Vor meinem Haus stand Claire Durand.
Die Claire, die ich vergrault hatte.
Die Claire, die mich in der Schule keines Blickes würdigte.
Die Lavendelfeld-Claire mit der kaputten Familie.Sie stand vor meinem Gartentor und schenkte mir ein schiefes Lächeln.
„Ich glaube", sagte sie als ich vor ihr stand, „wir sollten mal reden".Warum wir nicht einfach in mein Zimmer gingen oder uns meinetwegen auf die Straße setzten, warum wir wieder zum Lavendelfeld gingen, das wusste ich auch nicht so wirklich.
„Bessere Atmosphäre", hätte Claire mit ihrem neuartige schiefen Grinsen wohl gesagt. Ich hätte eher kitschiger argumentiert: „Da hat alles angefangen".Aber egal warum, wenig später ließen wir uns wieder zwischen den duftenden Blüten auf den staubigen Boden gleiten.
Die Sonne stand schon tief am Himmel und tauchte das Feld in ein goldenes Licht.Die wenigen Bäume warfen lange Schatten auf die Sträucher und die Blüten schienen durch das Licht zu glühen. In der Luft lag wie immer der berauschende und dominante Duft des Lavendels, unter den sich der Geruch einiger frischer Kräuter mischte, die ihr und dort wucherten. Vereinzelt waren ein paar Vogelstimmen zu hören, ansonsten war es ganz ruhig.
Die Abendsonne ließ Claires lange, blonde Haare leuchten und wieder einmal fiel mir auf, wie hübsch sie eigentlich war. Sie trug ein weißes Top, dass schon lange nicht mehr weiß war, aus welchem Grund auch immer. Die schmutzigen Striemen wären bei jedem anderen abstoßend oder komisch gewesen, bei Claire fielen sie gar nicht auf. Dieses Mädchen war von innen heraus wunderschön.
Sie blinzelte in in die Sonne und fragte dann: „Und magst du es mir jetzt erzählen?"
Diese Frage verwunderte mich. Ich hätte erwartet, das Claire mich fragen würde, warum ich weggelaufen war, hatte mit Vorwürfen gerechnet.
Aber so durchschaubar war dieses Mädchen wohl bei weitem nicht.Und so erzählte ich es ihr.
Es tat gut, mich bei Claire auszuschütten, denn sie interessierte mich wirklich dafür, was ich sagte.
Ihre makellose Stirn kräuselte sich leicht und sie schürzte die geschwungenen Lippen, wenn sie etwas an meiner Erzählung empörte oder verärgerte.
Sie nickte heftig, sodass ihre Haare wippten, wenn sie mir zustimmte.Das führte dazu, dass es mir leicht fiel ihr alles zu erzählen, auch, warum ich weggelaufen war.
Und meine ehrliche Erzählung löste bei ihr wohl so etwas wie Verständnis aus.„Und deshalb: Es tut mir leid - Ehrlich", endete ich.
„Nein, mir tut es leid. Ich hätte...", Claire schüttelte ärgerlich den Kopf, „ich hätte schon viel früher auf die zu gehen sollen. Das war echt kindisch von mir."
Jetzt war ich es, die heftig verneinte. „Du? Du hast doch gar nichts falsch gemacht. Ich hätte einfach ehrlich zu dir sein sollen."
Gerade wollte Claire wieder etwas erwidern, da wurde uns wohl beiden bewusst, wie unnötig diese ganze Diskussion eigentlich war. Wie unnötig dieses ganze Missverständnis doch eigentlich war.
Und dann passierte etwas, das hätte ich mir noch vor zwei Stunden nicht mal vorstellen können.
Wir brachen beide gleichzeitig in Lachen aus.
Und es fühlte sich verdammt gut an, mir Claire zu lachen. Zu sehen, wie ihre Mundwinkel nach oben wanderten und ihre Augen belustigt blitzten.Ich wusste nicht wirklich, was jetzt war. Waren wir Freunde, Bekannte? Hatte sich etwas verändert, wo wir doch eigentlich in der Schule nichts miteinander zu tun hatten?
Ich spürte, dass ich hoffte, dass sich etwas verändert hatte. Ich hoffte, dass ich Claire irgendwie wichtig geworden war, egal auf welche Weise. Ich wollte das Mädchen mit den leuchtenden Haaren und den blitzenden blauen Augen wiedersehen.

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Lavendelträume
Ficção AdolescenteWer entscheidet eigentlich, wer cool ist und wer nicht? Wer entscheidet, wer beliebt ist? Und wer ist so tief gefallen, dass er sich davon beeinflussen lässt? In der Schule haben Claire und Livie nichts miteinander zu tun, sie leben aneinander vorbe...