12 | Claire

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Wurzeln waren kacke

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Wurzeln waren kacke.

Besonders dann, wenn sie genau dort lagen, wo du deinen Rücken zum Schlafen ablegen wolltest.
Leider hatte ich abends meinen Schlafplatz nicht genauer untersucht, und damit die dicke Wurst von Wurzel übersehen, die direkt neben mir gewesen war.
In der Nacht hatte ich mich ein wenig hin und her gerollt und so kam es, dass ich mit einem dicken roten Striemen am Rücken aufwachte.

Wirklich viel Schlaf hatte ich zugegebenermaßen nicht abbekommen, da ich von hartnäckigen Vögeln und doch etwas Kälte um halb sechs Uhr morgens geweckt worden war.
Doch dafür hatte ich live miterlebt, wie die Sonne auf den Himmel kletterte und das Lavendelfeld in ein goldenes Licht tauchte.

Und das machte irgendwie alles wieder wett.

Eine Weile betrachtete ich das Feld, das im Morgenlicht lag. Es sah fast zu idyllisch und kitschig aus, fast wie auf den Postkarten, die in all den vollgestopften Tabakläden zu kaufen waren.
Ich lächelte, eigentlich hatte ich immer gedacht, dass diese Bilder mit einem Filter gemacht worden waren. Aber genauso sah es hier aus.

Doch was sollte ich jetzt machen?
Die vernünftigste Lösung wäre vermutlich gewesen, nach Hause zu fahren und mich zu entschuldigen. Aber ich hatte gerade einfach keinen Nerv für die beiden Turteltäubchen.
Und wahrscheinlich hatten sie mich gar nicht vermisst sondern die Gelegenheit genutzt, miteinander intim zu werden.
Bei dem Gedanken kam mir die Galle hoch.

Wenn ich also nicht nach Hause wollte, hätten andere Mädchen vermutlich ihre beste Freundin angerufen und hätten bei ihr campiert. Aber irgendwie hatte ich nicht das Gefühl, eine „beste Freundin" zu haben. Die halbe Schule hätte über diesen Gedanken gelacht, da ich in der beliebtesten Clique der Schule war, aber gerade nach dem Abend in der Bar war ich eher auf Abstand mit meinen Freundinnen gegangen. Ich war unglaublich froh, dass ich Zeit mit ihnen verbringen konnten, aber wenn ich ehrlich war, waren sie nicht wie ich.

Kurz schob sich die Vision einer besten Freundschaft mit Livie vor mein inneres Auge, wie ich jetzt zu ihr gehen würde, zu ihrer Familie, die sowieso schon fast meine eigene wäre.
Aber das war irreal und vor allen Dingen dumm. Livie war immerhin so verlogen, dass sie noch immer nicht mit mir gesprochen hatte.

Aber andererseits kam sie mir so echt vor. Sie versteckte sich nicht, sondern sie war, wie sie war. Damit war sie vielleicht nicht total beliebt, aber sie blieb sich treu.
Wenn ich ehrlich war, bewunderte ich sie dafür. Ich war froh, meine Freundinnen zu haben, denn mit ihnen macht ich automatisch alles richtig.
Sie gaben vor, was richtig und was falsch war.

Livie machte nicht alles richtig. Aber es war ihr auch egal, sie erschuf ihre eigene Definition von „richtig". Und das tat sie nicht so aufbrausend wie Marine oder so schüchtern wie Sophie, sondern mit einer grundlegenden Selbstverständlichkeit und Ehrlichkeit.

Und das brach sich eigentlich mit ihrem Auftreten am Lavendelfeld. Dieses plötzliche Wegrennen passte nicht zu ihr. Warum, warum verdammt nochmal hatte sie das gemacht? Mochte sie mich einfach nicht? Hatte sie einen schlechten Tag gehabt? Was war mit ihr los?

Immer wieder stellte ich mir diese Fragen, obwohl ich eigentlich wusste, dass es nur eine Möglichkeit gab, wie ich an Antworten kommen konnte.
Ich musste Livie eine zweite Chance geben.

Und mit diesem Entschluss zog ich mein Handy aus meiner Tasche und recherchierte so lange, bis ich Livies Adresse herausfand.
Meine Navigationsapp zeigte mir die zuversichtliche Wegzeit von zehn Minuten an, also stand ich auf und machte mich auf den Weg, Livie zur Rede zu stellen.

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