Kapitel 4

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Meila POV

Die zwei Wochen bis zu dem extra Training waren recht langsam vergangen. Und das nicht nur, weil unsere Lehrer meinten, sie müssten uns jetzt vor den Examen noch massenhaft Hausaufgaben aufgeben, sondern auch weil Rick es in den letzten zwei Wochen immer wieder getan hatte, ohne ersichtlichen Grund. Ich konnte kaum noch etwas essen und hatte dem entsprechend ein paar Kilos abgenommen. Damit das keinem auffiel, zog ich nur noch weite Pullis an. Doch heute Morgen musste ich mir etwas überlegen.

Ich war schon lange vor dem Weckerklingeln wach und starrte einfach nur die Wand an. Das tat ich öfter in letzter Zeit. Es machte mich psychisch fertig, nicht zu wissen, was ich tun sollte. Das einzige was ich wusste, war das es nicht so weiter gehen konnte. Die Idee mit meiner Mutter darüber zu reden hatte ich sofort verworfen. Sie würde mir keinen Glauben schenken, dafür sah sie ihn zu sehr durch die rosa-rote Brille. Meinen Bruder wollte ich ebenfalls nicht einweihen. Eigentlich wollte ich niemanden einweihen, schließlich war es nur meine Sache, auch wenn ich wahrscheinlich nicht alleine daraus kommen würde. Aber das war schon immer so. Ich wollte andere Menschen nie mit meinen Problemen belasten. Schließlich haben die meisten ihre eigenen, mit denen sie fertig werden müssen. Also ließ ich es.

Nun klingelte mein Wecker. Ich stand auf und verspürte direkt einen ziehenden Schmerz, in allen erdenklichen Körperteilen. Doch besonders in der Magengegend. Es war noch zu ignorieren, also zog ich mir meine Sportsachen an, die auch an aus einer weiten Jogginghose und einem weiteren Pulli bestanden. Ich schnappte mir noch schnell meine anderen Boxsachen und verschwand dann aus dem Haus. Nach einer halben Stunde Busfahrt, in der ich wie immer neben Lilly saß und überlegt hatte, wie ich morgen auf der Meisterschaft, die Sache mit meinem Gewicht vertuschen sollte, war ich zu dem Entschluss gekommen, dass ich mir meine zwei fünf Kilo Gewichte in den Sport-BH tun würde, sodass ich wieder an die fünfzig Kilo herankam. Heute trainierte sogar Nina mit. Eigentlich wollten wir damals beide Sportleistungskurs wählen, dieser kam jedoch nicht zustande, sodass sie nur manchmal mit zum Boxtraining kam. Sie ging auch nach einer Stunde wieder, da sie selbst noch Unterricht hatte, von welchem Lilly und ich befreit waren. Wir trainierten noch eine Weile, bis der Trainier uns entließ und wir gehen konnten. 

Ich verließ mit als Erste die Umkleide, da ich direkt nach Hause gehen würde und mich dort umziehen würde. Vor der Umkleide wartete jedoch der Trainer auf mich. Im ersten Moment dachte ich, er hätte doch etwas bemerkt, doch es ging um Ninas und meine Wahl des Sportleistungskurses. „Meila gut das ich dich noch antreffe. Ich habe Nina und dich heute im Training beobachtet und da ich weiß, dass ihr eigentlich den Sport LK wählen wolltet, möchte ich euch vorschlagen in meinen Sport LK zu kommen. Ich unterrichte die Stufe über euch." Nachdem er das gesagt hatte, war ich erst einmal kurz erstarrt, sagte dann jedoch „Ja das wäre echt cool, aber passt das überhaupt mit unseren Stundenplänen?" „Ja das habe ich schon alles abgeklärt. Ich lasse euch dann eine Nachicht zukommen. Wir sehen uns dann morgen bei der Meisterschaft." Danach ging er und ich machte mich auch auf den Weg nach Hause, keinen Gedanken daran verschwendend was mich dort erwarten würde.

Zu Hause angekommen, wartete Rick schon auf mich und zerrte mich auf mein Zimmer. Anscheinend waren wir, wie die letzten Wochen auch alleine. Nick war wahrscheinlich noch beim Fußball und Mum noch arbeiten. Während ich nach gedachte hatte, war mir nicht aufgefallen, dass wir schon in meinem Zimmer angekommen waren und er mich schon am anschreien war. Das merkte ich erst, als er mir eine Backpfeife gab. Ich starrte in wütend an, doch seine Antwort bestand wieder darin mich anzuschreien „Du Miststück hast mir zu zuhören, wenn ich mit dir rede!" Wegen eines plötzlich aufkommenden bisschen Mutes schrie ich zurück „Du hast mir gar nichts zu sagen und weißt du was, die Meisterschaft morgen kommt mir ganz recht, dann bin ich wenigstens weg aus diesem Irrenhaus." Am Schluss wurde ich immer leiser, da mich erstens der Mut verlassen hatte und mir zweitens aufgefallen war, wie dumm diese Reaktion und die Tatsache, dass ich ihm von der Meisterschaft erzählt hatte, war.

Ein paar Stunden später stand ich unter der Dusche und ließ warmes Wasser auf mich prasseln. Dieser Arsch hatte mich schon wieder geschlagen, zwar diesmal nur so, dass man es nicht sehen konnte, doch ich hatte mich schon wieder so elend gefühlt. In letzter Zeit fühlte ich mich immer öfter alleine und hilflos, doch irgendwie war ich das auch selber schuld. Auch wenn ich es anfangs unbewusste getan hatte, so kapselte ich mich nun absichtlich von meinen Freunden und von meiner "Familie" ab. Einfach aus dem Grund, weil  ich nicht wollte, dass sie mitbekamen, wie schlecht es mir eigentlich ging. Auch wenn ich so langsam das Gefühl hatte, dass sie es genau deswegen mehr mitbekamen, als wenn ich versucht hätte, mich so zu verhalten, wie ich es sonst auch tat. Aber das konnte ich auch nicht, denn dann würde ich sie anlügen müssen, das tat ich zwar so auch, aber dadurch, dass ich mich so abgekapselt hatte, redete ich nur noch das nötigste mit ihnen und blockte alle weiteren Gespräche ab. Ich wusste jedoch nicht, wie lange ich diese Mauer, dich ich zwischen ihnen und mir gezogen hatte noch aufrecht erhalten konnte.

Nach der Dusche musste ich mich wie so oft in den letzten zwei Wochen übergeben. Lag wohl an den Schlägen von Rick. Er schlug nicht gerade leicht zu und ihm war auch egal wie es mir ging. Ich war einfach nur sowas wie ein menschlicher Boxsack für ihn, an dem er seine Wut raus lassen konnte. Nachdem ich mir noch schnell die Zähne geputzt hatte, ging ich ins Bett.

Hass wird zu Liebe ...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt