Hilferuf (2/4)

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Sicht von Philipp

Der Fahrer stieg aus und lief in Richtung von Thomas' Grundstück. Wollte er einbrechen? Ich löste meinen Gurt und machte mich dazu bereit, aus dem Auto zu steigen. Doch der schwarz gekleidete Mann klingelte an der Tür. „Komm, du Waschlappen! Mach die verdammte Tür auf. Du steckst sowieso tief im Dreck." brüllte er. Dann klopfte er mehrfach mit der Faust. „Er ist nicht zuhause." dachte ich und wusste nicht ob ich darüber erleichtert sein soll oder nicht. Der Mann lief zum Küchenfenster und schaute hinein. „So ein Mist!" knurrte er dann und lief zurück zum Auto. Er zückte sein Handy und tippte darauf herum. Es sah so aus, als ob er jemanden anrief. Ich schaltete eine Tonaufnahme ein, damit ich einen Beweis gegen den Typen hatte. „Hallo? ... Ja, ich bin bei dem Mistkerl. Er scheint nicht zuhause zu sein. ... Ach so. Ja kein Wunder ist er nicht hier wenn ihr ihn habt. ..." Mir lief ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter. Der Mann seufzte. „Ist gut. Ich komme zu euch. Wo seit ihr? ... Jetzt doch wieder in der Gasse? Ok. Welches Haus? ... „Grau? Mann, du Idiot! Jedes zweite Haus ist grau dort. ... Schiefes Dach? Alle haben schiefe Dächer. Nenn mir die blöde Hausnummer und ich komme. ... Wie? ... Meine Güte! Du bist zu unfähig für dieses Geschäft. ... Ja ist gut. Ich komme. ... Jaja, ich werde es schon sehen." Der Mann legte auf und seufzte. „Warum bin ich bloss mit dem Typ befreundet? Der ist zu nichts fähig. Wenigstens hat er dieses Waschlappen gefangen." grummelte er und stieg wieder ins Auto. Ich beendete die Tonaufnahme. Der Motor wurde gestartet und das Auto fuhr los. Da ich jetzt wusste, dass der Typ zurück zur Gasse fuhr, beschloss ich, dass ich das Risiko, ihn zu verfolgen,  nicht noch einmal einging und dafür voraus fuhr. Auf der Fahrt sah ich die ganze Zeit nervös in den Rückspiegel. Das schwarze Auto fuhr die selbe Strecke wie ich. Bei der Gasse angekommen, tat ich so, als ob ich weiter fahren wollte und tauchte im Verkehr unter. Nur eine kurze Strecke entfernt, parkte ich auf einem kleinen kostenlosen Parkplatz und rannte zu Fuss zurück zur Gasse. Dort war der Mann gerade ausgestiegen und lief zwischen die beiden alten Häuserreihen weiter nach hinten. Ich folgte ihm und versteckte mich, wie in Spionage- Filmen, immer wieder hinter alten Containern, grossen Blumentöpfen oder in breiten Türrahmen. Der Mann traf sich mit einem zweiten schwarz gekleideten, welcher wohl auf ihn gewartet hatte. „Und du warst wirklich bei dem zuhause, wie du es am Telefon gesagt hast?" fragte er. Offensichtlich war es der Mann, welchen ich im anderen Haus vorhin gesehen hatte. „Warum sollte ich lügen, Julius?" fragte der erste. „Komm einfach. Ich habe den Mistkerl abgefangen und eingepackt." sagte Julius. „Braver Junge." sagte sein Kumpel. „Halt die Klappe und nenn mich mich nicht „Junge", Mio." grummelte der kleinere der beiden. Sie gingen in das eine Haus. Ich folgte ihnen. Es war eines der scheinbar ältesten Häuser der Gasse. Ich spähte um die Ecke und sah, dass die beiden Entführer eine Treppe hinunter stiegen. Unten konnte ich ausser Dunkelheit nichts erkennen. Als Julius und Mio nicht mehr zu sehen waren, folgte ich ihnen. Auf der Hälfte der Treppe blieb ich stehen. Es war gleich eingerichtet wie das Haus in welchem ich vorhin war, einfach viel kleiner und enger. Also hatte es anstatt vier Räumen nur zwei im Untergeschoss. Die beiden Männer gingen in den rechten. Ich schlich die restliche Treppe hinunter und versteckte mich hinter der offenen Tür. Ich konnte  hören wie die Kriminellen sprachen. „Hast du dich jetzt dazu entschieden, das zu tun, was wir wollen?" fragte Mio bedrohlich. Niemand antwortete. „Du kleiner Mistkerl. Du weisst, wir haben die Adresse von deinem Freund. Er bedeutet dir viel, wie? Wäre doch schade wenn ihm etwas passieren würde." drohte Julius. Wieder antwortete niemand. Ich hörte einen dumpfen Schlag und jemand keuchte auf. „Glaube mir. Wir zögern nicht, dir und deinem Freund etwas anzutun, kapiert du Waschlappen?" „Ja." keuchte eine schwache Stimme. „Thomas!" dachte ich erschrocken. Ich startete wieder eine Sprachaufnahme. Vorsichtig warf ich einen Blick in den Raum. Mein Freund sass schwer atmend und völlig verprügelt an der Wand. Ein blaues Auge, blutige Lippe, eine Platzwunde an der Schläfe und unter dem Auge. Seine Arme waren voller blauen Flecken, die Handgelenke zeigten blutige Fesselspuren auf. Die Jeans war an den Knien aufgerissen und auch diese waren blutig. Mit Schrecken sah ich, dass auch Thomas' Haare Blutspuren aufwiesen. „Du willst also immer noch nicht zahlen? Dann bist du an die Falschen geraten." knurrte Mio. Noch ein dumpfer Schlag und ein erstickter Schmerzensschrei. „Du hältst die Klappe!" fauchte Julius. Er hatte meinem Freund die Hand vor den Mund geschlagen. In der nächsten Sekunde schrie der Kriminelle allerdings auf und zog die Hand schnell weg. „Du tollwütiger Skorpion! Du hast mich gebissen!" knurrte er. Mio schlug Thomas in den Bauch. Ich konnte es nicht mehr mitansehen und stand auf. Konsentiert ging ich nochmal alle Regeln aus dem Selbstverteidigungskurs, den ich vor vielen Jahren mal gemacht hatte, durch. Ich beendete die Tonaufnahme und steckte mein Handy weg. Dann nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und sprang in den Raum. „Finger weg!" schrie ich. Die Kriminellen fuhren herum. Thomas nahm kaum Notiz von mir. Er hielt sich vor Schmerz schwer atmend den Bauch und starrte blutend ins Leere. Julius ging auf mich los, doch ich wehrte seine Schläge ab, knallte ihm heftig eine und stiess ihn aus dem Raum. Er blieb dort liegen. Dann kam Mio. Bei ihm tat ich dasselbe. Allerdings war es etwas schwieriger, denn er war deutlich grösser als ich. Trotzdem konnte ich ihm eine schlagen und ihn mit aller Kraft aus dem Raum stossen. Ich knallte die Tür zu. Zu meiner Erleichterung war von innen ein Schlüssel im Schlüsselloch. Schnell schloss ich ab und ging dann zu meinem Freund. „Alles gut. Ich bin hier." flüsterte ich und kniete mich zu ihm. Thomas zitterte am ganzen Körper. „Hey Kleiner. Beruhige dich bitte." sagte ich ruhig und nahm ihn in den Arm. Mein Freund konnte sich nicht mehr halten und brach in Tränen aus. Es tat mir furchtbar weh, ihn in meine Schulter schluchzend in meine Armen zu haben. Ich strich ihm durch die Haare, was er ausnahmsweise zuliess. „Was haben die mit dir gemacht? Was ist passiert?" fragte ich während ich mein Handy zückte und den Notruf wählte.

Danach wollte ich mir eigentlich die Verletzungen ansehen, doch Thomas liess mich nicht mehr näher an sich ran. „Ich bin es. Du brauchst keine Angst mehr zu haben. Die Typen kommen hier nicht rein. Du bist in Sicherheit." sagte ich beruhigend. Thomas sah zu mir auf und blickte mir direkt in die Augen. „Ich werde dir nichts tun. Du bist in Sicherheit." wiederholte ich. Jetzt erst, schien meinem Freund klar zu sein, wen er vor sich hatte. „Philipp." hauchte er und warf sich in meine Arme. „Hast du mich vorhin nicht erkannt?" fragte ich überrascht. Mein Freund schüttelte langsam den Kopf. „I- ich war einfach f- froh, dass diese T- typen weg von m- mir waren." flüsterte er zitternd. „Du bist verletzt." sagte ich besorgt. „Mir tut's auch überall weh. Die haben mich richtig heftig verkloppt." murmelte mein Freund leise. „Das glaube ich, Thommy." nickte ich und strich meinem Freund sanft über den Rücken. „Was war denn der Grund, dass sie hinter dir her waren und du etwas zahlen solltest?" fragte ich. Thomas antwortete nicht sondern sah mich schuldbewusst an. „Du kannst es mir ruhig sagen." lächelte ich und nahm seine Hand. Mein Freund sah mich erstaunt an, drückte meine Hand dann aber. „Du weisst doch, dass..." Er unterbrach sich selber und hielt sich plötzlich den Bauch. „Was ist?" fragte ich besorgt. Thomas sagte nichts sondern keuchte. Scheisse. Dieser Mio hat wohl doch etwas heftiger zugeschlagen. dachte ich. Mein Freund lehnte sich schwer atmend an mich und ich legte meine Arme um ihn. „Es tut mir so leid dass ich nicht früher eingegriffen habe." flüsterte ich. Ich löste meine Umarmung gleich wieder weil mein Sanitäter- Gehirn erwachte. „Lass mal sehen." sagte ich und legte meinen Freund vorsichtig auf den Boden. Vorsichtig zog ich sein T- shirt etwas hoch und erschrak. „Du meine Güte! Das ist ja richtig gross." stellte ich, beim Anblick des Blutergusses erschrocken fest. Dann war es, bis auf das schmerzerfüllte Keuchen von Thomas leise im Raum. Innerlich zerriss es mich, mein Freund so zu sehen. Doch ich konnte hier in diesem Keller nichts weiter tun, als neben ihm zu knien. Plötzlich wurde meine Hand ergriffen. Thomas sah mich an. „Ich kann nicht mehr." hauchte er. „Du bist stark, Kleiner. Wir werden alles regeln, versprochen. Ich werde immer bei dir sein." sagte ich und strich ihm über den Arm. Er zuckte zusammen. „Tut mir leid. Ich wollte dir nicht wehtun." sagte ich schnell. Dann hörten wir unsere Kollegen. Erleichtert wollte ich aufstehen um zur Tür zu gehen, doch Thomas hielt meine Hand fest. „Bitte geh' nicht." flehte er. „Ich bin gleich wieder bei dir, Thommy." versprach ich und eilte zur Tür. Ich öffnete sie. Dort stand die Rettung: unsere Kollegen.

Thomas Schmidt und Philipp Stehling StoriesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt