30 - Wolkenblau

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„Ausnahmsweise", entschied sie und beugte sich zu ihm, damit er sie küssen konnte.

Sie löste sich von ihm und erklärte: „Jetzt nochmal zurück zu deinen Kommilitonen: Wieso bist du nicht mit ihnen auf ein Bier, so wie es geplant war, bevor ich heute Morgen in Tränen ausgebrochen bin, weil ich weiterhin fett bin?"

„Ich hatte keine Lust mehr", log er und sie starrte ihn nur an, also fügte er hastig an: „Als du geweint hast, weil du nichts abgenommen hast."

Da er sah, dass Anna die Antwort nicht gefiel, fragte er: „Was kochst du eigentlich leckeres?"

„Marmelade. Mit weniger Zucker als die im Laden. Dafür mit mehr Frucht. Aber das ist nicht das Thema. Dir ist klar, dass du nicht alles sausen lassen musst, weil ich austicke? Du hast ein Recht auf dein Sozialleben außerhalb dieser vier Wände. Und ich hab dir versprochen, dass ich so einen Mist nicht wieder baue...", erwiderte sie und er nickte.

„Hast du. Und das glaube ich auch. Ich wollte mir eben nicht die Probleme anhören, von wegen, sie sollten nur Salat essen, weil sie sonst zunehmen könnten...", verplapperte er sich und schluckte, als Annas Augen zu Schlitzen wurden.

„Wieso sollten die so etwas sagen?", erkundigte sie sich und er seufzte.

Dann strich er sich durchs Haar und gab zu: „Weil sie wissen, dass sie mich damit ärgern, da ich eine Freundin habe, die für die Mehrheit der Gesellschaft kein Idealgewicht hat. Ich glaube, sie würden nicht so einen Blödsinn absondern, wenn sie dich kennenlernen würden, aber so machen sie sich über Gewichtsprobleme lustig. Als ob das Gewicht eines Menschen das Wichtigste der Erde wäre, verdammt. Egal. Ich hab heute komische Laune."

„Merk ich. Nervt mich aber, dass du schon wieder wegen mir Ziel von solchen Aussagen wirst", erklärte Anna und er schüttelte den Kopf.

„Das stört mich nicht. Mich nervt, dass die Gesellschaft offenbar keine anderen Probleme hat, als auf Menschen herumzuhacken, weil sie nicht so beschissen nullachtfünfzehn sind wie der Rest. Immer schön der Masse nachlaufen, den eigenen Kopf einschalten, ist ja nicht. Egal. Tut mir leid. Ich glaub, ich geh duschen, damit ich mich ein bisschen akklimatisieren kann. Ich möchte dir meine Laune nicht antun...", erklärte er und wollte sich abwenden, doch Anna hielt ihn fest.

Als er ihr ins Gesicht sah, flüsterte sie: „Es tut mir leid, Ace."

„Ist nicht deine Schuld, dass die anderen nicht kapieren wollen, dass die Hülle nichts über jemanden aussagt. Deswegen wollte ich dir das nicht erzählen. Weil du dich jetzt schuldig fühlst. Dazu hast du aber keinen Grund, verstehst du? Du bist, wie du bist, und genauso liebe ich dich. Jedes einzelne Milligramm von dir. Ich brauche keine Menschen um mich herum, die das lustig finden", stellte er fest und sie nickte betroffen.

Er zog sie in die Arme und hauchte einen Kuss in ihr Haar, ehe er sagte: „Arielle, ich liebe dich. Leute, die damit nicht klarkommen, können mir gestohlen bleiben, ok? Da verzichte ich mit Handkuss."

„Und trotzdem regst du dich darüber auf", wisperte sie und er hörte, dass sie sich mies fühlte.

„Ja, weil ich mich generell über Engstirnigkeit aufrege", sagte er und sie sah ihn forschend an.

Er registrierte, dass sie ihm nicht glaubte, doch sie nickte schließlich und flüsterte: „Ok."

„Ich meine das ernst, Arielle", stellte er leise fest und sie nickte erneut und löste sich von ihm, mit den Worten, sie müsse sich um die Marmelade kümmern.

Er wusste, das war eine Ausflucht, aber er verstand auch, dass sie das Thema beilegen wollte. Also stimmte er gedämpft zu und gab an, unter der Dusche zu verschwinden. Er sah im Augenwinkel, wie sie schlicht nickte. Er verließ den Raum und dachte sich, dass das ja echt ein Geniestreich gewesen war, während er sich einen Vollhorst nannte.

Mein Name ist Anna!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt