Der Regen war kalt und prasselte unnachgiebig auf den schon durchnässten Halbdämonen ein. Bedrückende Gedanken schwirrten durch seinen Kopf, sein Blick starr auf den Boden gerichtet und die Hände zu Fäusten geballt. Es war seine Schuld. Alles. Shiro wäre nie von Satan übernommen worden wenn er keinen Streit provoziert hätte. Oder noch besser, wenn er gar nicht dort gewesen wäre.
Tränen des Frustes vermischten sich mit dem Regen, der aus seinen Haaren auf sein Gesicht perlte und das salzige Gut mit sich spülte. Es war beinahe tröstlich, dass ihn so niemand weinen sah. Aber auch nur fast. Das erste Mal seit langer Zeit wollte er mal wieder mit seinem Bruder oder den anderen Mönchen offen reden. Doch nach all der Zeit konnte er seine Maske einfach nicht so ohne weiteres ablegen.
Seine rechte Hand glitt in seine Tasche und umfasste das Handy, welches Shiro ihm gegeben hatte. Kurz vor dem ... Sorgerechtsstreit (?), welcher vollkommen ausgeartet war.
Rin haderte einen Moment mit sich. Sein Schweif peitschte wild hinter ihm und spiegelte so zumindest einen Teil seiner Gefühle wieder. Der Alte meinte, er solle die eingespeicherte Nummer anrufen und ihm würde geholfen werden, andererseits wollte er im Augenblick einfach nur zu Kotaru. Sich einfach an ihn lehnen und vor sich hin schmollen oder zumindest seine Gedanken sortieren.
Bevor er sich versah hielt er das Handy an sein Ohr und lauschte dem Freizeichen. Er würde erst einmal Shiro vertrauen. Sein Meister war immer noch seine Notlösung. Es dauerte genau drei weitere Freizeichen als er sie spürte.
Oder eher wen.
Der junge Halbdämon musste sich nicht einmal umsehen um sie zu spüren. Exorzisten. Sechs an der Zahl und sie waren nicht allein. Rin wusste nicht was er eigentlich erwartet hatte, als er sich manchmal seine Halbbrüder ausgemalt hatte, doch einer wollte ihn aufschlitzen und ein anderer lief wie ein Clown herum und hielt ein klingelndes Handy in der Hand.
„Warte... Das kann doch jetzt nicht wahr sein!", dachte Rin fassungslos. Shiro hätte ihn bestimmt nicht die Exorzisten ausgeliefert. Ob die überhaupt wussten, dass sie sich dort einen Dämonenkönig geangelt hatten? Er selbst konnte es nur bestimmen, weil der das familiäre Band spürte, welches sie verknüpfte, und er dieses ungewohnt Gefühl nur zuvor bei Astaroth gefühlt hatte. Naja, zumindest konnte er es nun benennen.
Rin wurde aus seinen Gedanken gerissen, als der zylindertragende Clown, auch hier konnte er nicht mit Sicherheit sagen welcher Baal das vor ihm war, anfing zu reden. „Guten Tag! Es freue mich außerordentlich von dir zu hören, Rin Okumura. Mein Name lautet Mephisto Pheles und ...", er zog den Hut von seinem Kopf und machte einen leichten Knicks, „ich bin ein guter und langjähriger Freund von Fujimoto." Er richtete sich wieder auf und grinste Rin auf eine überhebliche Art und Weise an, die den Halbdämon nun schon nervte.
Außerdem gab es keinen Baal mit dem Namen „Mephisto Pheles". Er hatte sich die Namen und Fähigkeiten seiner Halbbrüder, zumindest die die bekannt waren, recht genau eingeprägt.
„Ich bin heute hier um dir mein aller herzlichstes Beileid auszusprechen. Denn du wirst heute leider sterben müssen. Als ein bedeutsames Ehrenmitglied der Heiligkreuzritterschaft und Leiter der japanischen Zweigstelle bin ich heute hier um dich zu eliminieren. Aber weil ich einen guten Tag habe, gebe ich dir zwei Optionen. Erstens, du lässt dich ohne zu murren von uns töten oder zweitens, du begehst hier und jetzt Selbstmord. Obwohl, du kannst auch gerne versuchen zu fliehen, allerdings wirst du nicht weit kommen. Also, was wird es werden?"
Seine ganze Ansprache hielt der Clown in einer verspielten und melodischen Stimmlage, doch seine Augen fokussierten jede von Rins Bewegungen. Dieser wägte seine Möglichkeiten ab. Sterben war keine davon.
„Mach mich zum Exorzisten!", sagte er letztendlich laut und deutlich zu dem Dämon mit dem schrecklichen Klamottengeschmack.
Und der Schwarzhaarige hatte mit vielen Reaktionen gerechnet. Entsetzten, Wut, Gleichgültigkeit, Gehässigkeit oder gar Trotz, aber dass sich der Clown vor Lachen kaum halten konnte hatte er nicht erwartet. Sein rechtes Augenlid zuckte und er unterdrückte das Bedürfnis dem Dämon eine überzuziehen. Diese Situation war verdammt ernst!
„Wir sollen allen Ernstes einen Sohn Satans Exorzist werden lassen?", fragte der Clown nach einer Weile sichtlich amüsiert und Rin biss sich auf die Zunge, um kein bissiges Kommentar abzugeben. „Was hättet ihr denn zu verlieren", antwortete er stattdessen durch zusammengebissene Zähne. „Ich möchte Satan für das was er mit dem Alten gemacht hat in den Hintern treten, aber alleine werde ich das niemals auch nur im Entferntesten hinbekommen. Also?"
Er brauchte Zeit. Nur ein bisschen bis er Kotaru erreichen konnte. Doch ob er diese Dauer bekommen würde war mehr als fraglich, wenn er in das belustigte Gesicht seines älteren Halbbruders blickte.
Wollte er wirklich das Rin starb?
Er konnte es beim besten Willen nicht feststellen. Andererseits sah ihn der dämonische Teil seiner Verwandtschaft vermutlich als Parasit oder Eindringling an. Jemand der nicht würdig war, Satans Flammen geerbt zu haben. Das Kind einer Exorzistin...
Doch gegen seiner Erwartung -aber zu seinem Glück- ließ sich der Clown auf den Vorschlag ein. Dann hielt er ihm noch eine langweilige Predigt von wegen, „Du wirst es in Zukunft nicht leicht haben", und, „Du wirst sterben wenn du dich nicht an die Regeln hältst".
Zum Schluss meinte er nur, dass Rin eine halbe Stunde hätte, um all seine Sachen einzupacken bevor sie fahren würden. Dann verschwand er wie zuvor Yukio einfach ohne ein weiteres Wort und ließ ihn stehen. Auch die Exorzisten waren gegangen und nur die letzten Regentropfen leisteten ihm Gesellschaft.
Er war wieder allein.
Seufzend lief er zurück nach drinnen. Er wollte nicht mit seinem Halbbruder mitgehen, geschweige denn Exorzist werden. Doch er würde warten müssen, da sein Meister sich erst in ein paar Tagen bei ihm melden würde. Wer hätte auch ahnen können, dass innerhalb weniger Tage alles den Bach runter gehen konnte?
Sein gesamtes Hab und Gut hatte er innerhalb von zehn Minuten zusammengetragen und in eine große Tasche und einen Rucksack verfrachtet. Letztlich blieb nur noch Komaken, welches verlassen auf seinem Bett lag. Er hatte es beim packen und beim umziehen ignoriert. Er bettete seinen Schweif unter seinen Hoodie und griff nach dem Schwert.
Die Scheide fühlte sich kalt auf seiner Haut an. Wenn er allerdings seine Augen schloss und seine Umgebung ausblendete konnte er es fühlen. Seinen eigenen Herzschlag, zusammen mit einer angenehmen Wärme welche ihn auszufüllen schien.
Und in diesem Moment schienen alle Sorgen und Probleme ein Stück weit von ihm abzufallen und Rin wusste es. Solange er sein Herz bei sich hatte, würde er alles schaffen können.
Er würde sich von niemandem brechen lassen.
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Broken trust (Blue Exorcist FF)
FanfictionKinder sehen die Welt anders als Erwachsene. So auch Rin Okumura. Ein neunjähriger, neugieriger Junge ohne eine Ahnung von der weiten, und vor allem gefährlichen, Welt. Was passiert also wenn er die Lüge seiner Existenz erfährt und jede Person in se...