39. Butterflys

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Die Spannung in der Luft, als sich unsere Blicke trafen, war fast zum Zerreißen. Lance musterte mich. Von Oben bis Unten und dann nochmal von Unten nach Oben. Das Feuer in seinem Blick ließ mich augenblicklich erröten. Und vielleicht bereute ich es in diesem Moment etwas, dass er gestern Abend nicht mit zu mir ins Zimmer kam.
"Chmmm....okayyy....ich glaub wir gehen dann mal." Silvis Stimme durchbrach den Moment jäh. Schnell schnappte sie ihre Kaffeetasse und ihren plötzlich etwas überforderten Mann und verließ eiligen Schrittes die Küche. Thommy auf meinem Arm war noch im Halbschlaf, aber als er seinen Vater sah, fing er augenblicklich an zu lächeln. Langsam kam Lance auf uns zu, gab zuerst Thommy einen Kuss auf die Wange und dann mir einen auf die Stirn.
"Hi" flüsterte er.
"Hi" gab ich schüchtern zurück. Er strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Willst du einen Kaffee?" Ich nickte und er nahm mir unseren Sohn ab, ging zur Kaffeemaschine und drückte auf den Knopf. Ich stand die ganze Zeit an der selben Stelle. Betrachtete Lance in seiner kurzen Sporthose, welche tief auf seiner Hüfte lag und seinem Tanktop, die Haare noch feucht vom Nebel und bestimmt auch etwas vom Schweiß. Er sah gut aus, vorallem mit unserem Sohn auf dem Arm. Er murmelte etwas zu Thommy woraufhin dieser freudig nickte. Er stellte mir meinen Becher hin und schenkte mir ein Lächeln. "Bitteschön Prinzessin, so wie du ihn magst."
"Du hast es nicht vergessen?"
"Wie könnte ich?" Dann blickte er etwas verlegen zu Boden und ich lief rot an.
Thommy saß mittlerweile in seinem Stuhl und löffelte einen Fruchtjoghurt. Er sprach morgens nicht viel, musste wie ich erstmal richtig wach werden bevor er in den Tag starten konnte.
"Hast du...ähm...hast du Lust nachher mit uns einen Spaziergang zu machen, vielleicht ein Eis essen gehen?" Ich fühlte mich wieder wie ein Teenager. Nervös knibbelte ich an der Nagelhaut meines Daumens. "Ich würde sehr gerne den Tag mit euch verbringen." Dann stoppte er meine nervöse Geste indem er meine Hand in seine nahm und sanft mit seinem Daumen über mein Handgelenk strich. Wir sahen uns in die Augen und wieder war es als würde die Zeit stehen bleiben. Ich verlor mich in seinen tiefen ozeanblauen Augen. Ein klares Blau indem ein Sturm aus Emotionen tobte. Ich könnte den Rest meines Lebens damit verbringen darin zu schwimmen.
Seine Hand fand den Weg auf meine Wange, sein Daumen strich zart über meine Haut.
"Darf ich dich küssen?" raunte er. Und für eine Sekunde senkte sich sein Blick auf meine Lippen.

Ich kam nicht dazu zu nicken.
Ein lautes Klirren durchbrach unseren Moment.

"Oh neeeiiin....mein Joghurt!" wimmerte Thommy und blickte auf die zerbrochene Schüssel auf dem Boden.
"Spätzchen....was machst du denn?" seufzte ich und fing schnell an die Scherben zusammen zu räumen. 
"Ist mir einfach aus der Hand gerutscht, tschuldigung Mommy."
"Thommy, Schüsseln und Teller sollten doch auf dem Tisch stehen bleiben. Man nimmt nur das Besteck in die Hände. Das weißt du doch." Ich warf ihm einen strengen Blick zu.
"Tschuldigung, hab ich vergessen." traurig schob er seine Unterlippe nach vorne.
"Ist schon gut Kleiner, aber das nächste Mal denkst du daran, versprochen?" Lance wuschelte ihm durch die Haare und wischte die kleine Sauerrei mit einem feuchten Lappen auf. Thommy nickte daraufhin und schaute uns dann etwas verlegen dabei zu, wie wir das Schlamassel beseitigten.
"Magst du einen neuen Joghurt oder lieber etwas Toast? Lance möchtest du auch etwas essen?"
Da die beiden eifrig nickten und Thommy nun doch lieber etwas anderes wie Joghurt mochte, bereitete ich uns ein schnelles Frühstück mit Rührei, Avocado und Buttertoast zu. Währenddessen sprang Lance schnell unter die Dusche. Aber nicht ehe er mir doch noch einen kurzen Schmatzer auf die Lippen gab.
Meine Wangen brannten und das Lächeln würde ich heute wahrscheinlich nicht mehr los werden. In meinem Bauch wimmelte es nur so von Schmetterlingen. Dieses Gefühl konnte nur Lance in mir auslösen. Ich hatte zwar in den letzten Jahren nicht wirklich viel Kontakt zu anderen Männern in dieser Hinsicht gehabt, trotzdem war mir vollkommen klar, dass nur der Vater meines Sohnes jemals einen solchen Einfluss auf meinen Körper und meine Gefühle hatte. Ich hoffte nur, dass es Lance in dieser Hinsicht genauso erging wie mir.
Nach dem Frühstück wollte Thommy etwas malen,solange ich mich für den Spaziergang anzog und einen kleinen Picknickkorb richtete.

Wenig später gingen wir dann endlich gemeinsam Richtung Wald. Das Wetter war herrlich, nicht zu warm und nur ganz leicht schwül. Thomas hielt seinen Vater ganz schön auf Trapp. Gefühlt alle zwei Meter entdeckte er etwas neues unheimlich interessantes und Lance musste natürlich alles genau inspizieren. Insgeheim war ich sogar etwas froh, dass nicht ich diejenige war, welche der kleine Racker umher scheuchte. Ich konnte die Stille des Waldes und die Natur voll und ganz genießen.
Der Tag war wunderschön. Wir erkundeten das Flussufer, Thommy tobbte sich auf dem kleinen Spielplatz aus, Pause machten wir auf einer schönen Lichtung während eines köstlichen Picknicks. Auf dem Rückweg gönnten wir uns alle einen großen Eisbecher. Während der ganzen Wanderung hielten Lance und ich, wie Teenies, Händchen, küssten uns kurz wenn Thommy nicht hinsah. Trotzdem kamen wir nicht dazu über den gestrigen Abend zu sprechen und auch nicht darüber, wie es in Zukunft weiter gehen würde.

"Er ist sofort eingeschlafen. Der kleine Entdecker war fix und fertig." Wieder saßen wir auf der Terrasse und nippten an unserem hausgemachten Pfirsicheistee. "So war ich als kleiner Junge auch. Ich war nicht zu bändigen, deswegen haben mich meine Eltern irgendwann zur Leichtathletik gebracht, damit ich meine Energie los wurde." erzählte Lance während ein kleines Lächeln seine, für mich so verlockenden, Lippen umspielte.
"Lance, wir müssen darüber sprechen wie das Alles jetzt weitergehen soll. Es ist wichtig, für mich, für dich aber vorallem für Thommy. Ich will dir nicht noch mehr Zeit mit ihm nehmen wie ich es eh schon getan habe." sprach ich, aber ich konnte ihm bei diesen Worten nicht wirklich in die Augen sehen. Das schlechte Gewissen fraß mich noch immer auf.
"Ich weiß." Sagte er knapp und ich konnte die Enttäuschung in seiner Stimme hören. Ich wusste es würde noch sehr, sehr lange dauern bis Lance mir deswegen verzieh. Ich hoffte nur, dass es irgendwann passieren würde.
"Es tut mir leid." flüsterte ich. "Ich wünschte ich könnte meine Fehler rückgängig machen, ich wünschte ich hätte dir das nie angetan."
"Gaby, hör auf. Es ist jetzt so. Und wir können beide daran nichts mehr ändern auch wenn wir uns noch so sehr wünschen, dass es anders gelaufen wäre." Ich konnte nicht begreifen wie er nur so ruhig bleiben konnte. Geschweige denn wieso ich es verdient hatte, dass er jetzt meine Hand nahm und sanfte Küsse darauf verteilte. Mit der ersten Berührung seiner Lippen auf meiner Haut stand mein Körper bereits in Flammen. Auch wenn sich alles in mir dagegen wehrte, so musste ich das Gefühl jetzt unterdrücken. Dieses Gespräch war wichtiger als alles Andere.
"Wie soll es weiter gehen?" Fragte ich etwas forsch und entzog ihm meine Hand.
"Ich weiß es nicht. Ehrlich. Ich würde ja sagen kommt nach Washington aber dass wäre wohl zu krass. Du und Thommy habt euer Leben in New York und ich meines in DC. Ausserdem wäre es bestimmt etwas schräg, wenn ihr beide gleich bei mir einziehen würdet. Mal ganz davon abgesehen, dass meine Wohnung viel zu klein ist." Während er sprach zog er mich wie selbstverständlich in seinen Arm, legte seine Hand auf meinen Oberschenkel und zog mit seinem Daumen sanfte Kreise darauf.
"Nein, das wäre wohl wirklich etwas zu viel auf einmal, besonders für Thommy. Und auch wegen uns, ich meine du weißt schon." stammelte ich.
"Was weiß ich Gaby?"
"Naja, das mit uns."
"Was soll mit uns sein? Ist da irgendetwas für dich nicht klar?"
"Äähm.....nein?"
"Ist dir nicht klar, dass ich dich nach all der Zeit immer noch liebe, dass ich dich nach all den Jahren nie vergessen konnte. Ist dir nicht bewusst, dass ich trotz dem was du getan hast immer noch verrückt nach dir bin. Nein Gaby, ich liebe dich, ich habe wie du nie wirklich damit aufgehört. Verdammt Gaby du hast mir einen perfekten Sohn geschenkt, hast dafür gesorgt, dass er gut erzogen ist und mir nicht vorwirft dass ich nicht da war, aus welchen Gründen auch immer. Wir lieben uns und wir sollten uns jetzt endlich darüber klar sein, dass jetzt, genau jetzt der Zeitpunkt ist alles hinter uns zu lassen. Jetzt beginnt unsere gemeinsame Zeit und ich werde dich bestimmt nicht wieder gehen lassen."
Und dann zog er mich so abruppt an seine Lippen, dass ich gar keine Zeit hatte darauf zu reagieren.
Natürlich hatte er recht.

The Girl next DoorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt