück", und folgte ihrer Frau. Sverre seufzte. „Ich wünsche euch natürlich auf viel Erfolg. Wenn ihr mit den Auserwählten redet, macht ihnen am besten keinen Druck. Sie müssen sich erst an das alles gewöhnen." 

Pia flüsterte „Wem sagen sie das", was mich zum Lachen brachte. Offenbar ging es ihr heute viel besser, sodass sie sogar wieder Scherze machen konnte.

Sverre sah sie an. Anscheinend hatte er gehört, was Pia geflüstert hatte. „Das tut mir immer noch sehr leid, aber es ist nicht mehr zu ändern."
„Ich weiß." Pia nickte. „Ich werde versuchen, den anderen Auserwählten alle Zeit zu geben, die sie brauchen."

„Schön." Sverre sah sich um. „Dann werde ich auch mal gehen. Ich werde Paul und seine Familie heute Abend hier erwarten. Auf Wiedersehen und viel Erfolg."

Sverre verließ die Halle und machte so die Situation endgültig.

Meine Mitreisenden und ich sahen uns an. Auch wenn wir uns alle für eine mehr oder weniger kurze Zeit kannten, mussten wir uns gleich gegenseitig aufeinander verlassen können. Wir mussten uns gegenseitig unsere Leben anvertrauen.

Wir mussten den Palast verlassen. Wir mussten aufbrechen. Unsere Reise würde jetzt beginnen, und ob sie ein Erfolg werden würde, stand in den Sternen...

SOON - Das Schicksal von Sonne und Mond (II)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt