Drum prüfe (8|6)

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Der Thronsaal von Albenheim besitzt keine Türen. Die Wände bestehen aus federleichten Ivorin-Platten, die von reinblütigen Alben in alle Richtungen bewegt werden können.

Ich warte, bis Nevellin einen Durchgang geschaffen hat, dann folge ich ihm in die dahinterliegende Halle. Mein Atem geht schnell und flach, mein Herz hämmert wie ein übereifriger Specht und in meinem Bauch kribbelt es, aber nicht auf die angenehme Weise.

Mit gesenktem Kopf husche ich durch den langgezogenen Saal, der von den acht Valtainen – den acht Herrschaftssitzen – gesäumt wird. Vier auf jeder Seite. Dabei handelt es sich um muschelartige Wandausbuchtungen, die jeweils einem albischen Fürstenhaus gewidmet sind.

Der Valtain von Haus Aurelian ist überbordend prunkvoll, mit einem herrschaftlichen Baldachin aus schwarzem und weißem Marmor, kunstvollen Säulen und einem detailreichen Gewölbe, das den Oberlanden nachempfunden ist.

Am Rand des Überbaus steht auf Albisch: Schwäche ist der Wegbereiter des Todes. Und darunter: Nur geeint entsteht aus den Ruinen neuer Glanz.

Alle Valtaine sind besetzt. Jedes Haus hat zu diesem Anlass wenigstens einen Stellvertreter geschickt. Ich entdecke Fürstin Beltane, die Herrin von Hause Bealtian, und Lord Fionnain vom Hause Yuelian. Und natürlich Lord Eluin aus dem Hause Aurelian, Eldastins Vater. Er wird von seinen Kindern Oriane und Boreas flankiert. Von Eldastin ist nichts zu sehen.

Eluin ist meinem Vater sehr ähnlich und gleichzeitig vollkommen anders. Er besitzt das gleiche autoritäre Gebaren und dieselbe strenge Miene, aber in seinen farblosen Augen brennt ein Feuer, das bei meinem Vater schon lange erloschen sein muss.

Sein Sohn Boreas ist ein seltener Anblick in dieser Halle. Er zeigt sich nicht gerne in der Öffentlichkeit. Im Gegensatz zu seinem älteren Bruder wirkt er gedrungen, finster und mürrisch. Das lockige, hellblonde Haar steht ihm zerzaust vom Kopf ab und seine tiefliegenden Augen sind von violetten Schatten umgeben. Ihm fehlt die Leichtigkeit der anderen Alben. Irgendwie tut er mir leid.

Unsere Blicke begegnen sich und ich schenke ihm ein kurzes Lächeln, das er jedoch nicht erwidert. Er scheint durch mich hindurchzusehen.

Das ist mir aber immer noch lieber als die herablassenden Blicke der anderen Anwesenden. Ich kann fühlen, wie sie mich im Geist auseinandernehmen und jedes Detail meiner Erscheinung bewerten. Als wäre ich ein preisgekröntes Rind auf dem Weg zur Schlachtbank und sie würden überlegen, welchen Teil von mir sie sich im Anschluss einverleiben wollen.

Es kostet mich eine Menge Kraft, weiterhin ein neutrales Gesicht zu machen und mit meinem Halbbruder Schritt zu halten. Während Nevellin anmutig und vollkommen geräuschlos dahingleitet, stapfe ich hinter ihm her und zerbrösele unter den abschätzigen Blicken der anderen Alben wie vertrocknetes Herbstlaub.

Der Thron des Albenkönigs befindet sich an der Stirnseite der Halle. Auch er wird von einem kunstvollen Baldachin überspannt. Die Rückenlehne geht in eine schwebende Perlmorin-Skulptur der Guten Winde und ihrer irdischen Botschafter über. Wie eine vielarmige Unwetterwolke türmt sie sich über uns auf und schimmert im hereinfallenden Abendlicht wie die Innenseite einer Muschel.

Vater sitzt hochaufgerichtet auf seinem Thron. An seiner Seite seine Gemahlin Litha, die mich keines Blickes würdigt. Als einziger Alb in ganz Albenheim darf mein Vater reines Weiß tragen. Dementsprechend ist er in ein schneeweißes Festgewand aus zartem Musselin gekleidet. Die langen, ebenfalls weißen Haare fallen ihm offen über die Schultern, wodurch sie sich mit dem Stoff seines Gewandes zu vereinen scheinen. Die Krone auf seinem Kopf besteht aus sturmgeschliffenem Armorin mit Estellit-Ornamenten, Windperlen und Glaskristallen.

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