Ein gut gemeinter Rat

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Seit diesem Augenblick vergingen sechs Jahre. Mittlerweile war Rin fünfzehn Jahre alt und hatte eine wahre Verwandlung durchgemacht. Er prügelte sich nicht mehr. Er war einer der Topschüler seiner Schule und, dass wichtigste, er hatte sein falsches Lächeln perfektioniert. Keiner der Stiftbewohner konnte mehr hinter seine Maske blicken.

Rin war sich nicht einmal sicher, ob sie mitbekommen hatten das er sich immer mehr von ihnen abgegrenzt hatte. Klar, am Anfang hatten sie immer wieder nachgefragt ob alles in Ordnung war, dies hatte jedoch irgendwann aufgehört. Mittlerweile aßen sie nur noch zusammen und sahen sich am Abend ab und an. Manchmal, in schwachen Momenten, fühlte er sich einsam. Wenn er in seinem Zimmer saß und ihr Lachen hörte.

Rin wurde aus seinen Gedanken gerissen, als die Schulglocke läutete. Der Unterricht war offiziell vorbei. „Endlich", seufzte er und verließ seinen Klassenraum ohne ein weiteres Wort. Ein paar seiner Mitschüler schauten ihm hinterher, hielten ihn aber nicht auf. Rin hatte nie versucht sich in seiner Klasse Freunde zu suchen.

Zu seinem Bedauern traf er auf dem Weg Yukio. Sie waren (zum Glück!) mit der Mittelschule durch und Rin hatte nicht vor weiterhin die Schulbank zu drücken. Sein Bruder würde auf die Heiligkreuz-Akademie gehen und Rin sich eine Ausbildung suchen.

„Hallo, Bruder. Wie war dein Tag?" Smalltalk? Innerlich die Augen verdrehend ließ er sich darauf ein und unterdrückte ein genervtes Aufstöhnen bei manchen Antworten.

„Was machst du heute noch, Nii-san? Ich muss nachher zur Nachhilfe."

Rin verkniff sich die zynische Frage, ob Yukio wirklich zur Nachhilfe oder doch zum exorzieren ging. Es war lachhaft. Sein kleiner, körperlich größerer, Bruder war Exorzist und lebte mit ihm in einem Zimmer! Ihm, dem Bastard Satans. Gut, so gesehen war Yukio auch einer, jedoch war Yukio ein Mensch wie ihre Mutter.

„Ich habe heute eine Schicht im Restaurant übernommen." Er hasste Lügner. Was er aber noch mehr hasste, war, dass er selbst zum Lügner geworden war.

„Du übernimmst in letzter Zeit viele Schichten, Nii-san. Überarbeite dich nicht." Rins Maske bröckelte eine Sekunde, bevor er wieder ein strahlendes Lächeln aufsetzte. Er wuschelte seinem jüngeren Bruder durch die Haare und ging mit den Worten, „Werde ich schon nicht", weiter.

Yukio hatte Recht, er nutzte diese Ausrede momentan wirklich oft. Rin arbeitete tatsächlich dreimal in der Woche in einem kleinen Restaurant als Aushilfe. Jedoch meinte er zu den anderen, fast jeden Tag dorthin zu gehen. Sie stellten keine Fragen und wenn sie sich erkundigen würden, so hätte er meist ein Alibi vorzuweisen.

Nun machte er sich allerdings auf direkten Weg in den Park, um sich mit seinem Meister zu treffen. Er spürte mal wieder dieses Kribbeln unter seiner Haut, das Verlangen welches sich durch seine Adern fraß. Seine Flammen wollten herausgelassen werden und Rin würde ihnen diesen Wunsch nicht verwehren. Automatisch beschleunigte er sein Tempo. Vorfreude durchflutete seinen Geist bis er rannte.

Auf der Lichtung angekommen schmiss er seine Schultasche an den nächstbesten Baum und stand nur Sekunden danach in Flammen. Rin legte den Kopf in den Nacken, schloss seine Augen und genoss einfach dieses Gefühl.

„Da scheint aber jemand dringend etwas Frust abbauen zu müssen. Hat der kleine Rinni etwa ein so schlechtes Zeugnis bekommen? Oder etwa ein Korb von einem heimlichen Schwarm?", kam es gackernd von dem sich versteckenden Dämon. Rin seufzte. Manchmal war sein Meister wirklich kindisch. „Könntest du aus dem Baum kommen, Kotaru?"

Sein Meister lachte und sprang aus seinem Versteck, bevor er leichtfüßig vor seinem Schüler landete. Rin öffnete seine Augen und scannte den Dämon ab. Dieser sah nämlich etwas zerrupft aus und sein Lächeln schien etwas erzwungen zu sein. „Ist etwas passiert?", fragte er daher nach.

Broken trust (Blue Exorcist FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt