Kapitel 1

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~Art is how we decorate space; music is how we decorate time~

Meine Mutter lächelte mir aufmunternd zu. "Wird schon nicht so schlimm", sagte sie. Ich sah sie mit einer Mischung aus Skepsis und Wut an. Schließlich war es ihre Schuld, dass ich auf dieses dumme Internat kam. Außerdem wusste sie genau wie ich es hasste die Neue irgendwo zu sein. Ich wartete kurz, ob sie noch etwas sagen würde, entschloss mich dann aber auszusteigen. Das Verhältnis mit meiner Mum war ok. Ich war ihr ein und alles und manchmal fiel es mir schwer mit ihren Erwartungen an mich, ihrer einzigen Tochter. Ihr kleiner, perfekter Engel. Wenn ich in etwas auch nur ansatzweise schlecht war, war sie unendlich enttäuscht und machte sich sofort Vorwürfe, dass sie mich nicht richtig aufgezogen hatte. Und dann übte ich. Übte ich solange bis ich es perfekt konnte. Es war ein ewiger Druck, dem sie mich aussetzte. Ganz anders als mein Dad. Der war nie so gewesen, aber ihn hatte ich nicht mehr. Er hatte mich und meine Mum verlassen. Der Gedanke versetzte mir einen Stich. Er war immer derjenige gewesen, der meine Meinung hören wollte, mir zuhörte, mich nicht unter Druck setzte. Sein Verlust war schmerzend gewesen. Es hatte mich verändert, irgendwas in mir fehlte, denn ein Kind brauchte seinen Vater. Natürlich hatte es noch andere Gründe gegeben, wieso dann das hier aus mir wurde. Die Noten waren schlechter geworden, ich war durchgehend am Weinen gewesen, wollte nichts mehr wirklich machen und irgendwann stand ich allein da, meine "Freunde" hatten sich abgewendet, weil sie es nicht mehr ausgehalten hatten mit mir und meiner ständigen Gereiztheit. Aus Frust hatte ich angefangen zu rauchen und zu trinken. Meiner Mutter war es erst nicht aufgefallen wie kapuut ich war, doch als sie es dann bemerkte(die aufgeritzten Arme hatten wahrscheinlich ihren Teil dazu beigetragen)hatte sie mich kurzerhand in die Klapse einliefern lassen. Vor ein paar Tagen wurde ich entlassen und genoss meine wiedergewonnene Freiheit, die mir jetzt wohl wieder genommen werden würde. Die Psychiaterin hatte gesagt, dass die"Wiedereingliederung" oftmals problematisch war, also meldete mich meine Mutter an einem Internat an. Und nun stand ich hier. Vor mir erhoben sich steinerne, hohe Fassaden. Ich sah zum Eingangstor hoch, auf welchem in groß der Name prangte. Clementinen Internat. Ein Schlossinternart für reiche Kinder, von reichen Eltern und noch reicheren Großeltern. Ich seufzte. Willkommen in meinem neuem Zuhause für die nächsten 2 Jahre. Das konnte bestimmt spaßig werden. Ich lachte unwillkürlich auf. Kennt ihr das? Wenn man aus Verzweiflung heraus lacht? Ich zog die Taschen aus dem Koffer und meine Mutter kam noch schnell mit einer Umarmung, bevor sie losfuhr und mich hinter sich ließ. Und dann stand ich allein vor diesem Riesengebäude und versuchte herauszufinden wo ich überhaupt hin sollte. Eigentlich wurde mir gesagt, dass hier jemand wartete, aber ich sah keinen. Es gab drei Möglichkeiten:1. ich war jetzt völlig durchgedreht und hatte mir nur vorgestellt, dass meine Mutter mir das gesagt hatte. 2. ich hatte in den letzten paar Minuten überraschenderweise Sehstörungen bekommen. Oder 3. es war wirklich niemand da. Ich hoffte doch sehr dass sich eins und zwei als Fehler herausstellen würden. "Sind sie Cassandra Morgan?", klang auf einmal eine weibliche, rauchige Stimme hinter mir. Überrascht wandte ich mich zu ihr und nickte. Vor mir stand eine junge Frau, ich schätzte sie auf Mitte 20. Sie hatte lange, schwarze Haare, die ihr offen über die Schultern fielen. Auf mich machte sie einen netten Eindruck, daher lächelte ich sie an und sie hieß mich willkommen. "Lass die Koffer stehen und komm mit, ich zeig dir wo du von nun an wohnen wirst." Sie drehte sich um und ging, wohl in dem Wissen dass ich ihr folgen würde. Also ließ ich meine Sachen stehen und hastete hinter her, bevor sie aus meinem Sichtfeld verschwinden konnte. Sie führte mich durch eine kleine Eingangshalle in einen langen Gang hinein, dessen Wände mit Portraits von Leuten vollgekleistert waren. Für meinen Geschmack etwas altmodisch, aber was erwartete ich von einem alten Schloß, was wahrscheinlich schon die Steinzeit überlebt hatte. Ok ok, das wahrscheinlich nicht. Aber es stand fest, dass es alt war. Wir bogen rechts ab und sie blieb vor einer braunen Holztür(natürlich auch die älteste, die sie hatten auftreiben können) stehen und drehte sich zu mir um. "Ich denke ich hatte vergessen mich vorzustellen. Miss Blake. Deine Geschichts-und Fremdsprachenlehrerin." Ich weiß nicht wieso, aber ich konnte sie mir nicht als Lehrerin vorstellen. Sie schien meine Gedanken erraten zu haben, denn ihre Grübchen vertieften sich. "Du glaubst mir nicht, dass ich Lehrerin bin? Die meisten glauben das erst nicht. Vielleicht habe ich einfach nicht das typische lehrerhafte." Sie lachte kurz und ich zuckte entschuldigend mit den Schultern. "Ich hatte vorher eher ältere, verschrobene Lehrer, oder einfach komische, sie wissen schon, sie passen da irgendwie nicht ganz in das normale Lehrer-Image." Während sie die Tür öffnete, antwortete sie:"O ja, die Sorte Lehrer kenne ich gut, aber du wirst überrascht sein, die Lehrer hier sind eigentlich alle recht gut." Eigentlich? Also gibts auch hier, die der anderen Sorte. Und ich hatte gerade noch Hoffnung gehabt. Seufzend folgte ich ihr wieder und wir kamen in einen weiteren Flur. Links und rechts waren im regelmäßigem Abstand Türen, die wie ich vermutete, zu den verschiedenen Zimmern führten. Und oh Wunder, die Türen waren neu und auch die Wände waren ohne diese grauenhaften Bilder. Miss Blake drückte mir einen Schlüssel in die Hand und zeigte auf die Tür links von uns. Zimmer 13. Wie passend. Heute am Freitag den Dreizehnten zog ich im Zimmer 13 ein. "Unglück ich komme..", trällerte ich und Miss Blake neben mir lachte leise auf als sie verstand. Dann beugte sie sich zu mir und sagte im Flüsterton: "Dann viel Glück am ersten Tag, nachher lernst du deine Klasse kennen, dreizehn wirklich nette Leute." Ungläubig starrte ich sie an. Wirklich jetzt!? Wenn das mal nicht Pech hieß.Bevor sie darauf hin ging, sagte sie mir noch, dass in ein paar Minuten meine Mitbewohner eintreffen sollten und mir alles zeigen würden und dass ich solange einfach warten sollte. "Wir sehen uns dann nachher, ach ja und nur ein Tipp, schwänzen wird hier nicht geduldet, ich weiß Bescheid über dich." Dann ließ sie mich alleine vor meinem Zimmer stehen. Schnell schloss ich auf und befand mich in einem großen Zimmer mit jeweils zwei Betten rechts und links. Es erinnerte ein wenig an ein Jugendherbergenzimmer, nur persönlich eingerichtet. Über dem einen Bett hangen mehrere Poster von verschiedenen Boygroups und die Kommode daneben war voll mit Parfümflaschen und Schminkzeugs. Das andere Bett dahinter war irgendwie-düster und kaum persönliche Sachen lagen rum. Die restlichen zwei Betten schienen unbesetzt, daher nahm ich mir das am Fenster und fing an meine Sachen auszupacken, die in der Zwischenzeit wohl jemand reingebracht hatte. Ich hatte nicht wirklich viel Platz in meinem Schrank, aber es passte alles noch gerade so rein. Ich seufzte und schmiss mich auf mein neues Bett. Ich wollte wirklich nicht hier sein, aber ich verstand dass sie mich hergeschickt hatten, nach der ganzen Sache in der Schule..Bevor sich die Szene in meinem Kopf wiederholen konnte, griff ich nach meinem IPod, fischte die Kopfhörer aus meinem Koffer und hörte Musik. Manchmal ist Musik das Beste zum verdrängen. Man ließ sich einfach fallen. Jeder brauchte so etwas. Einen Ort für sich selber. Ich hatte es dieses Jahr erst gesehen wie wichtig sowas eigentlich war. In gewisser Weise war es falsch gewesen, sich so in mich zurückzuziehen. Ich hatte mich von allen anderen abgewendet, weil ich selbst mich nicht verletzen konnte, nicht so, wie es andere Leute konnten. Ich hatte Angst Menschen, die mir wichtig waren zu verlieren und gerade durch diese Angst verlor man, denn die Angst ließ Vertrauen brechen, Angst machte aus Menschen Monster. Die Angst -und die Wut, die dadrauf folgte. Ich versuchte die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken und schaltete die Musik lauter. Nicht denken. Nicht denken. An alles nur nicht daran. Einhörner. Blümchenwiesen. Regenbogen. Aufeinmal riss mir jemand die Kopfhörer raus und ich öffnete erschrocken die Augen, nur um zu sehen wie irgendwer mit den Händen vor meinem Gesicht rumfuchtelte. Als sie bemerkte, dass sie nun meine Aufmerksamkeit hatte, hörte sie auf und sah sichtlich erleichtert aus. "Na endlich. Ich dachte du bleibst jetzt den ganzen Tag so sitzen. Ich bin Anni." Ich setzte ein Lächeln auf. "Cassandra, aber du kannst mich Cass nennen." Anni strich sich ihre roten Haare aus dem Gesicht. "Wohl eher ihr. Die da ist auch noch da." Lächelnd zeigte sie auf eine Person hinter sich. Ich lächelte sie an, aber die andere nickte nur und widmete sich dann dem Buch in ihrer Hand. ich erwartete, dass sie irgendwas sagte, aber das übernahm Anni dann für sie. "Das ist Hailey, sie ist etwas eigen, aber wer ist das nicht." Hailey schaute nicht auf, aber ich sah wie ihre Augenbrauen sich hochzogen. Dann blickte sie langsam rauf. "Anni, ich sitze neben euch, ist nicht so als würde ich dich nicht hören." Dann wandte sie sich an mich und sie bemühte sich um ein Lächeln. "Wie sie schon sagte, ich bin Hailey. Was hast du schlimmes gemacht um hier hinzukommen? Wir sind ja alle nicht ohne Grund hier." Sie durchbohrte mich mit ihrem Blick aus ihren schwarzen Augen. Moment. Schwarz? Ich schaute genauer hin und musste feststellen, dass sie einfach dunkelbraune Augen hatten. Generell erinnerte sie mich an einen Gothik oder einen Emo. Sie hatte schwarzes Haar und in den Spitzen grün gefärbt. Ihre Sachen waren komplett schwarz, sogar ihr Lippenstift und ich wette, dass sie Heavy Metal oder sowas hörte. Würde irgendwie ins Bild passen. "Und?", fragte sie. "Kriege  ich heute noch eine Antwort?" Neben mir hörte ich wie Anni aufstöhnte. "Hailey. Hör auf, es geht dich nichts an." Diese funkelte sie nur an und wandte sich wieder zu mir, immer noch mit diesem fragendem Blick, aber ich würde es ihr nicht erzählen. Und sie wusste das. "Warum bist du denn hier?", erwiderte ich. Daraufhin sagte sie nichts mehr. Stattdessen lächelte sie einfach, nahm sich ihr Buch und las weiter ohne mich auch nur ansatzweise weiter zu beachten. Ich wollte gerade wieder meine Musik anmachen, als Anni wieder zu mir herrüber kam. "Ich soll dich übrigens rumführen. Naja eigentlich sollten wir zusammen dich rumführen, aber ich glaub so ist es erstmal besser." Hailey zeigte Daumen hoch und ich lachte leise. "Ok, dann lass uns los."

