🐻 Part I

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Urlaub mit der Familie, nur weil er erst siebzehn war. Das war deprimierend, gleichzeitig aber auch perfekt, denn er liebte solche Unternehmungen. Eigentlich. Meistens. Nur manchmal da hatte er dann doch ein wenig Angst davor, was war, wenn sie die Wahrheit über ihn erfuhren.

Ihm war klar, dass die Dinge einfacher wären, wenn er nicht alles mit sich alleine ausmachen würde, wenn er sich jemanden anvertrauen würde. Nur gab es absolut niemanden, dem er so sehr vertraute. Seine Mom hatte manchmal sehr mittelalterliche Ansichten, weshalb er auch davor zurück schreckte mit ihr zu reden, obwohl sie sonst eine tolle Mom war. Seinen jüngeren Geschwistern und ihrem Vater stand er zwar nah, aber so nah dann doch nicht und nach der Sache, die sein Cousin Peter abgezogen hatte...  Er wollte lieber nicht daran denken, geschweige denn sich richtig daran erinnern. Ein Tritt in die Eier, direkt aus den eigenen Reihen. Unmöglich also vor ihnen offen zu sein. Und dennoch... Sein Kopf war so voll, seine Schultern trugen eine unvorstellbare Last. Mehr, als er in seinen jungen Jahren eigentlich schultern sollte, aber vielleicht war das der Preis dafür den eigenen Traum zu leben.

Vielleicht war seine verborgene Existenz das, was es kostete.

Vielleicht...



„Lucy hat erzählt, dass sie jetzt in so einem Forum aktiv ist", berichtete sein Bruder gerade mit Händen und Füßen von seiner besten Freundin.

„Ach ja? Braucht sie bei irgendwas Hilfe und ist sie dafür nicht noch ein bisschen zu jung?", hakte sein Vater interessiert nach und animierte Thomas damit dazu munter weiter zu plappern.

Wenn er das mit einem Ohr richtig aufschnappte, ging es wohl um irgendeinen Backblock.

Aufregend.

Ihm selbst kam allerdings der Gedanke, dass die Anonymität des Internets ziemlich verlockend war und durchaus ihre Vorteile mit sich brachte.

Vielleicht war das ja auch was für ihn. Eine kurze Recherche später hatte er tatsächlich etwas gefunden, dass ihm zusagte und wo er sich erst einmal genauer umsah.

„Was treibst du da eigentlich, die ganze Zeit am Telefon?", wollte seine kleine Schwester kurze Zeit später dann natürlich auch neugierig wissen und er watschte sie mit einem genervten "geht dich nichts an" ab. Das fand, welch Überraschung, seine Mutter natürlich wieder überhaupt nicht toll.

Wahrscheinlich war es pures Glück, dass er sein Telefon behalten durfte.

Wahrscheinlich setzte er auch deshalb spontan einen Post ab.

Niemals hätte er damit gerechnet plötzlich mit einer Flut von dubiosen Angeboten und Bildern überschwemmt zu werden.

Dabei verging einem doch wirklich alles.

Er hatte doch eigentlich nur auf einen netten Kontakt gehofft.

Stattdessen bekam er Dinge zu sehen, die er gar nicht sehen wollte. Frustriert, dass das so nach hinten losgegangen war, wollte er sein Telefon gerade zurück in seine Hosentasche schieben, als eine neue Nachricht auftauchte.



„Hallo 🐻,

wenn ich deine Worte lese, erkenne ich mich selbst in ihnen. Auch von mir darf niemand jemals erfahren. Ich kann dich also gut verstehen und bin vielleicht wirklich in der Lage der Zuhörer zu sein, den du suchst. Falls du also wirklich beschließt, dass diese anonyme Hilfe das Richtige für dich ist und du nicht lieber vielleicht doch erst das Gespräch mit deiner Familie suchen willst, bin ich hier. 🐨"



Das klang nett, war wahrscheinlich aber erneut nur ein Versuch ihn einzulullen. Dennoch entschied er sich dazu zurückzuschreiben. Nur weil die Welt nicht höflich war, musste er das ja nicht auch sein.

KoalabärenküsseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt