Kapitel 2

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Meine Tempel in Atlantis waren im Frühling immer überfüllt, wenn die Pflanzen, die im Winter verwelkt waren, wieder voller Leben erblühten. Das warme Sonnenlicht meiner Schwester Atlia und die Tageswärme meines Vaters Atlan machten den Tag noch perfekter.

Eine Frau sang mir zu Ehren eine Hymne, während sie ihre Hüften im Takt der Musik hin und her schwang, während ihre ansonsten reine Männer-Band hinter ihr spielte. Sie hatten direkt vor einem meiner Haupttempel ein großes, weißes, prestigeträchtiges Gebäude errichtet, in dessen Dach mein heiliges Emblem, ein Phönix, graviert war, passend zu der goldenen Version davon, die in der Tempelhalle verteilt waren.

Ich schlich in unsichtbarer Gestallt hinein, bis ich in der Nähe einer der hohen, atlantischen Säulen innehielt, die das Dach über unseren Köpfen hielt. Im Zentrum des Tempels stand eine glatte, weiße Statue. Eine fast exakte Kopie von mir, vermutlich etwas hübscher, mit einer langen, geraden Nase und strengen Gesichtszügen, die verglichen zu meinen ein wenig zu weich waren. In dem scharfkantigen Schild war mein Emblem geritzt, und die Kleidung war so geschnitzt, dass sie aussah, als ob eine sanfte Tagesbrise sie zerzausen würde.

Und zu den Füßen der Statue stand ein langer goldener Tisch, auf dem Opfergaben für mich lagen. Sie boten mir Unmengen an Obst und Fleisch an, bei dessen Anblick mir der Magen knurrte. Einige Frauen hatten ihren schönsten Schmuck für mich aufgegeben, und die von Säuglingen stammenden Handabdrücke im Goldstaub, wärmten mir das Herz.

"Hatte Vater dir nicht gesagt, dass du aufhören sollst, die Sterblichen auszuspionieren?", fragte eine Stimme. Ich blinzelte, drehte mich um und sah einen meiner jüngsten Brüder im Schatten nahe dem Wald stehen, der meinem Tempel säumte. Ich neigte meinen Kopf und er nahm dies als Einladung einzutreten. Der atlantische Brauch verbat es den Göttern, den Tempel anderer Götter ohne Erlaubnis zu betreten.

Und Anexius war in meinem Tempel immer willkommen gewesen. Er war mein Lieblingsbruder gewesen, so sehr ich es auch hasste, das zuzugeben. Anexius war, mit Ausnahme von den Zwillingen Drulius und Drak, der Jüngste von uns. Er war nicht so groß wie ich oder unsere anderen Geschwister. Er war knapp 1,8 m groß, und sein langes, schwarzes Haar reichte ihm in glatten Strähnen bis zu der Hüfte. Auf der linken Seite hatte er zwei geflochtene Zöpfe. Seine Augen hatten den gleichen hellen, klaren Weißton wie ich und unsere Geschwister ihn hatten. Meine weiße Robe hatte grüne Streifen, während seine, blaue Streifen hatte.

"Ich konnte nicht widerstehen", sagte ich ehrlich zu Anexius, als er auf mich zukam, "das sind meine Leute. Es ist doch angemessen, sie an meinem heiligen Feiertag zu besuchen." Anexius zuckte die Achseln, als würde er mir halb zustimmen, bevor er sich neben mich stellte und wir zusammen zusahen, wie meine Anbeter Geschenke brachten. Einige gingen sogar auf die Knie und beugten sich ganz nach vorne, sodass ihre Stirn den Marmorboden berührte und breiteten ihre Hände vor sich aus. Als sie aufstanden, steckten sie ihre Hände über ihren Köpfen und legten sie dann auf ihren Schößen, bevor sie aufstanden.

Das Gebet der Wiedergeburt und Hoffnung.

"Sie lieben dich wirklich, Bruder", murmelte Anexius, woraufhin ich mich ihm zuwandte. Da war ein seltsamer Ton in seiner Stimme, den ich nicht genau deuten konnte, war mir aber nicht sicher, ob ich ihn darauf ansprechen sollte. Obwohl Anexius als Gott des Schutzes und der Heiligkeit sehr beliebt war, wurde er von den anderen Göttern, insbesondere unseren Geschwistern, nicht sehr geschätzt. Was ich mir nicht erklären kann. Anexius war als Kind ein sehr süßer, verspielter und naiver Gott gewesen. Er war sehr versöhnlich und hoffnungsvoll. Doch nun, wo wir das Erwachsenenalter erreichten, war Anexius von einer Bitterkeit erfüllt, die mir das Herz zerriss.

Sein glückliches, dümmliches Lächeln und seine albernen kleinen Spiele waren nicht mehr existent. Nun war er nur noch kalt und reserviert. Selbst wenn er mir gelegentlich ein Lächeln schenkte oder über meine schlechten Versuche ihn zu necken lachte, wurde er in Gegenwart unserer Geschwister zu einer Marmorstatue. Ausdruckslos und zurückhaltend.

Nachspiel [malexmale] (Übersetzung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt