Die Haustür knallte. Laute Stimmen drangen aus der Küche. Ich konzentrierte mich vehement auf die Bilder von Leuten aus meiner Klasse, die in der Innenstadt Bubbletea tranken und wusste einen Moment lang nicht, was mich aggressiver machte. Meine Klassenkameraden in Köln, für die heile Welt herrschte, oder der Haufen an Leuten, von denen mich nur eine Holzwand trennte, deren Laune anscheinend nichts trüben konnte. So wie es sich anhörte, war es nicht nur llona. Meine Ohren filterten noch zwei weitere Mädchenstimmen aus dem Gewirr heraus. Nicht, dass es mich wirklich interessiert hätte. Frustriert starrte ich weiter auf mein Handy.
Es klopfte. Ich setzte den genervtesten Blick auf, den ich zu bieten hatte und sah auf. llonas Kopf schob sich durch den Spalt zwischen Tür und Rahmen.
„Jana?" Natürlich lächelte sie wieder. Was auch sonst. „Es gibt Mittagessen."
Mit einem Seufzen steckte ich das Handy in die Hosentasche und folge ihr nach draußen. Dass ich tatsächlich ziemlichen Hunger hatte, musste ich ihr ja nicht auf die Nase binden.
Meine Ohren hatten recht gehabt. Außer Moritz, Tobias, llona und Isabelle wuselten noch zwei weitere Mädchen durch die Küche, was sich ironischerweise ziemlich illegal anfühlte. Der Lockdown hatte mich mehr beeinflusst, als es mir lieb gewesen wäre. Was auch immer die beiden hier taten.
Wenig später hatten sich alle halbwegs ordentlich um den Tisch sortiert. Ich saß außen auf der Eckbank, so musste ich immerhin nur neben einem anderen sitzen. In diesem Fall war es eines der Mädchen, die ich nicht kannte. Wie es sich herausstellte, waren beide Freundinnen von llona.
„Ich glaub nicht, dass wir heut' reiten könn'n.", sagte das Mädchen neben mir. Sie hatte schwarze, glatte Haare, schmale Augen und sah eindeutig asiatisch aus. Umso mehr brachte mich ihr südtiroler Dialekt aus dem Konzept.
„Greta hat recht." llona drehte Nudeln auf ihre Gabel. Immerhin schnitt sie sie nicht. Das hätte das Fass vermutlich zum Überlaufen gebracht.
„Ihr könnt ja spazier'n geh'n. Die kleine Runde hint 'n durch 'n Wald. Da ist's auch schattig.", schlug Heidi vor.
Der Vorschlag schien allgemeinen Anklang zu finden. Ich gab mir keine Mühe begeistert auszusehen. Ich hatte absolut keinen Bock auf noch eine Runde gurken durch den Wald. Schon gar nicht, wenn ich dabei noch ein Pony führen musste. Mit Dancer war ich so gut wie nie spazieren gegangen. Wenn ich recht drüber nachdachte waren wir auch so gut wie nie draußen gewesen. Nur ein paar Mal, wenn er lahm gegangen war, aber selbst dann hatte ich ihn oft einfach in der Halle geführt.
„Dann kann Jana auch Eda besser kennenlernen. lsy wird ja bei der Ramira bleib'n.", warf llona ein.
„Du willst sie auf die Eda setz'n?", fragte das asiatisch aussehende Mädchen, das anscheinen den Namen Greta trug. Das andere Mädchen blieb recht still. Anscheinend war sie kein Quasselkopf, oder sie kam bei dem Gelaber ihrer Freundinnen nicht zu Wort.
llona zuckte die Schultern. „Mama meinte, sie kann reiten. Außerdem kann dann Oskar Asterix nehm'n und i' kann weiter d' Wilma reit'n."
„Sie ist auch anwesend.", knurrte ich. Die Namen der Pferde verwirrten mich mehr als alles andere. Wer nannte sein Pferd denn Asterix? Oder Wilma?
„Kann i' dann mit Gouda mit?", fragte Moritz aufgeregt, der den Mund voller Tomatensauce hatte. Gouda? Bitte was? Wollte er einen Käse spazieren führen?
„Dann nehmen wir aber den Weg am Fluss lang. Dann ist es für seine Beine bess'r." Anscheinend handelte es sich bei Gouda doch um keinen Käse. Es sei denn, es war ein Käse mit Beinen.
Schließlich dauerte es aber doch noch geschlagene zwei Stunden, bis wir mit Stricken bewaffnet über das Gatter kletterten. Immerhin knallte die Sonne jetzt nicht mehr brutalst auf den Hof, sondern war etwas weitergezogen. Ich sah llona zu, wie sie zwei Finger in den Mund schob. Kurz darauf tönte ein gellender Pfiff über die Weide.
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Tamaluk - zwölf Wochen Südtirol
Fiksi RemajaJana ist ein Großstadtkind. Durch und durch. Gerade deshalb geht es ihr ordentlich gegen den Strich, dass ihre Mutter und ihr Lungenarzt sie auf eine Kur in die tiroler Alpen schicken wollen. Noch dazu auf einen Ponyhof. Schlimmer kann es ja gar ni...