9 | Livie

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Traurig trat ich in die Pedale

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Traurig trat ich in die Pedale.
In der Schule hatte Claire mich keines Blickes gewürdigt.
Wie auch. Verständlich.

Wie in aller Welt war ich darauf gekommen, gestern abzuhauen? Noch immer könnte ich mich steinigen dafür.
In diesem Moment waren mir meine Probleme bloß so unfassbar kleinlich vorgekommen.

Zwei Mädchen sitzen verzweifelt da.
Eine hat die Mutter verloren, einen unverständlichen Vater und fadenscheinige Freunde.
Die andere hat eine wunderbare Familie, sogar noch alle Großeltern, perfekte Freunde und nur ein paar „man sieht mich nicht"-Komplexe.

Peinlich.

Aber jetzt wirkte ich vor Claire total oberflächlich.
Warum, warum warum?
Verbissen fuhr ich durch die Straßen, von außen sah es vermutlich aus, als würde ich irgendeinen Rekord aufstellen wollen.

Als ich zuhause ankam, hatte sich meine Wut ein wenig verringert, nun war ich nur noch darauf aus, meine Tat wieder gut zu machen.
Ich warf mich auf mein Bett und packte mein Handy aus.
Während ich verschiedene „es tut mir leid"-Nachrichten an Claire, deren Nummer ich mir aus dem Klassenchat kopiert hatte, verfasste und wieder löschte, bekam ich eine Nachricht.

Marine: Hey Mädels, verbringen wir den Abend zusammen? Es ist Wochenende :DDD

Sophie: Yayyy! Wie lang haben wir uns nicht mehr zu dritt getroffen?

Marine: Das war VOR den Ferien!

Ich seufzte. Eigentlich hatte ich wirklich Lust auf einen Mädelsabend.
Aber meinen Abend musste ich anders verbringen.
Ich hatte etwas gut zu machen.

Bedauernd sagte ich meinen besten Freundinnen ab, die mich aber sofort für den Samstag einplanten, ohne Fragen zu stellen.
Ich lächelte. Über Marine und Sophie konnte ich mich wirklich nur freuen. Sie akzeptierten, wenn ich ein Geheimnis hatte, waren aber trotzdem immer für mich da.

Ich schaltete mein Handy aus und blickte auf die Uhr.
18:23 Uhr.
Jetzt könnte sie da sein.

Ich roch den Lavendel schon, bevor ich ihn sehen konnte. Das große Feld verströmte einfach einen so intensiven Geruch, dass man nicht mal mehr die Abgase roch.

Die letzten Male war ich gehetzt hierher gekommen, voller Wut.
Jetzt war ich ganz leise und bedächtig, fast, als liefe ich über dünnes Eis.
Ich lehnte mein Fahrrad an einem Baum am Rande des Feldes.

Ganz still war es auf dem Feld.
Es schien, als hätte der Lavendel all die Stadtgeräusche, aber auch all die Unruhe verschlungen.
Es hatte Gründe, warum ich diesen Platz so mochte.

Die beruhigende Stille war das erste gewesen, dass mir aufgefallen war, als ich das Lavendelfeld erreicht hatte.
Jetzt, als ich mich neben dem Baum, der so ganz einsam auf dem riesigen Feld stand und der Claire's und mein „Begegnungspunkt" gewesen war, niederließ, fiel mir etwas zweites auf.

Ich war allein.
Shit.
Wollte Claire jetzt wirklich nichts mehr mit mir zu tun haben?
Verständlich, zischte eine Stimme in meinem inneren. Du hast sie hängen lassen.

Noch vor ein paar Tagen hätte ich meiner inneren Stimme geglaubt und Claire für das oberflächliche Mädchen gehalten, dass nun vergrault war.

Doch gestern hatte ich eine andere Claire kennen gelernt. Eine, die sich sorgte, die jemandem ihr Herz ausschütten wollte.
Und wenn ich an jene andere Claire dachte, erfüllte mich doch noch Hoffnung, dass sie kommen würde.

Ich legte mich in Gras, verschränkte meine Arm hinter meinem Kopf und blickte am langen, dicken Stamm des Baumes in den Himmel hinauf.
Und wartete.

Eigentlich sind Bäume ja faszinierend, dachte ich, während ich den Baum genauer betrachtete.
Beruhigend waren sie auch. Die Erde veränderte sich, doch die Bäume standen da, hunderte von Jahren, geduldig.

Ich wandte den Blick ab und drehte mich auf den Bauch, um eine Sicht auf den Eingang des Feldes zu haben.
Mein Blick fiel auf mein Handy.

19:07 Uhr.
Würde Claire noch kommen?
Du hättest es nicht verdient. Du hast es vermasselt, steuerte die Stimme in meinem Inneren bei.
Und diesmal hörte ich auf sie.

Claire würde nicht mehr kommen.
Ich hatte es verhauen.

 Ich hatte es verhauen

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