Kapitel 11

372 72 34
                                    

♠Lace♠

"Hey, schön euch zu sehen. Ich hatte gehofft heute nochmal auf euch zu treffen. Lasst uns doch in eine der Sitzecken setzen, da ist es sicher auch für Seb bequemer statt hier auf einem Barhocker!", schlage ich vor als Daryll und Roux zu uns kommen und ziemlich unschlüssig aussehen.

"Gute Idee", schnauft Sebastian und gleitet vorsichtig vom Barhocker hinunter, doch bevor ich dazu komme ihn zu stützen, ist schon der kleine Roux bei ihm und legt ihm einen Arm um Sebs Hüfte. Da werde ich wohl nicht gebraucht.

Ein Blick in Darylls Augen und ich fühle mich fast so traurig wie er aussieht. Ich schnappe seine Hand und ziehe ihn sachte hinter mir her. Ich dirigiere ihn auf das bequeme Halbrundsofa und drücke ihn auf die Sitzfläche.

Dankend lächelt er mich an und ich könnte darin versinken. Wie sehr ich es vermisst habe.

"So, nun erzähl mal wo du in den letzten Jahren gesteckt und was du so gemacht hast", fordere ich ihn auf. Roux setzt sich zu Sebastians Füßen wie schon früher am Tag und Sebastian beugt sich ein wenig vor um mithören zu können.

"Ja genau. Mich würde es auch interessieren was du so gemacht hast. Wir haben ehrlich gesagt den Kontakt mit dir sehr vermisst", ergänzt er meine Aussage.

Daryll sieht uns nachdenklich an. Ob er nicht weiß wo genau er anfangen soll zu erzählen? Vielleicht kann ich ihm ein wenig auf die Sprünge helfen.

"Nachdem du mit deinem Vater von hier weg bist. Was habt ihr dann gemacht?"

Sein Blick, wie früher, in sich gekehrt um zu sehen, was er dort findet.

Aus dem Augenwinkel erhasche ich eine Bewegung. Ich drehe mich ein wenig und erkenne, dass Roux nervös auf seinen Knien herumrutscht. Sebastian scheint das nicht zu bemerken, sein Fokus liegt immer noch auf Daryll, also stupse ich ihn an und nicke dann in Richtung Roux.

"Alles okay?", fragt Sebastian, doch Roux schüttelt den Kopf. "Was ist los?"

"Darf ich sprechen Sir?", bittet er Sebastian, dieser erstaunt nickt und seinen Blick dann mir zuwendet. Ich zucke nur mit den Schultern. Mir scheint Roux hat seinen Meister gefunden.

"Dar kann sich an einige Dinge die vor der Reha passiert sind nicht erinnern. Er hat mir mal erzählt, dass für ihn alles erst wieder in der Reha angefangen hatte. Natürlich kennt er euch noch und weiß auch noch vieles was ihr in diesen vier Wochen unternommen habt und er weiß auch noch was Calvin ihm angetan hat, doch einiges ist einfach verschwunden", erklärt er. Ich sehe Daryll an, doch dieser findet seine Schuhe interessanter, denn sein Kopf ist gesenkt und er spielt mit seinen Zehen in den Schuhen, was man sehr gut erkennen kann, bei diesen süßen kleinen Stoffschuhen.

"Danke Roux", sagt Sebastian und streichelt Roux über den Kopf. Eine Berührung die Roux wie ein Schwamm aufzusaugen scheint.

"Also möchtest du uns dann einfach erzählen was dir einfällt? Es ist uns egal ob die Reihenfolge stimmt oder du nicht mehr alles weißt, Hauptsache wir erfahren überhaupt etwas", fordere ich Daryll noch einmal sanft auf.

Er dreht sich mit dem Gesicht zu mir, zieht ein Bein an und legt sein anderes Bein auf einen meiner Oberschenkel, die ich ein Stück öffne damit sein Bein dazwischen baumeln kann. Dann legt er seinen Kopf an meine Schulter und seufzt.

"Es war sehr anstrengend in der Reha. die Therapiemethoden waren wirklich krass. Ich war so dankbar dass Sebastian mir mein Handy so eingestellt hatte, dass ich nichts oder kaum mehr etwas vergaß, doch in der Reha musste ich das Handy abgeben und durfte anfangs auch keinen Besuch empfangen um den Fortschritt nicht zu gefährden. In meinem ganzen Zimmer flogen Zettel umher, auf die ich mir alle Anwendungen, Uhrzeiten, Termine und so weiter aufschreiben musste. Am Ende waren es so viele, dass ich teilweise nicht mehr wusste wo welcher Zettel mit welchem Termin darauf war. Es war chaotisch. Den ersten Besuch den ich empfangen habe war Roux."

Er macht eine Pause und wendet sich Sebastian zu. Doch bevor Daryll etwas sagen kann, lächelt Sebastian ihn an, bevor er sich zu Roux dreht, der erneut etwas beitragen will aber sich zurückhält und erwartungsvoll zu Seb hoch sieht

"Ich fühle mich geschmeichelt und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als dich zu meinem Sub, aber aktuell bist du es nicht, darum kannst du sprechen wann immer du willst. Danke trotzdem dafür, dass du mir diesen Respekt entgegenbringst", erklärt Sebastian ruhig aber bestimmt. "Und auch wenn du mein Sub wärst, dürftest du immer mit Daryll interagieren, aber nur mit ihm", setzt er noch hinterher.

