Zweifel - Teil 3

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... und der erste am nächsten Morgen auch.


Von:Johannes Wagner

An:Katharina Karofillidou

Betreff: schwierig

Datum:Thu, 28. Oct 2010 07:44:32

Hallo liebe Subbie,

heute in der Früh habe ich dein Email vermisst. Ich hoffe es ist alles in Ordnung bei dir und es geht dir gut. Ich hoffe auch, du bestreikst mich nicht :) es ist inzwischen zu einer lieben Gewohnheit von mir geworden, deine Emails in der Früh zu lesen. Wenn keines da ist, fehlt etwas...

Heute kommt übrigens meine Freundin und bleibt bis Sonntag. Wird also in den nächsten Tagen ein wenig schwierig werden mit Emails von mir.

Ich wünsche dir einen wunderschönen Tag,

dein Herr Johannes


Wie, sie kommt erst heute??? Das ist doch jetzt wohl nicht wahr! Soll das heißen, ich hab gestern ganz umsonst Bauchschmerzen gehabt? Ich hätte ihn anrufen und das aus der Welt schaffen können??? Grrrrrrr... Habe ich ihn falsch verstanden oder hat er wiedermal vergessen, einen Blick auf den Terminplan in seinem iPhone zu werfen und sich stattdessen auf sein löchriges Gedächtnis verlassen? Wie auch immer - jetzt ist die Chance vorbei. Nun muss ich bis Montag warten.

Und was ist das mit dem „Ich hoffe Du bestreikst mich nicht"? Klingt ja schon so, als ob da jemand schlechtes Gewissen hätte...


Erst mal nimmt der Tag seinen gewohnten Lauf. Weil quengelnde Kleinkinder nicht viel Spielraum für Grübeleien lassen, komme ich erst wieder dazu an die bevorstehende Aussprache zu denken, nachdem ich die Kleine im Kindergarten abgeliefert habe und durch den grauen Herbstmorgen wieder nach Hause laufe.

Das Wetter schreit geradezu nach dicken Wollsocken, einer schönen Tasse heißem Tee und einem guten Buch. Normalerweise genieße ich solche Tage. Man darf es sich daheim gemütlich machen ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen, weil man nicht wie ein Duracell-Häschen im Freien unterwegs ist. Während es im Sommer schon fast als Frevel betrachtet wird, wenn man sich außerhalb der Arbeitszeit in geschlossenen Räumen aufhält, gilt es jetzt als heimelige Gemütlichkeit, wenn man sich mit einer Kuscheldecke auf das Sofa zurückzieht, das Fahrrad und die Picknickdecke in der Garage sich selbst überlässt und sich der Illusion hingibt, dass die Aktivitäten der warmen Jahreszeit bis zum nächsten Frühling vorhalten.

Obwohl dieser Tag also wie für mich geschaffen zu sein scheint, kann ich ihn nicht genießen. Zwar war es gut, eine Nacht über all die wirren Gedanken geschlafen zu haben und das Ganze heute aus einer geringfügig veränderten Perspektive betrachten zu können, aber das ihm gegenüber bis jetzt Unausgesprochene liegt vor mir wie ein unüberwindliches Gebirge. So etwas habe ich gerade hinter mir und wollte es eigentlich nicht so schnell wieder erleben! Also setze ich mich schweren Herzens und mit einem komplizierten Knoten im Bauch an meinen Computer, hole mir seine letzte Mail wieder auf den Schirm und klicke auf das „Antworten"-Feld...

Selbst meine lebensverändernde Mail, die ich einige Monate zuvor geschrieben habe, hat mich nicht so viele Stunden gekostet, wie diese hier. Es dauert fast den ganzen Tag, nur unterbrochen von den allernötigsten Arbeiten, bis ich in etwa das zu Papier gebracht habe, was ich sagen möchte. Jetzt bleibt mir nur noch zu hoffen, dass er es versteht.


Von:Katharina Karofillidou

An:JohannesWagner

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