04 She's Not Afraid

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Eine Minute bevor mein Wecker klingelt, schlage ich die Augen auf. Es ist 07:44 am. Ein erstaunlich früher Zeitpunkt, um gut gelaunt zu sein. Aber hey, so ist es doch immer mit ersten Schultagen. Man freut sich mega, will pünktlich sein, hübsch aussehen und einen guten (ersten) Eindruck machen. Ich ziehe mir eine dunkle ausgewaschene Highwaste-Jeans an, dazu ein kakhifarbenes cropped Hemd, von dem ich die oberen Knöpfe locker offen lasse. Dezentes Schminken, mein Standardschmuck (Amethyst-Armreif, Ring am Daumen und meine dünne, geflochtene Choker Kette) und zuletzt schnappe ich mir noch ein grau-schwarz kariertes Flanellhemd, nur zur Sicherheit. Hab ich alles? Tasche, Essen, Gehirn, gute Laune? Was muss, das muss!

Dank der Pläne von Alex finden Sophie und ich uns schnell zurecht. In den Gängen tummeln sich die Schüler und von überall dringt uns ein Stimmen Wirrwarr verschiedener Sprachen entgegen. In unserem Klassenraum setzen wir uns in eine der mittleren Reihen. Früher wollte man unbedingt ganz hinten sitzen, um sich verstecken und Scheiße bauen zu können.. Ich gebe zu, ich sitze immer noch gerne hinten, aber eher, weil ich es hasse, dem Unterricht mit dem Wissen folgen zu müssen, dass mich jemand hinter meinem Rücken ununterbrochen anstarren kann. Andererseits ist es vorne auch nicht schlecht. Ich bin schon lange aus dem Alter raus, in dem alle in der ersten Reihe als Streber gelten. Also die goldene Mitte. Mal wieder.

Die Vorstellungsrunde und einige organisatorische Dinge habe ich hinter mir und sitze gerade mit Sophie und einigen neuen Klassenkameraden in der Mensa. Maxim kommt aus Österreich, Lovisa aus Schweden und Jaime aus Spanien. [A.N.: Maxim ist ein Junge;)]
Ich bin noch nie auf so verschiedene Menschen getroffen - und wir können uns alle auf einer Sprache unterhalten, die von keinem von uns die Muttersprache ist. Natürlich wurden wir im Voraus bereits getestet und in unterschiedliche Kurse eingeteilt. Ich weiß, dass mein Englisch schon gut ist - unzähligen Serien und Filmen sei Dank. Der Unterricht ist vergleichsweise langweilig, aber diese Chaoten sind nicht mit den Spaken in meiner Klasse Zuhause zu vergleichen und so macht das Ganze schon viel mehr Spaß. Die Lehrer sind streng, aber fair.
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"Und?", fragt mich Sophie am Ende des Unterrichts erwartungsvoll. Ich grinse sie an: "Lässt sich aushalten."

"Absolut!"

Wir lachen und laufen gemeinsam Richtung Wohnheim.

"Aber jetzt zurück zu den ernsten Dingen des Lebens. Was soll ich anziehen!?"

"Wie anziehen, wofür?"

"Niall!", kreischt sie und ich habe Angst, einen Gehörschaden davongetragen zu haben.

"Sag nicht, du hast es vergessen! Du hast versprochen, dass du mitkommst!"

"Genau genommen, hast du das entschieden, Fräulein. Aber keine Sorge, zufällig hab ich keine wichtigeren Verpflichtungen."

"Als ob es wichtigeres gäbe!" Beleidigt schiebt sie ihre Unterlippe vor und bei ihrem Anblick muss ich wieder lachen. Ich muss ihr versichern, dass nichts auf der Welt wichtiger wäre und sie zieht mich schließlich mit in ihr Apartment. Vor ihrem Kleiderschrank stehend erklärt sich mir jetzt auch, warum ihr Koffer so schwer war. Sie hat bestimmt doppelt so viele Klamotten wie ich dabei und davon zieht sie jetzt unzählige aus dem Schrank, wirft sie hinter sich aufs Bett. Eine langärmlige aprikofarbene Bluse landet direkt auf meinem Schoß.

"Sophie! Das kannst du doch gar nicht alles tragen!"

Sie hält inne, scheint zu überlegen und macht sich mit einem "Hast Recht" dann daran, ihren Schrank wieder zu befüllen, selbstverständlich sauber zusammengefaltet. Ich will ihr die Bluse reichen, aber sie nimmt sie nicht an, möchte stattdessen, dass ich sie anziehe.

"Aber die hat Rüschen!"

"Das sind keine Rüschen! Da kann ich dir viel rüschenlastigere Sachen zeigen und jetzt geh dich umziehen!", mit diesen Worten im Befehlston schiebt sie mich aus der Türe. Ich kann nur den Kopf schütteln. Dieses kleine, blonde Persönchen hat einen riesen Willen und den setzt sie auch durch! Aus Protest lasse ich Hose und Schuhe gleich und stecke die Bluse in den Bund meiner Jeans. So schlecht sieht sie gar nicht aus, wenn da nicht diese Rüschen wären. Rüschen machen einen immer süßer. Ich hasse es, wenn jemand zu mir sagt, ich sei süß. Ja gut, ich bin nicht der größte Gangster in tha hood, aber das wäre ich definitiv lieber als das süße Mädchen von nebenan. So Gangster mit Herz. Mein Gott, Mel, was denkst du da eigentlich..

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