Wir hatten den Weg durch den Flur nicht ein Wort miteinander geredet. Anni sah aus als würde sie über irgendwas nachdenken, aber schließlich wandte sie sich doch wieder zu mir. "Tut mir leid, dass gerade eben. Sie ist halt neugierig und vielleicht auch ein wenig kalt, aber du wirst dich dran gewöhnen. Eigentlich ist sie ganz nett, und auch eine gute Freundin." Ich nickte. "Ist schon okay, sie meinte es bestimmt nicht so." Anni antwortete mit einem Lachen. "Oh doch, wenn sie etwas sagt meint sie es auch so, nur formuliert sie es meistens einfach zu harsch." Es ging um eine Kurve und kamen dann in einen großen Saal, in dessen Mitte mehrere Tische standen. "Tadaa, der Essenssaal, wie ich finde mit einer meiner Lieblingsorte." Sie lächelte verschmitzt und wieder musste ich lachen. Sie erinnerte mich an meine Cousine Meg. Die war genauso essensliebend wie sie. Anni zeigte auf einen der Tische links in der Ecke. "Da sitzen wir immer, kannst dich ja dann einfach zu uns setzen." "Danke", sagte ich und wir gingen weiter. Sie zeigte mir noch den Sportplatz, die Bibliothek, den Stall und die Lehrräume. Auf dem Weg trafen wir ein paar von den anderen Schülern. Ich glaube ich scheiterte jetzt schon bei dem Versuch mir alle Namen zu merken. Außer zwei, drei Namen. Anni führte mich durch verschiedene Gänge, wo wir an den Klassenräumen vorbeikamen und dann nach draußen. Sie hatten einen Sportplatz und  sogar ein kleiner Park war dort, wo andere Jugendliche saßen, redeten und lachten. Es war irgendwie alles so harmonisch, so glücklich. Es steckte an. Und vielleicht würde es hier doch nicht so schlecht werden, wie ich erst gedacht hatte.

Anmerkungen:
Alle die überhaupt hier reinlesen, danke dafür ❤ Ich wäre euch aber auch echt dankbar, wenn ihr mir sagen könntet ob ihr es gut findet oder warum nicht(was ich verbessern sollte), weil wenn es niemanden wirklich gefällt macht es für mich keinen Sinn weiterzuschreiben außer für mich selbst.  Hoffe es kommen auch in den anderen Kapiteln dann Verbesserungskommentare. :)


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