"Vielen Dank Sir." Ist das Einzige was Roux antwortet bevor er von seinen Knien auf seine Pobacken rutscht, sodass seine Beine seitlich liegen. Dann übernimmt er die Erzählung der Geschichte aus seiner Sicht.

"Nachdem ich mit Calvin hierher kam und euch kennenlernte und ihr ihn vertrieben hattet, wusste ich nicht mehr was ich tun sollte. Also beschloss ich, die Freundschaft zu Daryll wieder aufzubauen und zu festigen. Wir waren ja schon befreundet, zumindest ein wenig, bevor das alles passierte, doch ich wollte ihn nicht aufgeben und hoffte dass er mir irgendwann für das verzeihen würde, was ich ihm mit Calvin angetan hatte. So begann ich, als ich wieder zuhause war, Briefe an Daryll in die Reha zu schreiben. Die Adresse bekam ich von seinem Dad. Mit ihm hatte ich mich auch öfter getroffen. Er war so einsam, vermisste seinen Sohn und wollte unbedingt, dass wenn Daryll nach Hause kommt, es ihm gut geht. Also besorgte er mir eine größere Wohnung und half mir beim Umzug. Umgekehrt half ich ihm Darylls Sachen von Calvin zu holen, der sich anfangs echt weigerte sie herauszugeben. Ihr wisst ja wie Darylls Dad aussieht. Calvin hat tatsächlich versucht sich mit diesem Bären anzulegen. Das war lustig."

Roux macht eine Pause und ich spüre wie Daryll an meiner Brust bebt. Ein Blick auf ihn bestätigt mir, dass er lacht. Also gehört das zu den Sachen, die er sich gemerkt hat. Ich streiche mit meiner Hand, die schon die ganze Zeit auf seinem Rücken liegt, hoch und runter und platziere einen Kuss auf seinem Haupt bevor Roux weiter erzählt.

"Eigentlich wollte Darylls Dad ja der erste sein der ihn besucht, allerdings kam ihm etwas dazwischen und so durfte ich zuerst zu ihm. Er war ganz schön erstaunt als er mich sah, denn ich habe ihn in meinen Briefen nicht darauf vorbereitet dass ich vorbei komme, das sollte eine Überraschung sein."

"Ich war auch ziemlich überrascht", wirft Daryll ein und Roux nickt.

"Roux kam ab da jedes Wochenende. Mal mit meinem Dad, mal ohne. Und so freundeten wir uns immer mehr an. Als ich entlassen wurde bezog ich dann richtig mein neues Zimmer in meiner neuen WG mit Roux. Und es war toll."

"Es ist toll", meint Roux mit Nachdruck.

"Ja, es ist toll. Roux hilft mir sehr viel und ich versuche ihm auch zu helfen wo ich kann. Als wir schon ein paar Monate dort lebten, entschied ich mich dazu diese Ausbildung zu machen. In der Reha war ich in meiner Freizeit überwiegend in der Küche und hab Sachen ausprobiert, gekocht, gebacken. Oft mit geschlossenen Augen um zu riechen und zu schmecken und mir zu merken welches Gewürz oder welche Zutat ich gerade benutzt habe. Mein Geschmackssinn war ja schon immer ausgeprägt, doch ich habe ihn weiter trainiert. Nach meiner Ausbildung bekam ich dann den Job bei Gourmet Guide und seitdem reise ich von Hotel zu Hotel oder Restaurant zu Restaurant um die Spitzenküchen zu finden und auszuzeichnen."

Ich liebe es, wie Daryll, je mehr er spricht und je mehr er sich darin verliert, mit seinen Händen und Füßen spricht. Das hat sich nicht geändert und da bin ich so froh darum. Mir wird bei seiner Erzählung einmal mehr klar, was für ein Arsch Calvin war. Er hat ihm jahrelang die Dinge vorgesetzt, die er nicht mochte. Es ist schön zu sehen, dass er sich komplett von dem abgewandt hat, der einst sein Universum war. Die letzten fünf Jahre scheinen für ihn die wahre Freude gewesen zu sein. Da hat er uns sicher nicht....

"Trotzdem habe ich euch sehr vermisst. Manchmal wollte ich zum Handy greifen und euch anrufen oder euch wenigstens schreiben."

"Und wieso hast du es dann nicht getan?"

Sebastian nimmt mir die Frage aus dem Mund und sieht Daryll eindringlich an.

"Wollen wir ein wenig tanzen gehen Dar? Ich hätte da jetzt voll Lust darauf", geht Roux dazwischen und untergräbt so Sebastians Frage.

Daryll nickt heftig, springt dann vom Sofa auf und lässt sich von Roux, der seine Hand genommen hat, in die Menge auf die Tanzfläche ziehen.

Sebastian dreht sich zu mir und hebt eine seiner Augenbrauen und ich kann schon ahnen was er denkt. Das hat ihm jetzt nicht sonderlich gefallen. Wenn ich ehrlich bin, mir auch nicht.

Resort de la Pheya 12 - LaceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt