☆ Kapitel 07 ☆

210 13 31
                                    


Berlin, 15. Mai. 2019

► Dags Sicht ◄

Vincents ‚Bin gleich bei Dir' ließ ich unbeantwortet und schob mein Handy zurück in die Hosentasche. Aufmerksam hielt ich nach meinen besten Freund Ausschau. Als meine Augen diesen entdeckten, zogen sich meine Augenbrauen zusammen. Er kam aus der Raucherecke und trug ein breites Grinsen im Gesicht. „Nicht das es mich stören würde, aber... hast Du Dich an meinem Gras bedient? Sollten wir uns sicherheitshalber ein Taxi rufen?" Die Grinsebacke nahm mich in eine Umarmung und klopfte mir auf den Rücken. „Läuft beruflich gerade einfach nicht so gut, deswegen bin ich meinen illegalen Hobbies nachgegangen und hab es vertickt." Hartnäckig hielt sich das Grinsen auf seinen Lippen. „Schmerzt das nicht langsam?", fragte ich nach und schnipste ihm dabei leicht gegen den Mundwinkel. „EY!", protestierte er lautstark, verschränkte die Arme vor der Brust und schob die Unterlippe nach vorne. Innerlich verdrehte ich die Augen.

Ablenkung half in solchen Momenten immer. „Wo bleibt eigentlich mein versprochener Kuss, Schatz?" Sofort kehrte das Grinsen zurück. Er lockerte seine Haltung und seine Finger wanderten in meinen Nacken, hielten mich fest. Automatisch lehnte ich mich ihm zu. Ohne mit den Wimpern zu zucken, schmatzte er einen feuchten Knutscher auf meinen Mund. Einige Male blinzelte ich. „Diggaaaah", lachte ich auf. „War es für dich auch so wunderschön?" Dieser Kerl machte mich fertig. Ich fuhr mir mit dem Handrücken über den Mund. „Das bisher schönste Erlebnis in meinem Leben." Nun brach auch Vince in schallendes Gelächter aus, dabei zog er mich erneut in seine Arme. „Jetzt lass uns los, Spinner." Ich verengte die Augen leicht. „Spinner?", fragte ich nach.

„So meinte ich das nicht", verteidigte sich Vincent, seine Gesichtszüge spannten sich dabei an. Ich boxte ihm gegen die Schulter. „Was für Spinner, Dickerchen? Der erste Tag in der Klapse hat mir bereits eine Beförderung eingehandelt. Ich sitze jetzt am Webstuhl. Nichts mehr mit spinnen." Mit diesen Worten ließ ich mich auf den Beifahrersitz sinken, da ich wirklich einfach nur noch wegwollte. „Was?" Vincent konnte mir nicht folgen. Eine Seltenheit. Er stieg ebenfalls ein und schnallte sich an. Bevor ich es ihm gleichtat, lehnte ich mich nach vorne und nahm meine Sachen aus dem Handschuhfach. „Hä?" Irritiert kratzte ich mir die Stirn. „Was ist los, Dickerchen? Hast Du verlernt, wie man sich eine Tüte baut?", frotzelte Vinnie. „Witzig. Nee... Ich war nur der festen Überzeugung, dass ich mein Feuerzeug ebenfalls bei Dir gelassen habe." Ich zog die Schultern nach oben.

„Hast Du auch!" Anscheinend brauche ich wirklich eine Brille. Vincent überreichte mir das Feuerzeug. „Hast Du Doch einen durchgezogen?", lachte ich auf. Kopfschüttelnd startete er den Motor und fuhr los. Anscheinend war das Thema damit für ihn beendet. Lediglich meine Schultern hoben sich an und sackten sofort wieder ab. Es gab sicherlich eine Erklärung dafür. Doch interessierte es mich überhaupt? Ich klemmte mir den Joint zwischen die Lippen. Bevor ich diesen entzündete, verstaute ich noch meine Sachen im Rucksack. Langsam lehnte ich mich zurück, atmete den Rauch aus dem Fenster raus. „Wie war der Erste Tag?" Es lag ein zögern in Vincents Stimme. „War okay", antwortete ich wortkarg. „Du siehst erschöpft aus." Anscheinend konnte ich auch diesen Umstand nicht gut vertuschen. Was kann ich überhaupt? „Wo ist eigentlich meine andere Tüte?", lenkte ich vom Thema ab. „Auf der Rückbank. Sie wartetet nur darauf ausgepackt zu werden."

Vincent bohrte nicht weiter nach, sondern ging auf meinen Ablenkungsversuch ein – wofür ich ihm extrem dankbar war. Auch wenn ich das nicht laut äußerte. „Soll ich Dich nach Hause bringen oder wollen wir noch einen Abstecher im Studio machen?" Sorgfältig ging ich die Möglichkeiten im Kopf durch. Eigentlich wollte ich mich einfach nur im Bett verkriechen. „Hättest Du noch Zeit für eine kleine Jam-Session?" Ich schob meine Zungenspitze nach vorne und ließ dies über meine Unterlippe gleiten. „Haben wir schon lange nicht mehr gemacht. Bin dabei. Bierchen und Pizza zum krönenden Abschluss?" „Davon kannst Du ausgehen. Pizza auf meinen Nacken." Die Antwort schien ihm zu gefallen, denn als ich zu ihm sah, prangte wieder ein breites Grinsen in seinem Gesicht. Ich lehnte meinen Kopf an und schloss die Augen.

„Wir sind da." Vincent stieß mich an. Überrascht hob ich meine Lider an. „Hmm. Tatsächlich", murmelte ich und schnallte mich ab. Ich nahm meinen Rucksack und stieg aus. „Hast Du nicht etwas vergessen?" Meine Auffassungsgabe war nicht mehr die beste. „Was?" Vincent hielt triumphierend die Zuckertüte in die Höhe. „Ach da war ja was..." Ich hatte es wirklich vergessen, obwohl ich mich vorhin noch danach erkundigt hatte. Schon lag die Schultüte in meinen Armen und Vince entsperrte die Tür, hielt mir diese auf. „Danke", nuschelte ich. Im Flur stellte ich meinen Rucksack ab. „Bier kommt gleich!" Auf die Aussage hin, stieg ich die Stufen zur zweiten Etage empor und ließ mich dort auf der Couch nieder. Neugierig betrachtete ich die Pferdeschultüte. „Du hast Dir aber auch das schönste Motiv ausgesucht", witzelte ich.

„Ich habe mich extra beraten lassen. Mir wurde erst eine Star Wars Schultüte vorgeschlagen, aber ich wusste sofort, dass das nichts für Dich ist." Dieser Typ. „Klar, ey. Du hättest es lediglich mit einer Einhorn Zuckertüte toppen können. Wer braucht schon Star Wars? Niemand." Ich warf ihm einen schelmischen Blick zu. Mahnend hob er den Zeigefinger, öffnete den Mund, ließ ihn aber schnell wieder zuklappen. Ich hatte einen Punkt getroffen. „Jetzt mach das Ding schon auf." Da die Neugierde zurückkehrte, zupfte ich an der Schleife und öffnete die Schultüte. Leicht drehte ich meinen Oberkörper und kippte den Inhalt neben mir auf der Couch aus. Ich verschaffte mir einen kleinen Überblick. Etwas sprang mir besonders ins Auge.

„Was zum...", brachte ich nur fassungslos heraus. „Das ist ein Stressball", informierte mich Vincent grinsend. „Das ist 'ne Brust!", widersprach ich ihm. „Eine Stressballbrust. Du hast doch schon so lange keine Brüste mehr in der Hand gehabt. Ich denke einfach nur an dein Wohlergehen, Dag." Dabei verzog er keine Miene. „Das Ding hat sogar einen Nippel", murmelte ich Fassungslos. Ich drückte den Stressball und schüttelte den Kopf. „Dinge gibt's ...", gab ich verblüfft wieder und schob das Teil in meine Hosentasche. Dabei entging mir das freche, zufriedene Grinsen meines Kumpels nicht. „Jetzt hast Du wenigstens ein Bällchen in der Hose." Flink griff ich nach einem Kissen und warf ihn damit ab.

Das kam so überraschend, dass er sich nicht einmal ducken konnte. Zufrieden wandte ich den Blick ab und sah wieder auf den Haufen, der neben mir auf dem Sofa lag. Ich konnte zwei kleine Jägermeisterfläschchen erkennen, eine Schachtel Kaugummizigaretten, verschiedene Sorten ‚Crazy Dips' und zwei Packungen ‚Magic Gum'. Das war Teilweise wirklich eine kleine Zeitreise zurück in die 90er. Ein Lächeln erschien auf meinen Lippen. Sofort zog ich mir eine Packung ‚Crazy Dips' hervor und öffnete diese. Den Lutscher leckte ich ab und schob ihn zurück in die Packung. „Woah wie geil. Hast Du da zufällig noch einen?" Schmunzelnd hielt ich ihm eine geschlossene Packung entgegen. „Zufälligerweise."

Vincent strahlte mich an, nahm mir die Packung aus der Hand und öffnete sie. Ich schob den Lutscher zwischen meine Lippen, ließ das Kribbeln auf meiner Zunge folgen. „Danke, Whynee," flüsterte ich, drehte den Kopf und sah zu ihm. „Gern geschehen, Brudi." Wir vertilgten unsere Süßigkeit und widmeten uns dann dem Bier. „Hast Du eigentlich die Olle gesehen?" Und die Fragezeichen kehrten zurück. Wieder blickte ich verwirrt aus der Wäsche. „Was für ne Olle?", erkundigte ich mich. „Wo Du nicht sicher warst, ob sie ein Bild von Dir gemacht hat." Jetzt machte es Klick. „Ja" Ich trank ein Schluck vom Bier. Seinen fragenden Blick spürte ich förmlich auf mir kleben. „Presse?" Verneinend schüttelte ich den Kopf. „Lass Dir doch nicht alles aus der Nase ziehen. Langsam wird es echt schleimig und eklig."

Erneut floss Bier meine Kehle hinab. „Sie ist ebenfalls in einer Behandlung. Kurz bevor der Gruppenkreis begonnen hat, hat sie wieder ein Bild gemacht. Hab sie, weil sie nicht in meiner Gruppe ist, erst beim Mittagessen konfrontieren können." Ich machte eine kleine Pause und lugte zu Vincent, welcher mich gespannt betrachtete. „Fan?" Erneut verneinte ich. „Glaub ich nicht. Anscheinend bin ich ein ‚faszinierendes Motiv'... Sie interessiert sich einfach nur für Fotografie." „Du? Ein faszinierendes Motiv? Kein Wunder, dass sie in stationärer Behandlung ist." Doch schien er selbst zu merken, dass dieser Spruch ziemlich geschmacklos war. „Der war eklig." Wortlos nickte ich. „Immerhin siehst Du es ein. Jetzt lass uns Pizza bestellen, ein bisschen jammen und den Jägermeister wegkippen." Gesagt getan.

Words: 1400 

Du bist wie ich, dich gibt's nur einmal ... oder? | A SDP FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt