15

241 24 3
                                    

Ocean hatte mir die Wirkung eines Katalysators zu Ende erklärt und das einzige, was ich noch nicht so richtig verstand, war die sogenannte Bolzmann-Verteilung.

"Wasserstoffperoxid soll in Sauerstoff und Wasserstoff gespalten werden, bei einer Temperatur von 140°C", erklärte Ocean, der sich mittlerweile neben mich gesetzt hatte, um mir ein Kurvendiagramm ins Heft zu zeichnen, welches ich allerdings nicht verstand.

"Wieso 140°C?", hackte ich nach, was Ocean erschöpft die Augen schließen ließ.

"Weil bei dieser Temperatur einige Teilchen die nötige Energie haben, um sich zu spalten."

"Wieso haben nicht alle Teilchen die nötige Energie?"

Ocean seufzte. "Weil es die richtige Anzahl von Teilchen, sowie die richtige Teilchengeschwindigkeit braucht, um bei 140°C zu reagieren."

"Aha", machte ich und sah verständnislos auf das Diagramm vor mir und erinnerte mich daran, dass er mir bei unserem letzten Treffen erklärt hatte, dass ein Katalysator die Aktivierungsenergie, die es brauchte, damit eine chemische Reaktion stattfand, verringerte.

"Wieso benutzt man dann nicht einfach einen Katalysator, damit alle Teilchen die nötige Energie haben?"

"Weil–", mitten im Satz stockte Ocean und sah mich mit großen Augen an. "Genau das ist es!"

Mit gerubzelter Stirn musterte ich meinen Gegenüber und hatte keinen Plan, wieso er plötzlich so aufgeregt war. "Äh, was?"

"Das was du gesagt hast! Man benutzt einen Katalysator bei der Spaltung der Wasserstoffperoxid-Teilchen!"

Ich verstand immer noch nicht, wieso er so aus dem Häuschen war. "Was hat das mit meiner Frage zu tun?"

Ocean verdrehte die Augen, lächelte jedoch übers ganze Gesicht. "Weil deine Frage, die Antwort ist! Man benutzt einen Katalysator, damit alle Teilchen die nötige Energie haben, um zu reagieren", abwartend sah er mich an, als es endlich Klick bei mir machte.

Mit großen Augen sah ich ihn an. "Das hab ich gesagt", stellte ich überflüssigerweise fest, was Ocean wild nicken ließ.

"Ich weiß!"

Ich schnappte nach Luft. "Ich hab es verstanden!"

"Ich weiß!"

Ich lachte auf und fiel Ocean um den Hals. Ich gab zu, dass es nicht die Euphorie war, die mich dazu trieb, meine Arme fest um seinen Körper zu schlingen, aber ich war froh, es auf ebendiese schieben zu können und nutzte jede Gelegenheit, Ocean näher zu kommen.

Und doch brachte mich diese Umarmung, die mein Nachhilfelehrer augenblicklich fest erwiderte, mehr aus dem Konzept, als ich zunächst angenommen hatte.

Oceans Duft stieg mir in die Nase und ich hätte schwören können, noch nie so ein gutes Parfüm gerochen zu haben. Ich konnte den wundervollen Geruch nicht richtig identifizieren, weshalb ich einfach annahm, dass es Moschus war, das ich keine Ahnung hatte, wie Moschus roch.

Tatsache jedoch war, dass dieser Duft süchtig machte. Vermutlich verlor ich den Verstand, anders konnte ich mir nicht erklären, wieso ich mit dem Gedanken spielte, eine Kerze mit diesem Duft herzustellen, die ich nach ihm benennen würde.

"Glaubst du, 'Ocean' ist ein guter Name für eine Duftkerze?", hackte ich belustigt nach, obwohl ich wusste, dass er es nicht verstehen würde.

"Definitiv. Schnupperst du deswegen an mir?"

Abrupt löste ich mich aus der Umarmung und konnte nicht fassen, dass meine Wangen rot anliefen. Mir war nie etwas peinlich. Dennoch hatte ich keine Ahnung, was ich nun sagen sollte. Ja? Nein?

Ich stieß schnauben die Luft aus. "Vielleicht."

Ocean lachte und schüttelte amüsiert über mich den Kopf. Ich steig in sein Lachen mit ein, wenn auch mehr aus Verzweiflung und würde nun sehr gerne in einem Loch versinken.

Glücklicherweise öffnete in diesem Moment Oceans Mutten die Tür und lächelte uns zufrieden an.

"Das Essen ist fertig. Woll ihr drinnen oder hier draußen essen?", hackte sie nach, woraufhin Ocean fragend seinen Kopf zu mir drehte.

"Ich soll entscheiden?", überrascht sah ich zu meinem Sitztnachbarn, der daraufhin nickte. "Natürlich, du bist der Gast."

Unsicher sah ich zu seiner Mutter, die jedoch nur geduldig in der Tür lehnte und ich bekam Panik, dass ich sie mit meiner Entscheidung zu lange warten ließ.

Eine Frau, die nicht weiß, was sie will, kann sich direkt 'Willig' auf die Stirn tätowieren lassen, hatte Mom immer gesagt, wann immer ich zu lange gebraucht hatte, um zu entscheiden, ob wir in der Küche oder auf der Couch aßen, und sie sorgte hatte, dass das Essen abkühlen würde, wenn ich noch länger überlegte.

Ob Penelope das auch so sehen würde? Ich wollte nicht, dass sie genau wie Mom dachte, ich würde die Nachhilfe zum flirten anstatt zum lernen benutzen.

Zwar flirtet ich nicht nicht mit Ocean und auch unsere Vereinbarung ließ nicht viel Interpretationsspielraum für meine Absichten, doch es ging mir größtenteils darum, nicht sitzen zu bleiben.

"Draußen", entschied ich schließlich und lächelte Oceans Mom schüchtern an, woraufhin sie nickte und uns bat die Schulsachen vom Tisch zu räumen, ehe sie zurück in die Küche verschwand.

Als die Türbsich hinter Penelope geschlossen hatte drehte ich mich sofort zu Ocean um. "Ich schlafe nicht mit jedem."

Verwirrt hielt er in seiner Bewegung inne und musterte mich mit gerunzelter Stirn. "Das habe ich auch nicht gedacht."

Ich lächelte traurig. "Also ich meine, ich gebe zu, dass Lucians und meine Beziehung nicht wirklich monogam verlief, aber ich will nicht, dass du mich für eine Schlampe hältst. Ich weiß, dass unsere Vereinbarung für meine Motivation nicht wirklich hilft, das zu glauben, aber..."

"Hurricane", unterbrach Ocean mich mit sanfter Stimme und sah mich besorgt an. Erst jetzt fiel mir auf, dass meine Sicht ein wenig unscharf war, von den Tränen die ich mühsam zurück hielt. "Ich verspreche dir, dass ich dich für keine Schlampe halten werde."

Ich nickte erleichtert und schloss die Augen, damit die Tränen verschwanden. "Okay, ich wollte nur sichergehen, falls es irgendwie den Eindruck gemacht hat. Jedenfalls, danke", gegen Ende hin war meine Stimme nur noch als leises Murmeln zu vernehmen.

Ich öffnete die Augen wieder und begann die Sachen auf dem Tisch zusammen zu packen, während Ocean steif neben mir saß, ehe er mir behutsam die Chemiesachen aus der Hand nahm.

"Du solltest dich für so etwas nicht bedanken müssen", flüsterte er kaum hörbar und als er es aussprach, klang seine Stimme, als würde es ihn traurig machen, dass ich mich dafür bedankte, dass es mich für keine Schlampe hielt.







HurricaneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt