Kapitel 43

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Jophiel lag auf dem glatten Felsen, den er vor langer Zeit zu seinem Stammplatz auserkoren hatte. Seine Flügel hatten im Licht einen leicht rötlichen Schimmer, als würde roter Glitzer auf ihnen liegen. Seine karminroten Haare leuchteten und standen im Gegensatz zu seinen smaragdgrünen Augen. Während er sich in der Sonne regenerierte, kam er zur Ruhe.

Ein leichte Brise fegte über ihn hinweg, doch er wusste, dass diese vom Wind stammte. Das Rascheln von Flügeln erklang und er wusste, wer es sich neben ihm gemütlich machte. Seine Augen öffneten sich und schauten auf den weiblichen Engel, der nun neben ihm lag und grinste. „Na, du Faulpelz, hast du keine Arbeit?", fragte eine schelmische Stimme.

Dieses Lächeln nahm ihm sofort jegliche Last, die auf seinen Schulter lastete. Die Flügel schimmerten in einem leichten Violett und das aschgraue Haar war zu einem Zopf geflochten. „Verbreitest du wieder gute Laune, Erzengel des Aufblühens, der Barmherzigkeit und der Gnade?", frotzelte Jophiel.

Sofort verzog seine beste Freundin das Gesicht. Zadkiel hatte diese Beinamen erhalten, als sie aufgestiegen war und war wenig begeistert. Was hatten sie sich dabei gedacht, ihr diese Eigenschaften anzudichten? Doch wenn Jophiel ehrlich war, passten sie zu ihr, auch wenn sie es niemals zugeben würde. Wenn Zadkiel den Raum betrat, war es, als würde er in einem hellen Licht erstrahlen und alle Last falle von einem ab. Sie war gerecht und ließ Gnade walten, wenn sie es für angemessen hielt. Ihr Gerechtigkeitssinn war ausgeprägter als bei allen anderen. Viele missverstanden das Wort Gnade. Manchmal war es auch eine Gnade, eine gerechte Strafe zu erhalten, um auf den richtigen Weg zu finden.

„Ach wirklich, Strahlemann? Hast du schon wieder ein paar Jungengel mit deiner Schönheit bezirzt? Sind schon kleine Zwerge unterwegs?"

Jophiel boxte sie gegen die Schulter. Wenn sich jemand über seinen Beinamen beschweren sollte, war es wohl er. Erzengel der Schönheit und Weisheit. „Weißt du, was das Schlimmste ist? Sie dichten mir das weibliche Geschlecht an. Willst du mir die Gnade zukommen lassen und mich von diesem Unsinn befreien?"

Zadkiel lachte nur. „Damit müssen wir wohl beide leben. Andererseits würde ich es bevorzugen als Patron der Weisheit zu dienen – immerhin trifft das auf so ziemlich jeden außer dir zu, Grünschnabel." Natürlich zog sie Jophiel wieder auf. Das tat sie seit Anbeginn seines Lebens, denn so lange währte ihre Freundschaft. Auch wenn Zadkiel älter als er war, so beeindruckte ihn immer wieder, wie positiv sie das Leben sah. Doch in den letzten Jahrzehnten, war etwas von ihrem Strahlen abhandengekommen. Weshalb?

„Was beschäftigt dich, Zara?", fragte er sie, nutzte absichtlich den Kosenamen, den er ihr vor Jahrzehnten ersonnen hatte. Der ernste Ausdruck ließ ihn stutzig werden.

„Es wird bald etwas geschehen, das spüre ich. Veränderung liegt in der Luft. Die Zahnräder des Schicksals beginnen sich zu drehen und kommen bald in ihrer endgültigen Position zum Stillstand."

Diese Worte sollten Jophiel erschüttern, doch sie taten es nicht. Er hatte es auch gesehen. Die anderen Erzengel waren ebenfalls unruhig, spürten die Dunkelheit, die sich näherte. Wo diese entsprang, konnten sie nicht feststellen, doch sie war da.

Doch das war noch nicht alles, was seine beste Freundin zu sagen hatte. „Jophiel, ich hatte eine Vorahnung. Es wird etwas passieren, das unsere Wege in eine neue Bahn lenkt. Vielleicht in eine Richtung, sodass ich finde, wonach ich suche."

Zadkiel hatte nie mit jemandem anderen außer Jophiel gesprochen. In ihrer Brust gab es eine Leere, die mit jedem Jahr zu wachsen schien. Ihre Augen verloren das Ziel, das es nicht gab. Sie sehnte sich nach mehr, doch was dieses „mehr" war, konnte sie nicht beschreiben. Er machte sich Sorgen, dass sie sich verlor, ihn alleine ließ. Bleib an meiner Seite, ich brauche dich.

The Devil's Queen (BAND 2) ✅️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt