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Y/n pov

-  Samstag, 12:34 Uhr, 15. April. 2017 -

Ich tanzte wie ein bescheuertes Wahlross, während ich meine besten Klamotten anzog.

Sunghoon betrat mein Zimmer. „Nah, freust du dich schon?", fragte er. „Und wie!", antwortete ich euphorisch.
Er sah an mir runter. „Du entwickelst dich so schnell. Ich glaub wir müssen dir heute BHs kaufen.", merkte er an.

Ich stand ohne T-Shirt da. Am Anfang war mir das noch unangenehm, doch da Sunghoon mich sowieso ständig beobachtete, bei allem was ich tat, war mir das schon lange egal geworden.
Ohnehin, wurde jedes andere Gefühl meinerseits gerade von purer Freude überbrückt. Zum ersten Mal seit neun Monaten, würde ich über den Rand des Balkon hinaus schreiten... Das war meine Chance... Die letzte Chance.

Auch Sunghoon machte sich fertig. Nicht lange später, standen wir vor der Haustür. „Mach keine Dummheiten, ja?", warnte er mich noch bevor wir Zuhause verließen.

Ich nickte. Er klang streng, obwohl wir beide wussten, dass er mir vollstens vertraute.

Plötzlich hielt ich mir die Nase zu. Der Geruch von Putzmittel im Treppenhaus war so unbekannt für mich geworden, dass er mir ätzend weh tat. Ich musste sogar niesen. „Gesundheit! Woah...gehts?", fragte Sunghoon und nahm mich in den Arm. Ich nickte. „Alles gut."

Wir stiegen die letzte Treppe hinab, öffneten die Haustür und  Ich riss mir Hand vor die Augen und krächste vor Schmerz. Alles war so verdammt hell. Zu viele Eindrücke auf einmal. Mein Verhalten ähnelte einer Hochsensiblen. Die ersten Momente war ich völlig reizüberflutet. Dann ging es plötzlich wieder.

Sunghoon hatte damit wahrscheinlich schon gerechnet, deswegen hielt er mich nur unterstützend.

Wir setzten uns in sein Auto. Mir wurde übel. Von extremen Gefühlen durchströmte emotionale Erinnerungen kamen hoch. Kaum zu glauben wie viel Zeit schon vergangen war.

Sunghoon erkannte wie schwer ich es mir tat. Als ich mich anschnallte, sah er mir tief in die Augen, legte seine rechte Hand auf meine Oberschenkel und sprach: „Es wird schon. Vertrau mir."

Aus heiterem Himmel spürte ich plötzlich ein Gefühl. Ein seltsames kribbeln bei mir im der Bauch Region. Es weitete sich aus bis zu mir nach unten. Bis dahin, wo niemand hinfassen durfte. Ich wusste gar nicht was mit mir passierte. „Ich glaub ich muss nochmal auf Toilette.", sagte ich verwirrt, weil das das Einzige war, dass in meinem Kopf gerade Sinn machte.

„Du kannst in der Stadt gehen.", versicherte er mir. Ich zuckte mit den Schultern und wir fuhren los.
Kurz danach verschwand dieses komische Empfinden wieder, wie vom Zauberhand. Na dann...

Wir blieben stehen. Sunghoon stieg zuerst aus, lief einmal um das Auto, öffnete mir die Tür und sagte Scherzhaft: „Nach ihnen Milady."
Ich lachte und trat aus.

Er schloss das Auto ab und nahm mich an der Hand.
So viele Schilder und grelle Lichter, die mir nicht unbedingt wehtaten, aber schon lange nicht mehr angenehm anzusehen waren.

Erst dann realisierte ich, dass wir schon lange nicht mehr in der Stadt waren die in der ich lebte. Ich erkannte keinen Zentimeter.
„Wo sind wir?", fragte ich Sunghoon.

„Wir sind in der Stadt, Sonnenschein. Oder was meinst du?", erwiderte er dann. „Nein, in welcher Stadt sind wir?"– „Wir sind in Chiba."

Chiba... Chiba? Über diese Stadt hatte ich mal ein Referat gehalten.  Chiba war doch- 30 Kilometer von Zuhause entfernt?

Kein Wunder...

Wir liefen in ein großes Einkaufszentrum.
Die Rolltreppen hoch und in einen langen Flur.

„Geh aufs Klo.", sagte Sunghoon plötzlich. Ich betrachtete ihn mit Verwirrung.  „Da runter, ist eine Toilette.", erklärte er mir.
Stimmt ich hatte ja vorher gesagt, dass ich aus Klo muss... Die letzte Chance. 

Ich ging also runter und setzte mich in eine Kabine. Mein Herz schlug bis in meine Lungen. Ich wartete den richtigen Moment ab und schritt dann raus. Am Waschbecken stand eine alte Frau. Ich stotterte: „E- Entschuldigung?"

„Hmm?" Reagierte sie als hätte sie mich nicht gehört. „Nein, ich hab kein Kleingeld!", schrie sie plötzlich in dieser grausam kratzenden alte-Leute-Stimme. Was? Nein! „Nein! Ich brauch hil-"-„Huh? Ja klar brauchst du Hilfe! Weg mit dir! Such dir einen  Job. Ihr Viecher seid unerträglich.", unterbrach sie mich. 

Nein! Ich bekam Panik und griff die Frau am Arm. Sie durfte nicht gehen. „VERSCHWINDE!"; rief sie laut, schlug wiederholt mit ihrer Tasche und eilte davon.

Ich sank auf den Boden und schluchzte. Warum wollte sie mir nicht helfen... warum will mir niemand helfen...

Ich hörte im Hintergrund Menschen murmeln. „Die Welt hat mich aufgegeben...", flüsterte ich. Auf einmal kam die Putzfrau rein. „Bist du Y/n?", fragte sie mich verwundert. Ich sprang beinahe auf. Es ist doch noch nicht zu spät... Ich nickte eifrig.  „Dein Bruder wartet draußen auf dich", sagte sie und führte mich raus. Mein was...?

Sie übergab mich direkt seine Arme. „Warum hast du denn so lang gebraucht? Ich hab mir sorgen gemacht.", sagte er und streichelte mir die Schulter.

Es ist vorbei...sie haben mich alle aufgeben. Niemand sucht nach mir. Niemand erkennt mich. Niemand kümmert sich um mich.  

Niemand außer...Sunghoon

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Creep || 🅔ⁿʰʸᵖᵉⁿWo Geschichten leben. Entdecke jetzt