Tanz Aus Der Reihe - 9

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Johannes

Es ist ein besonderes Gefühl, neben Clueso zu liegen; anders zu liegen als früher, als sie zum Beispiel für Songwriting Sessions nur ein Hotelzimmer mit zwei Betten gebucht hatten. Er liegt in Cluesos Halsbeuge, seine linke Hand ruht auf Cluesos Bauch, verirrt sich ab und zu unter das T-Shirt, fühlt die warme Haut, die Muskeln und die ruhigen Atemzüge des Mannes neben ihm. Johannes' Herz schlägt warm, er genießt die Ruhe, die ihn erfüllt, die träge Müdigkeit. Natürlich kreisen Gedanken durch seinen Kopf, ob diese Innigkeit jetzt viel zu früh kam, aber es war unfassbar gut und in diesem Moment genau richtig. Er ist dankbar, dass Clueso nicht weiter gegangen ist, dass er in jeder Sekunde genau zu spüren schien, was too much gewesen wäre. Er bereut gar nichts und ihm ist sehr bewusst, dass er eigentlich gar nicht aufstehen will.
»Musst du auch nicht«, schmunzelt Clueso gegen seine Schläfen und Johannes stöhnt leise, weil er wohl laut gedacht hat. »Kannst ja einfach hierbleiben.«
Johannes schaut auf, Clueso beugt sich vor und küsst ihn kurz. »Werd ich schon«, erwidert er leise. »Hatte nicht vor abzuhauen.«

»Gut«, antwortet Clueso schläfrig. Aber dann räuspert er sich doch noch mal. »Wie... geht's jetzt weiter bei dir? Also bis Hamburg und so?«
»Hm, ich wollt eigentlich ein paar Tage nach Hause, wenn wir schon als nächstes in Hamburg auftreten«, meint Johannes. »Danach dann bis Ende September noch die letzten Konturen-Open Airs. Die nächste Tour ist dann erst nächstes Jahr. Bei dir?«
»Ich hab übermorgen ein Festival, aber dann wollte ich auch schon nach Hamburg, ja«, nickt Clueso. »Nach Hause erst wieder danach. Ja, und dann die Tour bis Ende Oktober. Danach ist erstmal wieder Pause... die brauch ich dann sicher auch. Ich weiß ja noch nicht, wegen Sing meinen Song und so.«
Johannes muss leise lachen. »Weißt du, eigentlich hatte ich mir nach Ina vorgenommen, jemanden zu finden, der nicht im Geschäft ist«, grinst er. »Jemanden, der zuhause ist, wenn ich nach Hause komme.«
»Hat ja super geklappt«, bemerkt Clueso belustigt. Dann legt er den Kopf schief. »Kannst es dir ja noch überlegen.«
»Bring mich nicht auf Gedanken«, gibt Johannes zurück. »Gerade fühlt es sich ziemlich gut an.« Er sagt nicht perfekt, dafür ist es noch zu früh. Aber er kennt Clueso gut genug und weiß, dass er es ihm nicht übelnimmt.
»Das genügt mir für's Erste«, lächelt Clueso prompt und legt erneut seine Lippen auf Johannes'.

Nachdem es 2019 nur ein Konzert gab und danach die Pandemie weiteren Touren einen Strich durch die Rechnung machte, sind die Konzerte der Sing meinen Song-Show jetzt überall ausverkauft, die Stimmung ist großartig. Es macht allen Künstlern unfassbar viel Spaß, auch wenn es mit ihren eigenen Konzerten dazwischen sehr anstrengend ist und Clueso und Johannes sich außer bei den Auftritten kaum sehen. Umso mehr genießt Johannes die gemeinsamen Duette und die Abende danach mit Clueso. Er spürt, wie gut es tut, nicht alleine zu sein, selbst wenn sie nur reden oder nebeneinander liegen und sonst nichts mehr passiert. Trotz ihrer engen Freundschaft waren sie so oft dann doch noch nie zusammen, auch wenn sie schon Nächte durchgequatscht oder auch durchkomponiert haben. Jetzt auf diese neue Art zusammen zu sein ist dann doch noch sehr ungewohnt.
Das Abschlusskonzert der Sing meinen Song-Staffel in München ist eine riesen Party, am Ende liegen sich alle lange in den Armen. Johannes muss beinahe grinsen, als Sag Tränen über die Wangen kullern; der Sänger war schon in Südafrika so sympathisch emotional. Aber auch Cluesos Augen sind ein wenig feucht und Elif, Floor und Lotte sieht man den Abschiedsschmerz an. Es ist wie bei jedem Tourabschluss - Johannes kann nicht glauben, dass es schon vorbei ist.
»Also, wenn du das Angebot Gastgeber zu sein, nicht annimmst, weiß ich ja auch nicht«, meint er, am Morgen nach dem letzten Konzert.
»Jahaa«, grinst Clueso zurück. »Es war schon mega. Ich überleg's mir ja.«
»Wie, ähm... soll's jetzt weitergehen?«, stellt Johannes dann doch die Frage, die ihn schon eine Weile beschäftigt.
»Also, ich spiele am 24., nächste Woche, in Hamburg«, meint Clueso nach einem Blick auf sein Smartphone.
»Da bin ich in Magdeburg«, seufzt Johannes. »Aber das ist mein Tourabschluss, danach bin ich sowieso zuhause.«
»Klingt gut«, meint Clueso. »Wenn du willst, bleib ich zwei Tage, dann muss ich nach Leipzig.«
Johannes nickt zufrieden. Damit kann er fürs Erste leben. »Machen wir so.«
Clueso küsst ihn vor dem Abschied noch einmal tief und Johannes fühlt, wie schwer es ihm fällt, zu gehen. Aber Clueso muss zum nächsten Konzert, er selbst sehnt sich nach Zuhause. »Hau schon ab«, seufzt Clueso schließlich. »Ist ja nur eine Woche.«

Eine Woche, die tatsächlich schnell vorüber geht, denn es gibt einiges zu tun. Die Vorbereitungen für sein neues Album sind in vollem Gang, die neuen Songs hat Johannes bereits vor der Tour eingesungen. Aber jetzt wird final gemixt, und natürlich ist er auch dort dabei. Am Abend, als Clueso sich angekündigt hat, klingelt sein Handy; Johannes hat sich extra vorher schon frei genommen, um in seiner Wohnung klar Schiff zu machen. Und natürlich um Zuhause zu sein, wenn Clueso kommt.
»Ina«, sagt er, nachdem er das Gespräch angenommen hat, verdutzt. Sie haben eine Weile gar keinen Kontakt mehr gehabt, Ina war mit Aufzeichnungen für ihre Sendung beschäftigt, und es tat gut, auf diese Weise einen wirklichen Schlussstrich zu ziehen. Auch wenn sie nicht im Bösen auseinander gegangen sind. »Lange nichts mehr gehört, wie geht's dir?«
Sie reden kurz, wie alte Freunde, und Johannes ist dankbar, dass Ina so cool mit allem ist. Etwas anderes hat er aber auch nicht von ihr erwartet. Er weiß, dass die Trennung auch sie beschäftigt hat, auf ihre Art. Kurz überlegt er, zu erzählen, dass es wieder jemanden gibt, schließlich ist Ina eine der wenigen Personen, die von seiner Bisexualität weiß, aber dafür ist das mit Clueso noch zu frisch. Und natürlich würde Clueso das wohl überhaupt nicht gefallen, so gut kennt Johannes ihn. Nicht, bevor sie endgültig geklärt haben, wer in ihrem privaten Umfeld Bescheid wissen soll.

»Ich muss dir noch was erzählen, unbedingt«, bricht es da begeistert aus Ina heraus.
»Schieß los, ich bekomm nur nachher noch Besuch«, lacht Johannes.
»Oh, da will ich gar nicht stören«, grinst Ina. »Ich weiß ja nicht, ob denen bei VOX klar ist, wen sie da wollen, aber ich hab eine Anfrage für die nächste Sing meinen Song-Staffel bekommen.«
Johannes stockt kurz. Natürlich gehört Ina längst in diese Show, aber nun möglicherweise ausgerechnet mit Clueso zusammen? Zwar hat Clueso immer noch nicht gesagt, ob er das Angebot nun annehmen will, aber die beiden zusammen auf den Sofas kann Johannes sich nicht wirklich vorstellen. »Also, ein bisschen mehr Begeisterung hatte ich mir schon erhofft, mein Lieber«, lacht Ina.
»Sorry, ich war gerade... ey, das freut mich mega«, sagt Johannes, und selbstverständlich freut er sich. Eine Einladung in diese Show ist immer besonders, er kennt dieses Gefühl ja selbst nur zu gut. »Du gehörst in diese Sendung. Wirst du zusagen?«
»Hab ich schon«, meint Ina begeistert. »Ich hab's doch bei dir mitbekommen, wie toll diese Show ist. Und wie irre viel Spaß es macht.«
»Sind sie sicher, dass sie dich nur als Teilnehmerin und nicht als Gastgeberin haben wollen?«, fragt Johannes belustigt und Ina bricht in lautes Lachen aus.
»Musst du wohl die Produzenten fragen«, erwidert sie. »Wurde ja auch Zeit, ich bin schon irre gespannt, wer alles dabei ist. Ich zwischen dem ganzen jungen Deutschpopgemüse... und dann sicherlich auf Englisch... das wird spannend. Dann will ich dich jetzt Mal in Ruhe lassen, aber du weißt, dass ich alles wissen will?«
Johannes grinst breit. Ja, so ist Ina. Genau diese offene Art hat ihn immer so sehr fasziniert - aber manchmal auch wirklich überfordert. »Schon klar«, gibt er zurück. »Vielleicht später irgendwann.« Er atmet einmal tief ein, nachdem sie aufgelegt haben. Aber bevor er nachdenken kann, klingelt es und sein Herz klopft schneller, als Clueso lächelnd vor der Tür steht.

Johannes hat sich noch gefragt, wie sie sich wohl begrüßen würden, aber Clueso kommt einfach auf ihn zu, legt seine Hände in Johannes' Nacken und küsst ihn. »Tut das gut, hier zu sein«, seufzt er.
»Hab dich tatsächlich vermisst«, murmelt Johannes in den Kuss. Und ja - er kann es nicht mehr leugnen. Sein Herz klopft schneller bei Clueso.
Clueso schaut ihm in die Augen. »Ich dich auch«, antwortet er. »Alles okay?«
»Ja«, nickt Johannes und beschließt, Clueso nichts von Ina zu sagen. Schließlich ist ja immer noch nicht sicher, ob er den Job als Gastgeber überhaupt machen wird. »Alles okay.«
»Die Shows waren der Knaller«, erzählt Clueso, während er seinen Koffer in Richtung Gästezimmer schiebt. »Es macht einfach wieder so irre viel Spaß, live zu spielen.«
»Ähm, du brauchst nicht mehr ins Gästezimmer«, schmunzelt Johannes und deutet stattdessen auf die Tür zu seinem Schlafzimmer.
Clueso schaut ihn kurz verdutzt an, dann begreift er. »Haha, fail«, lacht er auf. »Hast ja Recht.«
»Kaffee?«, grinst Johannes.
»Unbedingt«, erwidert Clueso.
Sie reden über dies und das, später zeigt Johannes Clueso seine neuen Songs, abends schauen sie einen Film. Johannes genießt es, anders Zeit zu verbringen als früher, enger, vertrauter. Es fühlt sich verdammt gut an, Clueso da zu haben, vor allem jetzt nicht alleine zu sein.

»Ich hab mich übrigens entschieden«, sagt Clueso, als sie später eng beieinander im Bett liegen. »Du hast Recht, die Chance, Gastgeber zu sein, der Show ein bisschen seinen Stempel aufzudrücken, bekommt man nur einmal. Und ich muss echt zugeben, dass die Show etwas mit einem macht. Also... ich mach's.«

Tanz aus der Reihe (SMS 2022)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt