Kapitel 4

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Kurz vor Beginn der Mittagspause stehen Aurelia und ich an unseren Spinden und unterhalten uns über unseren neuen Biologielehrer: „Du magst mir ja einiges erzählen können, aber wenn du nicht auch der Meinung bist, dass Mr. Graham gut aussieht, haben deine Eltern dich als Kind wohl vom Wickeltisch fallen lassen.", versucht mir meine Freundin mit einer ernsten Miene zu vermitteln.

,,Ich muss zwar zugeben, dass er schon ziemlich gut aussieht, aber ich verstehe nicht, warum sich alle so ihr Maul über sein Privatleben zerreißen müssen! Was geht es uns überhaupt an? Immerhin ist er erstens ein Lehrer, zweitens viel zu alt und drittens ein Lehrer, verdammte scheiße! Es ist einfach ekelhaft so über ihn zu schwärmen.", antworte ich genervt. Meine Antwort mag für eine 16-Jährige vielleicht hart oder ungewöhnlich klingen, aber hey, es ist nun mal die  Wahrheit.

Sie will sich gerade rechtfertigen, doch auf einmal taucht neben uns ein Mädchen in unserem Alter auf, dass ihr ins Wort fällt. Ihre haselnussbraunen Augen und langen, auffällig violett gefärbten Haare ergeben ein stimmiges Bild. „Hey! Es tut mir wirklich leid, euch beide zu unterbrechen, aber ich bin neu hier und muss mich beim Sekretariat anmelden. Würdet ihr mir vielleicht helfen und mir sagen, wie ich da hinkomme?", sagt sie in einem freundlichen Ton.

„Klar wir zeigen es dir", antworten Lia und ich  wie aus einem Mund, was das neue Mädchen zum Grinsen bringt. „Oh und wir sind übrigens Briana und Aurelia ", bemerkt Lia, während wir uns Richtung Sekretariat bewegen und deutet auf die jeweilige Person beim Sprechen. „Du kannst uns aber gerne Bri und Lia nennen“, füge ich schließlich noch schmunzelnd hinzu.

,,Schön, euch kennenzulernen! Ich heiße Siena, habe aber leider keinen süßen Spitznamen zu bieten.", ruft sie lachend über den Flur.

Die Kleine gefällt mir jetzt schon. Nachdem wir sie am Sekretariat abgesetzt haben, versprechen wir ihr noch, hier auf sie zu warten. Nach, ich schätze mal, fünf Minuten (kann aber auch durchaus länger gewesen sein, mein Zeitgefühl taugt ungefähr so viel, wie ein Vierjähriger als Psychater), kommt sie wieder heraus und zeigt uns ihren Stunden Plan. Tja, wie der Zufall es so will, wurde sie soeben meiner Klasse zugeteilt. Ich hoffe inständig, nicht zu bereuen, dass Lia und ich ihr unsere Hilfe angeboten haben. Eine weitere Tusse, die uns das Leben schwer macht, brauchen wir wirklich nicht, da können wir in unserer Klasse bereits ein beachtliches Repertoire vorweisen. Aber sie macht zumindest einen ganz netten Eindruck, hoffen wir einfach mal, dass alles gut geht. Ein kurzer Blick in Lias besorgtes Gesicht, verrät mir, dass sie wahrscheinlich gerade das selbe denkt.

Zu dritt gehen wir in die schon gut gefüllte Cafeteria und können tatsächlich von Glück sprechen, dass uns unsere treudoofe Gummibärenbande sogar Plätze freigehalten hat. Kurzer Spoiler: Sie werden es bereuen.

Natürlich bekommen die Jungs es nicht eine Minute gebacken, die Augen von Siena zu lassen. Gabriel war jedoch der Einzige Trottel, der seine ,,Männlichkeit" beweisen will und sie todesmutig anspricht: „Na Süße, wie siehts aus, du und ich in der Besenkammer?", säuselt der brünette Schwachkopf, während er sie mit Kuhaugen anglotzt. Seine Stimmlage verrät ganz genau, was hier gerade die Ziele sind, der er zu erreichen versucht. Die Einzige hier, die scheinbar gegen billige Anmachsprüche immun zu sein scheint, bin wohl ich. Ich denke mal, das liegt daran, dass ich mir garnicht die Mühe mache, mich auf sein Niveau zu begeben, sondern ihn gerade in den Momenten, in denen er Aufmerksamkeit fodert, eiskalt ignoriere. Zumindest denke ich, dass ich die Einzige bin.

Gespannt warte ich jedoch auf Sienas Antwort und als ich sie letztendlich zu hören bekam, bepisse ich mich fast vor Lachen. ,,Sorry Babe, aber ich glaube, das wird nichts. Ich bin vom anderen Ufer.", vermittelt sie ihm gelassen. Die Ernsthaftigkeit ihrer Miene und das spottende Zwinkern am Ende, verleiht der ganzen Situation eine ganz besondere Note. Nun ja, was soll ich sagen? Der Glaube an die Menschheit ist wiederhergestellt!

Gabriel ist so geschockt, dass ihm fast die Augen herausquellen. Ich würde alles tun, um öfter zu sehen, wie jemand seinem viel zu großem Ego einen so kräftigen Tritt verpasst.

Schnaufend und mit geröteten Wangen widmet er sich wieder vollkommen seinem Essen, das auf einmal sehr interessant zu sein scheint.

Für den Rest der Pause, darf ich mit ansehen, wie meine neue Freundin Siena von Toni, Till, Daniel und meinem Bruder unter die Fittiche genommen wird und sie versuchen, alles Erdenkliche an Informationen aus ihr herauszulocken. Sie beschlagnahmen die Arme so sehr, dass ich fast schon Mitleid mit ihr habe. Ich nutze die Gelegenheit allerdings, da ich so mehr über sie erfahren kann. Sie erzählt von ihrem Leben in Pennsylvania und dass sie mit ihrem Vater hierhergezogen ist, da sich ihre Eltern scheiden ließen und  ihre Großeltern hier leben. Mich durchläuft allerdings ein eiskalter Schauer, als sie erwähnt, dass sie, genau wie alle anderen, mit denen ich am Tisch sitze, Eissport, genau gesagt Eiskunstlauf betreibt. Plötzlich komme ich mir wieder vor, wie ein Außenseiter und Gabriels provokante Blicke verstärken das Gefühl nur noch. Ich verstehe genau, dass er mir damit bloß etwas, wie,, Du Schisser solltest dich auch mal wieder aufs Eis trauen." sagen will, aber mal wieder nicht den Mut hat, es direkt zu tun. Was ich ihm ehrlich gesagt, nach seiner Blamage von vorhin auch nicht verübeln kann.

Trotzdem will ich ihn nicht bestätigen und rolle genervt mit den Augen.

Endlich verabschieden wir uns von den Jungs und begeben uns zu unserer letzten Pein für heute,  nämlich Kunst. Der Unterricht geht aber glücklicherweise recht schnell vorbei, da unsere Lehrerin noch Unterlagen zu korrigieren hat und wir uns selber zeichnerisch beschäftigen dürfen.

Nach Kunst frage ich Siena und Aurelia, ob sie beide eventuell noch Lust hätten, etwas zu unternehmen, durch das Training hat allerdings keine der beiden Zeit.

Als die beiden aber meinen enttäuschten Gesichtsausdruck bemerken, den ich eigentlich mit aller Kraft verstecken verstecken will,beschließen sie, dass Lia und ich Siena am Wochenende einige schöne Spots in Ophelia zeigen könnten.

Ich schätze es sehr, dass die beiden versuchen, mich aufzubauen.

Mit einer kurzen Umarmung verabschiede ich mich von ihnen und laufe auf direktem Weg nachhause. Normalerweise würde ich ja mit meinem Bruder fahren, dieser ist allerdings schon nachhause gefahren. Und als ich sehe, dass sein bester Freund gerade dabei ist, einem Mädchen die Zunge in den Hals zu rammen , spar ich mir die Mühe, zu fragen.

Mir wird schlecht,jetzt habe ich es noch eiliger nach Hause zu kommen.

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