„Das ist also deine Freundin?"
Unsicher stand Robin vor Ovina, die ihn feindselig fixierte. Luna nickte vorsichtig und spielte beschämt mit dem Zipfel ihrer Jacke wie so oft, wenn sie nervös wurde. Sie konnte sehen, wie Robin schwer schluckte. Die Hexe hätte ihn definitiv besser auf das erste Treffen mit Ovina vorbereiten sollen. Die Mondelfe hatte sehr deutlich gemacht, dass sie nichts von Robin hielt und ihm misstraute, als Luna versuchte, neutraler von ihm zu stimmen. Elfen hatten ihren Liebsten gegenüber einen starken Beschützerinstinkt, der sich nicht so leicht austreiben ließ. Niemand wollte sich an der Stelle mit einer Elfe anlegen, Robin offensichtlich am wenigsten von allen. Daher lächelte er nur scheu und sah dabei aus wie ein verängstigtes Reh, welches gerade auf Mama Bär getroffen war.
„Wollen wir langsam los? Wir wollen ja nicht zu spät kommen!", versuchte Luna, Ovinas Mordkomplotte schnellstmöglich zu unterbinden. Wenn ein Blick hätte töten können, dann wäre es der von der Elfe gewesen. Robin drückte sehr schnell seine Zustimmung aus: „Ja, besser ist! Zu spät kommen, ist nie gut."
Steif wie ein Roboter drehte sich Robin um, wobei er den Blick, den ihm gerade in den Rücken stach, ignorierte.
„Lass uns zu dieser Geschäftsfrau gehen", zischte Ovina herausfordernd und folgte dem angespannten Mann. Luna zog nach und sie musste sich selbst zugestehen, dass ihr Robin schon Leid tat. Natürlich hatte er sich schon sehr verdächtig gemacht und sie verstand das Misstrauen ihrer Freundin, aber ein solches Auftreffen mit der Elfe hatte er auch nicht verdient.
Auf dem Weg zu ihrem Termin herrschte ein unangenehmes Schweigen zwischen den Dreien. Die Anspannung war fast schon greifbar. Es musste doch einen Weg geben, die Stimmung zu lockern, überlegte Luna. Vielleicht musste sie nur etwas sagen? Sicherlich musste sie etwas sagen. Aber nur was? Was gab es denn, was man sagen könnte? Wa-
„Wie heißt eigentlich diese Frau nun?", unterbrach Luna ihren eigenen Gedankenstrang. Robin blinzelte sie verdutzt an und auch Ovina schien etwas aus dem Konzept gebracht. Luna selbst hatte ihren roten Faden bei ihren Gedanken verloren.
„Du hast es ihr immer noch nicht verraten?", schneller als Robin Stellung beziehen konnte, hatte Ovina schon den ersten verbalen Stein geworfen. Robin hatte abwehrend die Hände gehoben. „Das stimmt nicht! Ich hatte Luna von Anfang an den Namen gegeben! ich dachte, dass der Name als Recherchegrundlage reicht!"
„Offensichtlich ja nicht! Sonst wüsste sie ihn ja!", fauchte Ovina zurück und setzt zum nächsten Angriff im Wortgefecht an.
„Ich... Ich kann den Namen gerne wiederholen!", eingeschüchtert von der Mondelfe startete Robin ein Friedensangebot, „Die Geschäftsfrau heißt Lady Scarlett de Vere. Sie ist sehr erfolgreich und allseits bekannt. Alleine, wenn man den Namen in eine Suchmaschine eingibt, findet man sofort etwas über sie."
Die letzten Worte hatte Robin so schnell in seiner Panik gesprochen, dass er nun aus der Puste war. Ovina brauchte ein paar Momente, um sich neu aufzustellen und zu sortieren: „Also... Die kenne ich gut. Sogar persönlich. Aber warum hast du das nicht gleich gesagt?"
„Das habe ich doch! Sogar noch beim ersten Mal, als ich Luna angesprochen hatte! Du erinnerst dich doch noch, oder, Luna?", auffordernd und erwartungsvoll sah Robin nun zu der Feuerhexe, die bereits die Stirn angestrengt in Falten gelegt hatte. Hatte Robin ihr echt einen Namen genannt? Wirklich? Möglich war es auf alle Fälle. Luna neigte dazu, vor lauter Aufregung Teile von Gesprächen einfach auszublenden. Manchmal waren genau solche Teile, die wichtige Informationen enthielten.
„Liebling?", Ovina sah sie mit großen Augen an und holte sie aus ihren Gedanken zurück in die Realität, „Hat er dir nun den Namen mitgeteilt gehabt?"
„E-Es ist möglich... A-Aber ich erinnere mich nicht", stammelte Luna unter dem Druck ihrer Freundin. Ovina schüttelte nur verzweifelt den Kopf.
„A-Aber wer ist nun diese Lady?", hakte die Hexe nochmal nach, um auch von ihrer Vergesslichkeit abzulenken.
„Du kennst sie nicht?", Unglaube stand Robin ins Gesicht geschrieben.
„Nein, verhext noch eins!"
„Sie ist die größte Geschäftsfrau. Sie arbeitet sogar mit meinem Label zusammen. Habe ich dir nie von ihr erzählt?", Ovina klang genauso erstaunt wie Robin.
„Ich weiß nichts davon! Bitte klärt mich doch einfach auf!", Luna blieb abrupt stehen und schob die Unterlippe vor wie ein kleines, bockiges Kind, welches man kein Eis gekauft hat.
„Ich erzähle dir gerne von ihr. Wir haben ja genug Zeit", Robin bedachte sie mit einem Lächeln.
~ ☾ ~ ◯ ~ ☽ ~
Lady Scarlett de Vere war eine sehr bekannte Persönlichkeit. Sie war durch ihre
Geschäftsbeziehungen und ihre Investitionen in kleinere Unternehmen, die durch die Zeit dann immer größer wurden, an viel Reichtum gelangt. Sie betätigte sich vor allem als Vermittlerin von Jobs und als Beraterin für Unternehmen aller Art. Sie galt als eine wahre Schönheit. Gebräunte Haut mit weißen Flecken, smaragdgrüne Augen, die funkelten wie Edelsteine und langes, rotes Haar. Mit ihrer Größe von über zwei Metern hinterließ oftmals Eindruck. Unter dem Magiavolk war sie als gütig und barmherzig bekannt. Genauso hieß es jedoch, dass sie gefährlich war. Robin ging nicht darauf ein, was genau sie gefährlich machte, aber betonte es dennoch mit viel Nachdruck. Er verriet auch nicht, was für ein Wesen Scarlett war, nur dass sie Teil des Magiavolkes ist. Er schien generell nicht häufig auf diese Thematik einzugehen. Luna wusste nicht, wieso er das so handhabt, aber bevor sie auch nur fragen konnte, standen sie auch schon direkt vor dem Büro von Lady de Vere. Die Zeit war schneller vergangen, als Luna gedacht hatte. Sie hatte gar nicht mitbekommen, wie sie durch den Securitybereich und über den Fahrstuhl zum Büro gekommen waren. Sie würde sich mit Sicherheit nachher verlaufen. Ovina hatte Robin alles erzählen lassen. Er war ohnehin nicht zu bremsen gewesen. Anscheinend bewunderte er die Lady sehr, was ihm auch nicht zu verübeln war. Laut Robin hielt sie viele Spendenaktionen ab, engagierte sich sozial und vermittelte vor allem diejenigen, die Probleme hatten, einen Job zu finden. Insbesondere magische Wesen, die in der Welt der Menschen nicht fest Fuß fassen konnten. Wenn man also Hilfe brauchte, war sie die Person, zu der man am besten gehen sollte.
Luna schluckte schwer. Sie hatte gar nicht gemerkt, wie nervös sie eigentlich war. Sie spielte mit dem Mondanhänger ihres schwarzen Chokers, während sie gespannt beobachtete, wie die Bürotür aufschwang.
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Little witch Luna
FantasyIn einer Welt, wo unter den Menschen eine magische Gesellschaft exisitiert, versucht die junge Elementarhexe Luna sich zu behaupten und ein neues Leben aufzubauen. Nur gestaltet sich die Jobsuche schwieriger, als gedacht und die fehlende Kontrolle ü...