„Und daher können wir das berechnen!", strahlend sah unser Physiklehrer uns an. Er war immer so voller Begeisterung, wenn es um Physik ging und aus irgendeinem Grund glaubte er, dass wir das auch waren. Schön und gut, wenn ihm die Lösung dieser Gleichung seinen täglichen Motivationsschub gab - mir nicht.
Mit den Worten: „Lasst euch das mal durch den Kopf gehen, das ist faszinierend!", entließ er uns endlich in die Pause.
„Lasst euch das mal durch den Kopf gehen!", äffte Alice ihn nach, sobald wir auf dem Schulhof standen. „Fascinant", fügte Lilou sarkastisch hinzu.
„Überhaupt, Physik! Wer braucht den so etwas?", regte Désirée sich auf. „Ja, wirklich!", pflichtete Elaine ihr bei. „Inutile."Die allgemeine Stimmung beruhigte sich wieder ein wenig, als wir auf den Schulkiosk zu schlenderten und sahen, dass es noch Schokodonuts gab.
„Yasss!", jubelte Chloé und auch alle anderen sahen mehr als befriedigt aus, als sie einen Donut in der Hand hielten.Fabienne blickte zu ein paar anderen Mädchen aus unserer Klasse. „Schaut mal: Marine, Livie und Sophie", bemerkte sie. „Die sind 14 und essen immer noch ihr von zuhause mitgebrachtes Brot!"
„Vraiment?", fragte Chloé. „Das, was ihnen ihre Mami gemacht hat?" Sie lachte.Mittlerweile sahen wir zu Zehnt zu den dreien hinüber, was Sophie und Livie leicht zu verunsichern schien. Marine funkelte uns bloß böse an. Doch Livie schien sie zu beruhigen und sie verzogen sich aus unserem Blickfeld.
„Haha, wir sind halt mehr!", lachte Désirée und auch einige der anderen stiegen ins Lachen mit ein.
Auch ich versuchte ein Lächeln, was misslang. Wenn ich ehrlich war, hielt ich diese Lästereien für unnötig. Wie waren schließlich mit 14 auch eigentlich zu alt für so etwas. Aber es war halt eine von Chloéˋs Charaktereigenschaften, hatte nicht jeder gute und schlechte Seiten?Außerdem hatte Desirée irgendwie recht, wir konnten es uns erlauben. Dass ich zu diesem „wir" gehörte machte mich noch immer ein wenig stolz. Ich wusste nicht, warum die Clique mich aufgenommen hatte, aber sie hatten etwas zu sagen an dieser Schule und so hatte ich es irgendwie auch.
Mit einem letzten Anflug von Schuldbewusstsein blickte ich zu unseren Mitschülerinnen, die eigentlich ganz nett aussahen, hinüber, dann hakte sich Desirée bei mir ein und wir liefen zu Sport.
Sport war deutlich interessanter als Physik und so verflog diese Stunde auch schneller. Und da wir, wie an einem Mittwoch üblich, keinen weiteren Unterricht hatten, schlenderten wir nicht viel später zu den Fahrradständern.
„Whoohoo, schon den zweiten Schultag überlebt!", jubelte Alice und ich grinste.
„Wollen wir wieder was zusammen unternehmen?", fragte Chloé. „Vielleicht diesmal auch mit dir, Claire?"
„Wir könnten shoppen gehen", schlug Désirée vor.Chloè blickte mich an. Sie war es gewesen, die mich bei der Einschulung angesprochen hatte, ob ich nicht mit ihrer Clique zusammensitzen wolle und sie war es gewesen, die mich als hübsch betitelt hatte und mir neues Selbstvertrauen eingeflößt hatte.
„Wieso nicht?", meinte ich also und lächelte die beiden an. Zuhause würde ich doch sowieso nur wütend rumhängen.
„Ich muss nur noch Geld holen."„Nicht nötig", meinte Desirée und machte eine Geste in Richtung ihres Geldbeutels.
Auch wenn er noch im Schulranzen verstaut war, wusste ich, wie dick er war. Desirées Vater war ein erfolgreicher Immobilienmakler, der es finanziell so weit gebracht hatte, dass Désirée sich wohl zu Lebzeiten keine Sorgen Geld wegens machen musste.Dankend blickte ich sie an. Désirée ahnte wohl, dass es bei mir nicht immer so glatt lief und unterstützte mich deshalb öfter.
„Merci, du bist die Beste!", rief ich und drückte sie.Nachdem Désirée die Selbstverständlichkeit dieser Tat erläutert hatte, liefen wir gemeinsam zum Bahnhof.
Ich hatte meinen Vater nicht gefragt, ob ihm dieser Ausflug recht war. Aber hatte er mich jemals gefragt ob mir die einsamen Nachmittage und Abende recht waren?
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Lavendelträume
Novela JuvenilWer entscheidet eigentlich, wer cool ist und wer nicht? Wer entscheidet, wer beliebt ist? Und wer ist so tief gefallen, dass er sich davon beeinflussen lässt? In der Schule haben Claire und Livie nichts miteinander zu tun, sie leben aneinander vorbe...