01 - Deutschland

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Zum letzten Mal setzte ich mich neben meine Cousine Dalila auf die Bank und sah die große Weide an. Einige Kühe fraßen hier das Gras und Kinder spielten glücklich miteinander.

Heute ist mein letzter Tag hier, klar werde ich in den Ferien wieder kommen, aber das ist nicht das Gleiche. Schon morgen werde ich in Deutschland sein, wenn es keinen allzu labgen Stau geben wird.

Ich lebe in Bosnien, in einem Dorf mit meiner Mutter. In der Schule hab ich Deutsch gelernt, und ich war ein Paar Mal in Deutschland, meinen Vater, Bruder und meine Schwestern zu besuchen, deswegen beherrsche ich die Sprache wie meine Muttersprache. Ich selber habe nur drei Jahre dort gelebt, da war ich aber sieben Jahre alt. Also ist das schon einige Jahre her.

,,Wo ist Semira, eigentlich?", fragte mich meine Cousine.  Semira ist meine Zwillingsschwester. Obwohl wir eineiige Zwillinge sind, unterscheiden wir uns doch sehr stark, da ich meistens gute Laune habe und meine Familie und Freunde gerne mit lustigen Beiträgen unterhalte. Semira dagegen hat manchmal gute und manchmal schlechte Laune, dies lässt sie sich auch anmerken.

Bei Jungs bin ich eher die Schüchterne, Semira nicht. Sie hatte schon mehrere feste Freunde und ist sogar gerade in einer Beziehung.

Semira und ich unterscheiden uns außerdem noch mit unseren Augenbrauen, da ihre eine andere Form haben und wir haben eine andere Lippenform. Dazu befindet sich noch ein Muttermal an ihrem Kinn.

,,Ljubavi (Schatz), ich werde dich so vermissen", gestand mir meine Cousine. Die Kinder hier im Dorf können auch alle deutsch, sie lernen es auch in der Schule und fast Jedem macht der Deutschunterricht Spaß.

Mit Dalila wird es mir schwer fallen mich zu verabschieden, da wir es gewohnt sind, jeden Tag zusammen zu sein. ,,Ich dich auch." Ich streichelte meinen kleinen süßen Hund Romeo, den ich auf jeden Fall mit nach Deutschland nehmen werde, als ich plötzlich von meiner Zwillingsschwester Semira, die vom Balkon aus laut meinen Namen rief, unterbrochen wurde.

,,Sta je? (was ist?)", fragte ich sie und wartete auf eine Antwort. ,,Komm du musst noch die Sachen von Edo packen." Edin, also Edo, ist unser kleiner fünf jähriger Bruder und somit das jüngste Kind meiner Mutter.

Ich ging ins Haus und fing an in Edin's Zimmer seine Sachen einzupacken.

,,Warte, ich helfe dir.", sagte Edo und gab mir paar von seinen Sachen. Ich liebe meinen kleinen Engel. Während er ein Shirt in seinen Koffer tat nahm ich ihn einfach in meine Arme und kitzelte ihn an seinem Bauch. Daraufhin fing er an laut zu lachen.

,,Boah, pack mal endlich den Koffer, ich will endlich hier weg.", störte meine neunzehn jährige Schwester Semina uns. Sie ist ein richtiges Stadtkind. Sie lebt schon seit einigen Jahren in Deutschland. Während mein Vater, mein Bruder und Semira uns in den Ferien oft besuchen kommen, kommt Semina eher selten und wenn dann ungewollt.

„Wenn dir unser Packtempo nicht passt, dann mach es doch besser. Bitteschön." Okay zugegeben, meine ausgesprochenen Worte waren respektlos und frech, da sie zwei Jahre älter ist.

Semina, die an der Tür stand, stöhnte nur genervt und ging davon. Vielleicht ist auch der Vorbereitungsstress ihrer Hochzeit der Grund für ihre Nervosität.

Nach zwei Stunden waren wir fertig und ich ging runter in die Küche. Ich musste noch Essen für die Fahrt zubereiten. Ich packte die selbstgemachten Bureke in Allufolie ein, als Fatih Abi von oben zu mir angerannt in die Küche kam.

,,Darf ich probieren?", fragte er mich von hinten.  ,,Nein geh weg das, ist für die Fahrt"

,,Oh komm schon"

,,Ne-in", und versuchte ihn weg zu schubsen, doch er blieb hartnäckig und versuchte an mir vorbei zu gehen. ,,Na gut. Aber nur ein klitze kleines Stückchen." Ich riss von dem Burek ein kleines Stück ab und teilte es durch zwei. Eins gab ich ihm und eins aß ich selber.

Das Mädchen vom DorfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt