Akt 1: Kapitel 5

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Achtung! In diesem Kapitel wird das Thema einer Essstörung behandelt! TW!

Jüri

Das ich nicht so wirklich willkommen geheißen werde, war mir klar. Aber diese Abfuhr habe ich nicht erwartet.

Nachdem Will mit Liam geredet hat, ist dieser rein ins Zimmer und sogleich auch wieder raus. Etwas perplex stehe ich mitten im Raum und zucke kurz zusammen, als es an der Tür klopft. Ich öffne die Tür und sehe auf einen vollbepackten William.

„Warten Sie, ich helfe Ihnen", meine ich und möchte ihm meine Sachen abnehmen. „Nein, du musst deine Wirbelsäule schonen.", wimmelt er ab und drängt sich an mir vorbei und meint scherzend: „Bitte sag du zu mir. Ich fühle mich dann so alt"

"Du weißt, dass du hier bist, dass du wenigstens ein bisschen mit Formel-Sport zu tun hast. Andererseits kannst du eine tolle andere Sportart kennenlernen und vielleicht etwas davon selber zu erlernen. Die Jungs im Ballett müssen ihre Wirbelsäule nicht so durchbiegen", lacht er mir entgegen, während er meine Sachen auf den Schreibtisch stellt. "Viel Spaß noch!", verabschiedet er sich und geht aus dem Raum.

Ich gehe auf meinen neuen Schreibtisch zu und packe meine Sachen aus. Es fühlt sich komisch an. 

Ich bin seit ich 15 war, nicht mehr in der Schule gewesen. Eine abgeschlossene Ausbildung habe ich nicht. Einen Unfall von diesem Ausmaß kalkuliert man nie ein. Der hat meine ganze Karriere zerstört.

Zu tun habe ich nichts, deshalb dekoriere ich meinen Teil vom Zimmer. Ich habe mir im Voraus ein Paar Fotos von meinen besten Freunden und mir ausgedruckt. 

Sie alle fahren gerade in der Formel 2 und ich hocke in London. Wie schön...

Eine knappe Stunde später habe ich alles eingeräumt, verstaut und dekoriert. Zufrieden schaue ich auf das Endergebnis. 

Ohne nachzudenken lasse ich mich auf das Bett fallen. Das war keine gute Idee. Das Bett ist ziemlich hart. Als mein Rücken auf der Matratze aufkommt jammere ich laut auf. 

Die große Narbe, welche durch den schweren Unfall und dessen Folgen entstanden ist, schickt einen schmerzhaften Schauer durch meinen Körper.

„Kannst du nicht einmal liegen ohne ein Wort von dir zu geben?", werde ich angemault. Ich schaue mit schmerzverzogenem Blick auf und sehe in die genervten Augen von meinem Zimmerkollegen. 

Der Schmerz zieht immer noch durch meinen Körper und lässt mich nicht Atmen. Wie ich es in der REHA-Klinik gelernt habe, schließe ich meine Augen und entspanne meine Muskeln. Schnell lässt der stechende Schmerz nach und lässt mich wieder atmen.

„Was bist du denn für ein Kind?!", fragt er mich, lacht laut und gehässig auf und deutet auf die Fotos die ich an die Wand geheftet habe. „Ich habe nur Fotos von mir und meinen Freunden aufgehängt", antworte ich leise. Sein verhalten kränkt mich schon ein bisschen.

Ohne nur ein weiteres Wort zu sagen verschwindet er wieder aus dem Zimmer. Nur ein paar Minuten Später kommt er wieder. 

„Komm mit. Abendessen.", sagt er desinteressiert. Langsam drehe ich mich auf die Seite damit ich aufstehen kann. 

„Schwing mal deinen Arsch hier raus. Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit", spuckt er mir entgegen. 

„Sorry, ich kann nicht schneller aufstehen", möchte ich ihn wahrheitsgetreu erzählen. „Ja, ja. Wer's glaubt. Einfach nur unsportlich bist du. Dich möchte ich mal Ballett tanzen sehen.", faucht er mich an und geht vor mir her, als ich endlich geschafft habe aufzustehen.

Wie ein Küken, welches den Arsch seiner Mutter folgt, laufe gehe ich ihm nach. 

Aus dem alten schlossähnlichen Gebäude gehen wir in den modernen Teil des Schulkomplexes. Im Speisesaal angekommen deutet er in eine Richtung. „Tabletts sind dort und Essen da drüben", murmelt er und verschwindet.

Einige andere Schüler gehen an mir vorbei in die Richtung, in welche Liam gezeigt hat. Langsam folge ich ihnen und greife mir ein Tablett vom Stapel. 

Wieder gehe ich den Schülern nach zur Essensausgabe. „Was hättest du denn gerne?", fragt mich die nette Dame aus der Küche. 

Kurz überblicke ich die Auswahl. „Die Nudeln bitte", bestelle ich. Sie nimmt einen Teller und ladet mir eine Portion auf.

Aus Zufall habe ich den Wasserspender gefunden und mich auch an ihm bedient. 

Nur wo soll ich mich jetzt hinsetzten? Zu Liam wohl eher nicht. Der kann mich ja eh nicht leiden. Bis jetzt habe ich nur mit ihm gesprochen oder es wenigstens versucht.

Alleine setzte ich mich an einen Tisch und fange an zu essen. Doch beim alleine essen hat man einfach keinen Appetit. Deshalb trinke ich das Glas Wasser aus und stelle mein Tablett zu den anderen.

Alleine mache ich mich auf den Weg zurück ins Zimmer. Das habe ich mir definitiv leichter vorgestellt. Verloren laufe ich durch die Gänge. 

In diesem Internat sehen alle Stockwerke gleich aus. Welches Zimmer war es noch gleich? 3008? Ja, das müsste es gewesen sein.

Auf der richtigen Etage müsste ich sein. Endlich. Da ist das Zimmer. 

Ein riesiger Stein fällt mir vom Herzen, als ich ins Zimmer gehe und es wirklich das ist, in welchem ich schlafe. 

Langsam lasse ich mich auf den Schreibtischsessel nieder und will mir meine Kopfhörer aufsetzten, doch halte inne.

Was ist das für ein komisches Geräusch? Auf einmal ist es nicht mehr da. 

Doch so schnell wie es weg war ist es wieder da. Was ist das bitte? 

Wenn ich es nicht besser wissen würde, würde ich sagen, dass sich da jemand die Seele aus dem Leib kotzt. 

Langsam erhebe ich mich und gehe dem Geräusch nach, welches anscheinend aus dem Bad kommt.

Auf den Anblick, welcher mir geboten wird, hätte ich auch verzichten können. 

Es ist Liam. Er sitzt vor der Toilette und kotzt in Intervallen. 

Er hat wohl nicht mitbekommen, dass ich hinter ihm stehe, denn er bringt sich noch einmal dazu seinen Mageninhalt loszuwerden. 

„Liam?", frage ich leise. Mit einer schnellen Bewegung dreht er sich zu mir um und sieht mich mit tränenden Augen an. 

„Geh weg!", faucht er mich an und möchte mich wegdrücken. Doch so schnell wird er mich nicht los. Auch wenn er mich nicht leiden kann, ist mir das egal.

Marcus hat mir immer gesagt, dass ich ein Helfer-Syndrom habe. Denn jedes Mal, wenn es jemanden im Paddock schlecht gegangen ist, habe ich mich sofort auf den Weg zu ihnen gemacht, weil ich es hasse, wenn es irgendjemanden schlecht geht. 

Zusammen geht alles leichter, meine zu mindestens ich.

Vom Waschbecken nehme ich mir den Ausspül-Becher und fülle ihn mit Wasser an. Langsam beuge ich mich zu Liam hinunter, um ihm den Becher zu geben. 

Er nimmt ihn an sich und spült aus. Wenn ich mich nicht irre, dann habe ich ein kleines Lächeln auf seinen Lippen gesehen. „Danke", wispert er und drückt sich an mir vorbei.

Kurz stehe ich noch da, bis ich ihm dann ins Zimmer folge. Er hat sich auf sein Bett gelegt und die Augen geschlossen. Ich selber ziehe mich aus und lege mich auch ins Bett und schließe die Augen.

„Was ist passiert, dass du da bist?", höre ich Liam's leise Stimme.

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Das nächste Kapitel :)

Ich hoffe es gefällt euch! 

Deux Mondes - eine BoyxBoy Story (Liam Lawson x Jüri Vips)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt