Feuer und Tod (3|7)

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»Alina?«

Eldastins Stimme brachte mich dazu, die Augen aufzuschlagen. Ein starker Hustenreiz kitzelte mich im Hals, aber ich kämpfte ihn nieder.

Vorsichtig hob ich den Kopf. 

Zu meiner Überraschung war ich von unzähligen Beinen umgeben. Immer mehr Menschen drängten in den Tunnel. Niemand sprach ein Wort. Bis auf ein unterdrücktes Husten, das Rascheln von Kleidung und das Geräusch schlurfender Schritte war kein Laut zu hören.

»Alina?«, wiederholte Eldastin und ging neben mir in die Hocke. Ein Gemisch aus Asche, Ruß und Blut färbte seine marmorweiße Haut dunkel. »Bist du in Ordnung?«

Zu sagen, dass in seiner Stimme echte Sorge mitschwang, wäre übertrieben gewesen, aber ich spürte, dass er sich Gedanken um meine körperliche Unversehrtheit machte.

»Es geht-« Mehr brachte ich nicht heraus, bevor mir ein Hustenanfall das Wort abschnitt.

Eldastin wartete geduldig, bis ich mich wieder beruhigt hatte. 

Die aschblonden Haare verliehen seinem Antlitz einen strengen Rahmen, doch trotz der vielen Ecken und Kanten in seinem Gesicht wirkte er weicher als früher. Aber vielleicht lag das auch nur daran, dass er mich nicht mehr mit der gleichen Abscheu betrachtete wie damals.

»Eldastin?«, krächzte ich.

Er machte wieder diese seltsame Kopfbewegung, als wollte er sich verbeugen, ohne seine Krone zu verlieren. »Ja?«

»Was du über meinen Vater und meine Familie gesagt hast ... ist das wirklich wahr?«

»Das ist es«, antwortete Eldastin und ich war ihm dankbar dafür, dass er nicht versuchte, die Angelegenheit schönzureden.

»Und hältst du es wirklich für eine gute Idee, dass ich die nächste Königin von Albenheim werde?«

»Die Gesetze-«

»Vergiss die Gesetze.« Ich senkte den Kopf und hustete in meine hohle Faust »Ich meine ... denkst du, die anderen Alben würden das wollen? Würden sie mich je als Königin anerkennen und mir folgen, so wie sie meinem Vater gefolgt sind?«

Eldastin schwieg einen Moment und schien nach den richtigen Worten zu suchen. 

Währenddessen trafen weitere Flüchtende am Tunnel ein. Viele waren verletzt, hatten blutende Wunden oder hervorstechende Knochenbrüche. Sie in diesem Zustand zu sehen und zu wissen, dass ihr Schmerz und ihr Leid meine Schuld waren, war kaum zu ertragen.

»Die anderen Alben werden es vielleicht nicht mögen, von einem Mischblut regiert zu werden«, sagte Eldastin schließlich. »Aber sie werden sich fügen. Dafür werde ich sorgen.«

»Du wirst dafür sorgen?«, echote ich ungläubig. Meine Verwunderung wurde zu Verärgerung. »Und wieso hast du das damals nicht getan? Falls du es nicht mehr wissen solltest ... du hast dich monatelang geweigert, unsere Verlobung zu bestätigen. Kannst du dir überhaupt vorstellen, wie weh das getan hat?«

Es gab noch tausend andere Dinge, die ich Eldastin gerne an den Kopf geworfen hätte, doch mein Brustkorb zog sich zusammen und meine Stimme versagte mir den Dienst.

»Nein. Das kann ich nicht«, antwortete Eldastin. »Aber ich kann dir versichern, dass meine Beweggründe nichts mit deinem Blut zu tun hatten.«

Womit denn dann?, wollte ich ihn anfahren, bei allen Guten Winden, womit denn dann?, aber außer einem gequälten Husten brachte ich keinen Ton heraus.

»Hey, Alben-Lord, hast du-« Ludvik erschien am oberen Treppenabsatz. »Alina! Beim Großen Drachenzahn!« Er sprang die Stufen herunter, schob sich durch die Flüchtenden und gesellte sich zu uns. Blutspritzer sprenkelten sein Gesicht und in seinem Bart glommen kleine, knisternde Flammennester. Er schien es jedoch gar nicht zu bemerken. Besorgt wanderte sein Blick über mein Gesicht und meinen Körper. »Bist du verletzt?«

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