𝐴𝑐ℎ𝑡𝑢𝑛𝑑𝑧𝑤𝑎𝑛𝑧𝑖𝑔

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Wenige Minuten später hatten Marie und ich die anderen in alles eingeweiht. Ihre Minen verriete, wie geschockt sie waren. Als wir auf Jacob William zu sprechen kamen, sahen sie sich alle staunend den Käfig an. Doch auch in dieser Gruppe konnten wir uns nicht einigen. Andrew, Pia, Lance und Jugi waren dafür, William auf der Stelle zu vernichten, doch Luna, Zane und ich wehrten uns dagegen, denn das wäre unverantwortlich.

Uns lief die Zeit davon, weshalb wir uns schlussendlich doch dazu entschieden, ihn mitzunehmen.

Nach der kurzen Pause flogen wir weiter, erschufen ein Portal zur Erde, und dann eins ins Nachtreich. Meine Kräfte stießen an ihr Limit. Ich musste mich gleichzeitig auf das Energienetz, meine Flügel und die Portale konzentrieren. Außerdem hatte ich nun seit mehreren Stunden nichts getrunken.

Doch ich beschwerte mich nicht bei meinen Freunden, denn sonst würden sie noch denken, sie hätten recht damit, dass William nur eine zusätzliche Last war. Ich konnte ihn nicht umbringen oder ihn umbringen lassen, denn vielleicht konnte er uns nochmal nützlich sein.

Zum Glück befand sich die Stelle, an der wir im Nachtreich strandeten, wieder unweit entfernt des Palastes. Anscheinend überlagerten sich Tag- und Nachtreich gerade in ihrer ursprünglichen Lage. Luna hatte mir mal erzählt, dass als sie gespalten wurden, die Paläste erst übereinander lagen, bevor sie angefangen haben, sich in unregelmäßigen Kreisen zu drehen. Wir hatten also enormes Glück gehabt.

In der Ferne konnte man den Palast sogar schon sehen. Es hätte auch anders ausgehen können. Wir hätten in einem entfernten Winkel des Nachtreiches auftauchen können.

Unser Ziel war nicht mehr weit entfernt, und so sammelte ich nochmal alle meine Kräfte, um den Flug zu überstehen. Ich dachte gar nicht daran, dass ich sie danach auch weiterhin benutzen musste, um das Energienetz aufrecht zu erhalten. Es wäre nur demotivierend zu wissen, dass ich die Tortur nach dem Flug noch nicht überstanden hatte.

„Wo denkt ihr, werden Ade und Sverre gefangen gehalten?", fragte Luna, als wir uns weiter dem Palast genähert hatten.

„Vielleicht im Thronsaal?" Das würde zu William passen, immerhin hatte er dort auch seine Geiseln mit dem Feuer infizieren wollen.

Pia stimmte mir zu. „Gute Idee. Versuchen wir es dort."
Die Stimmung blieb angespannt.

Das merkte ich vor allem daran, dass Jugi Deutsch sprach. Sie baute kein einziges Fremdwort in ihren Sätzen ein. Zane kam noch immer nicht gut mit seinen Flügeln zurecht und Andrew half ihm beim Fliegen. Luna hielt Lance durchgängig an ihrer Hand. So aufgeregt hatte ich sie noch nie erlebt. Wir waren jetzt schon oft in brenzlige Situationen gekommen, aber so ernst hatte es noch nie ausgesehen. Statt unserer Leben standen die der Oberhäupter von Tag- und Nachtreich und die unserer Eltern auf dem Spiel.

Pia flog neben mir und auch sie sprach nicht. Es würde mir vielleicht helfen zu wissen, ob sie auch so unter der Anstrengung litt, doch ich wollte es nicht ansprechen und auch nicht zugeben.

Meine Schwester sah so ruhig und selbstbewusst aus. Vielleicht hatte sie ja gar keine Angst.

„Denkt ihr, uns werden viele Feuerbändiger erwarten? Im Tagreich waren so gut wie keine, was ist, wenn sie alle hier im Nachtreich sind?", fragte Luna wahrscheinlich, um sich von ihren Gedanken abzulenken.
„Wahrscheinlich, aber darüber sollten wir jetzt nicht nachdenken. Es ist egal. Ab jetzt heißt es nur, Augen zu und durch. Wenn wir es nicht schaffen, unsere Herrscher und die Auserwählten zu retten, ist sowieso alles verloren", antwortete ich schulterzuckend.

Endlich waren wir beim Schloss angekommen. Bis jetzt schien alles ruhig, doch ich befürchtete, dass es die Ruhe vor dem Sturm war. So fühlte es sich zumindest an.

SOON - Das Schicksal von Sonne und Mond (II)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt