Charlie

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Bri stand in einem Badezimmer und betrachtete das Fenster. Sie hatte gebadet, sich zehn Minuten lang die Zähne geputzt und die frischen Klamotten angezogen.

Trotzdem fühlte Bri sich elendig. Das Essen in November schmeckte zum Kotzen schlecht und die Wasserration, die man hier bekam, war lächerlich. Mit jeder Stunde, die in November verstrich, wurde Bri sich sicherer: Die Sechsundzwanzig Städte waren nicht so stark und unantastbar, wie sie immer geglaubt hatte.

Aus ihrer neuen Jacke zog sie den Revolver. Teddy war ein netter Kerl, doch etwas zu vertrauenswürdig mit dem Aufbewahren seiner Waffe hinten im Gürtel, sodass Bri nicht hatte widerstehen können, sie an sich zu nehmen. Nur zur Sicherheit. Seufzend öffnete sie das Fenster und sah hinaus. Briseis befand sich im siebzehnten Stock. Eine große Straße führte darunter an dem großen Gebäude entlang. Hier in November waren viel mehr Leute unterwegs als in Foxtrot – vor allem fuhr hier sogar das ein oder andere Auto entlang.

Ein Blick auf die Wanduhr sagte Bri, dass sie noch knapp eine Viertelstunde bis zu der Besprechung mit den anderen hatte.

Und so ...

... stieg Briseis aus dem kleinen Badezimmerfenster. Sie kletterte die Gebäudewand so schnell sie konnte hinunter und hoffte, nicht entdeckt zu werden. Als sie endlich auf dem Asphalt ankam, starrten sie viele Leute an, doch sie warf die Haare zurück – eine Geste, die sie sich bereits von Mona Lovell abgeguckt hatte –, überquerte die Straße und ging in eine der Gassen. Sie lehnte sich an eine Hauswand und atmete einmal tief durch.

Was zum Teufel machst du da, Briseis?, schrie eine Stimme in ihrem Kopf.

Sie brachte die Stimme zum Schweigen und ging die schmale Straße entlang. „Hey", rief jemand hinter ihr. Bri drehte sich um. Zwei Piratenjäger. Sie mussten sie an der Hausfassade klettern gesehen haben.

Bri starrte die beiden Piratenjäger an, die auf sie zukamen. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und begann zu rennen. „Hey!", rief der eine wieder und an ihren Schritten hörte Bri, dass sie ihr folgten. „Hey, du bleibst jetzt stehen!"

Sie rannte um die Ecke in eine weitere leere Gasse – bis plötzlich der Boden unter ihren Füßen nachgab.

Bri stürzte in die Tiefe.

Sie schlug auf harten Beton auf. Als sie sich aufrappelte befand sie sich in einem kahlen, grauen Raum. Nur durch eine Öffnung an der Decke, drei Meter über ihr, drang Licht in den Raum. Grandios. Irgendwelche Spaßvögel hatten den Gullydeckel aus der Straße gezogen und sie war geradewegs ... nicht in der Kanalisation gelandet.

Neugierig rappelte Bri sich auf. Über sich hörte sie die Piratenjäger davoneilen. Bri atmete aus. Ihre Knochen schienen alle gesund, es würde zwar einen blauen Fleck geben, aber was machte da schon einer mehr. Sie sah sich um.

Es war ein dunkler Tunnel. Sie sah nur kahle Wände aus Beton, abgesehen von ein paar Brettern an der Wand. Bri wandte ihren Blick nach oben. Die runde Öffnung, durch die sie gefallen war, war viel zu hoch oben, als dass sie wieder als Ausgang würde dienen können. Mit klammen Fingern sah Bri den Tunnel hinunter. Durch weitere Öffnungen in der Straße drang immer wieder ein wenig Licht in den langen Korridor, doch das Ende konnte sie nicht sehen. Alle paar Meter zweigten von diesem Tunnel weitere ab.

Bri nahm all ihren Mut zusammen und marschierte los. Sie musste einen Ausgang finden. Nach fünf Minuten kompletter Stille und einem Marsch durch diese geheimnisvollen Kellergewölbe bog sie ab und sah wieder einen endlosen Tunnel vor sich. Wie sollte sie hier jemals rauskommen?

„Heiliger Christophorus, was machst du hier?"

Bri fuhr zusammen und wirbelte herum. Sie hielt eine Hand fest gegen ihre Brust gedrückt, während sie erleichtert die Luft ausstieß.

16521 Band 1: Der Pirat, der Bär und der RegenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt