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„Das gibt es doch nicht", hauchte Briseis erschöpft. Um sie herum brach Chaos aus, die Piraten schrien und rannten umher. Einige luden ihre Waffen und eröffneten das Feuer gegen die Piratenjäger.

„Briseis!", rief Henry und wollte sich durch das plötzliche Gedränge einen Weg zu ihr bahnen.

„Runter", rief ein Mann neben Bri und zerrte sie zu Boden, als die ersten Schüsse fielen.

Die Piratenjäger waren den Piraten haushoch überlegen. In Sekundenschnelle fielen die ersten Menschen in den Sand und färbten ihn rot.

In der Ferne hörte sie Henry ihren Namen rufen. Imo war fort.

Bri stand auf und rannte in Richtung Bühne, wo sie glaubte, Henry gehört zu haben. „Henry!", schrie sie und drehte sich mehrmals um sich selbst. Immer mehr Leichen bäumten sich auf dem Strand auf. Die Piratenjäger waren beinahe zu der Bühne vorgedrungen. Briseis zog einem Mann die Pistole aus den toten Fingern und ging hinter der Bühne in Deckung.

Im nächsten Moment kamen zwei Piratenjäger dritten Ranges um die Bühne herum und richteten ihre Gewehre auf Briseis. Sie hob die Pistole.

„Sie ist jung genug, oder?", murmelte einer und musterte sie konzentriert.

„Lass die Pistole fallen, Mädchen", sagte der andere.

Briseis' Blick glitt über den Strand. Wo war Henry? „Nehmt die Waffen runter oder ich schieße", sagte sie mit fester Stimme.

„Sie passt", hörte sie eine bekannte Stimme hinter sich. Briseis drehte sich um und öffnete den Mund.

Adrian Zimmerman. Er stand auf der Holzbühne und musterte sie, wie schon die anderen Piratenjäger. Der Hass, der in Briseis aufflammte, als sie ihn sah, schmerzte wie tausend Regentropfen auf der Haut.

Die Piratenjäger dritten Ranges nutzten die Gelegenheit, schlugen Briseis die Pistole aus der Hand und drehten ihr den Arm auf den Rücken.

„Bringt sie zu den anderen", sagte Zimmerman und sprang von der Bühne.

„Halt, nein!", schrie Briseis und wollte sich losreißen. Panisch sah sie sich um. Wo war Henry? Auf dem Strand war es ruhig geworden. Hunderte tote Piraten lagen im Sand. Hinter dem Strand loderte das Feuer, dass Santiano langsam zerfraß. Von Henry und Imo war keine Spur.

Die Piratenjäger gingen auf dem Strand umher, erschossen letzte Piraten und sammelten einige wenige am Rand des Meeres, wo die Wellen auf den Strand schlugen.

Im Gehen wurden Briseis die Hände auf dem Rücken gefesselt. Sie wehrte sich mit aller Macht, doch schon bald kniete sie mit den restlichen Überlebenden in einer Reihe.

Es waren etwa zwanzig Mädchen. Alle in Briseis' Alter. Manche etwas älter, andere etwas jünger. Den meisten liefen Tränen die Wangen hinunter, andere schluchzten laut. Viele hatten Verletzungen erlitten. Eine lag bewusstlos im Sand. Briseis beschlich eine grausame Vorahnung. Erschrocken senkte sie den Blick, als Adrian Zimmerman langsam zu den Gefangenen trat und jedes einzelne Mädchen musterte. Als er sprach, klang seine Stimme genauso kalt wie Bri sie in Erinnerung gehabt hatte.

„Ihr fragt euch bestimmt, warum ihr noch lebt", sagte er gleichgültig. Er ging an der Reihe der Gefangenen vorbei und sah jede einzelne ganz genau an. „Es gibt dafür nur einen Grund. Wir suchen jemanden."

„Ihr werdet sie aber nicht finden." Erstaunt sah Briseis das Mädchen neben sich an. Es war eine Piratin Anfang zwanzig. Sie hatte hüftlange Haare und trug ein Kopftuch, das mit Perlen verziert war.

Zimmerman ging ruhigen Schrittes zu dem Mädchen und hockte sich vor sie. Sie hielt seinem eisigen Blick bemerkenswert stark stand, wie Briseis feststellte. „Wie bitte?", fragte Zimmerman.

16521 Band 1: Der Pirat, der Bär und der RegenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt