☆ Kapitel 09 ☆

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Berlin, 17. Mai. 2019

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Der Weg zur Küche, verlangte mir meine komplette Konzentration ab. Dabei musste man einzig allein den Flur entlang gehen und sich zur linken Seite drehen. Doch selbst das, war mir gerade schon zu viel. Schwerfällig zog ich die Kühlschranktür auf und griff nach einer Bierflasche. Mitten in der Bewegung hielt ich Inne. Frustriert zog ich meine Hand zurück und drückte die Tür zu. Um den Weg nicht unnötigerweise bestritten zu haben, nahm ich mir ein Glas Wasser. Mit schlürfenden Schritt schleppte ich mich ins Wohnzimmer zur Couch. Auf dieser ließ ich mich nieder, nachdem ich das Wasser auf den Tisch gestellt hatte. Ich fühlte mich vollkommen ausgelaugt, dabei hatte ich erst den zweiten Tag in der Klinik hinter mir. Jedoch fühlte ich mich, als hätte eine komplette Woche durchgeackert – ohne jegliche Pause. Vermutlich ließ sich das auf die erste Sitzung mit dem Psychiater zurückführen.

Zuallererst musste ich mich der obligatorischen „Herr Kopplin, wie geht es Ihnen?" Frage hingeben. Allerdings konnte ich den Psychiater, seinen Namen hatte ich mir nicht gemerkt, nicht mit einem simplen ‚Okay' abspeisen. Ich wurde gebeten, genauer auf diese Frage einzugehen, was im Umkehrschluss bedeutete, dass ich mich schon in den ersten Minuten öffnen musste. So ging es weiter. Mein Leben wurde wie Vokabeln abgefragt. Außerdem wurde mir ans Herz gelegt, so weit wie nur möglich, auf Alkohol und Gras zu verzichten, da es meine Gefühlswelt zu sehr beeinflussen und verzerren würde. Die Erklärung war plausibel und ich konnte es nachvollziehen, allerdings wusste ich nicht, wie ich das überstehen soll. Und zum krönenden Abschluss hatte er mich wissen lassen, dass er es in Betracht zieht, mir Medikamente zu verschreiben. Dies war ein kompletter Widerspruch in sich, denn ich wusste aus eigener Erfahrung, dass die meisten Antidepressiva noch mehr die Wahrnehmung trüben konnten. Die Situation überforderte mich so sehr, dass es mir sogar die Tränen in die Augen trieb.

Etwas durchbrach die Stille – jemand machte sich an meiner Wohnungstür zu schaffen. Mein kompletter Körper spannte sich an und das Herz schlug mir bis zum Hals. Erst war ein leises Poltern zu hören, kurz darauf ein Fluchen. Vincent. Das konnte doch nicht sein Ernst sein. Meine Miene verhärtete sich. Es dauerte nicht lange, bis der Größere im Türrahmen stand. Wie von einer unsichtbaren Macht geleitet, sprang ich vom Sofa auf. „Ich habe gesagt, dass ich alleine sein will! Was daran hast Du nicht verstanden?", fuhr ich meinen besten Freund an. Dieser starrte mich perplex an. Unsicher fuhr er sich durch das Haar. „Das ist so nicht richtig. Du hast mir gesagt, dass Du ins Bett willst, weil Du müde bist." Seine Worte klangen so ruhig. Es war keine Lüge gewesen, eigentlich wollte ich ins Bett, doch hatte ich es noch nicht bis zu diesem geschafft.

Wütend schnaubte ich auf, sah auf einmal komplett Rot. „Verschwinde Vincent! Ich brauche keinen Babysitter. Hast Du gehört? Du sollst mich in Ruhe lassen", schrie ich ihn an. Wie ferngesteuert lief ich auf ihn zu. Meine Hände stemmten sich gegen seine Brust und ich stieß ihn ein Stück zurück. Damit hatte er nicht gerechnet, da er ins Straucheln geriet und mit dem Rücken gegen die Wand stieß. Seine Augen waren vor Schock geweitet. „Hau endlich ab und lass mich alleine!" Dieser Gefühlsausbruch, überraschte nicht nur Vincent. „Dag", presste er meinen Namen hervor, doch gab ich ihm keine Chance den Satz zu beenden. „Nein! Raus aus meiner Wohnung. Ich brauche Dein Mitgefühl und Deine Hilfe nicht." Ich verdiente es nicht. „Ich wollte doch nur..." Meine Augen funkelten. „Es ist mir egal, hörst Du? Ich bin kein Sozialprojekt. Du brauchst mich auch nicht mehr abholen. Kümmere Dich um Deinen Kram und jetzt geh endlich!"

Vincent ließ etwas fallen. Dumpf prallte der Gegenstand auf den Boden, landete vor meinen Füßen. Sofort senkte sich meinen Kopf und konnte erkennen, dass es sich um meinen Rucksack handelte. „Den hast Du bei mir im Auto vergessen. Ich wollte den nur auf Deine Couch stellen und wieder gehen." Zwar versuchte er so ruhig wie möglich zu sprechen, doch kannte ich verdammt gut und konnte das schwache Zittern in seiner Stimme heraushören. Es machte sich immer dann bemerkbar, wenn er versuchte seine Fassung zu wahren. Wenige Sekunden später, fiel die Tür, mit einem lauten Knall, hinter ihm ins Schloss. Kaum war Vincent verschwunden, zwang mich die unsichtbare Macht unwiderruflich in die Knie. Ich sank gegen den Türrahmen und rutschte zu Boden.

Du bist wie ich, dich gibt's nur einmal ... oder? | A SDP FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt