Ich bin zugegebenermaßen überrascht, dass wir draußen wenige Straßen weiter auf eine große Menschenmenge stoßen. Aber die gespielte Fröhlichkeit einiger kann ich trotzdem nicht ganz glauben. Warum tragen so viele Menschen schwarze Klamotten? Als würde der Himmel nicht schon genügend Dunkelheit über alle werfen. Doch heute sind die Straßenlaternen an. Zumindest hier, wo wir sind.
Lewis schiebt mich durch die Menge, sodass wir vollkommen untertauchen. Das Adrenalin, welches mir in dem Haus durch das Blut geflossen ist, weicht nach und nach ein bisschen Entspannung. Dann kann ich endlich in der Menge eine mir bekannte Jacke erkennen.
»Papa«, rufe ich erfreut, aber er hört mich aufgrund des lauten Stimmengewirrs nicht. Bemerken tut er mich erst, als ich ihm eine Hand auf die Schulter lege. Für einen winzigen Moment schlägt mein Herz schneller bei dem Gedanken daran, dass es vielleicht doch nicht Papa sein könnte und ich gerade eine vollkommen fremden Person anfasse, aber dann dreht er sich um und nimmt mich in die Arme.
»Da seid ihr ja endlich, warum habt ihr so lange gebraucht?«
»Ach, also ...«, beginne ich, unschlüssig, wie viel Papa darüber wissen soll und darf. Lewis lacht leise und sagt: »Gelbe Papaya und rote Tomate.«
Werde ich verrückt? Warum ist die Erklärung für alles, was hier passiert »gelbe Papaya und rote Tomate?« Nächstes Mal, wenn meine Mutter mich fragt, weshalb ich nicht gelernt habe, sollte das doch dann sicher eine super kryptische Aussage sein.
»Warum weiß sogar Papa, was dieser bescheuerte Code bedeutet und ich nicht? Warum bin ich die Einzige, die keine Ahnung hat, was hier abgeht?«, zische ich Lewis zu.
»Sorry, ich werd's dir gleich erklären ... und du wirst es sehen«, sagte er und der bittere Beiklang ist nicht zu überhören. Verwirrt runzele ich die Stirn und blicke in die Richtung, in die alle um mich herum zu schauen scheinen. Wir befinden uns auf einem großen Platz. Und dort, wo die meisten Lichter aufgestellt sind, nicht weit von uns, steht eine Bühne. Geht es um ein Rockkonzert, bei dem regimetreue Songs gespielt werden, und ist deswegen die Stimmung so gedrückt?
Oder geht es um etwas ganz anderes ...?
Plötzlich beginnt die Menge unruhiger zu werden, obwohl die Leute leiser werden. Ein Mann betritt die Bühne mit bedachtem Schritt. Er räuspert sich. Kurz frage ich mich, warum ich das hören konnte, aber fokussiere mich das wieder auf das Geschehen.
Neben mir spüre ich, wie Lewis nach meiner Hand greift und sie kurz drückt.
»Meine treusten Bürger. Freunde. Ihr seid gekommen, um Penthesilea zu ehren und jene zu verachten, welche das nicht tun. Der Wohlstand und der Fortschritt war noch nie größer. Konnte je eine Zeit von sich behaupten, keine Arbeitslosen zu haben?
Nein. Das kann keine Zeit, kein Land. Nur unser Heimatland.«
Tatsächlich höre ich Leute klatschen und jubeln, während mich ein angeekeltes Gefühl überkommt.
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Ein Augenblick der Zeit
Ciencia Ficciónpausiert | wird überarbeitet | demnächst Tanz, Musik, Leidenschaft, Einzigartigkeit. Für Lavita sind diese Worte aus ihrem Leben nicht wegzudenken. Doch der Preis dafür ist hoch. Das unabhängige, freie Leben ist nur deswegen möglich, weil sie zu ei...