☾ ~8. Kapitel ~ ☾

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Eingewickelt in eine flauschige Decke saß Luna auf dem roten Sofa in Lady de Veres Gemach, welches eine Etage über dem vom Kampf verwüsteten Saal lag. Der Schock lag noch schwer auf ihr und ihr Blick wanderte verloren durch den Raum. Es war ein geräumiger Raum mit einer hohen Decke und bodentiefen Fenstern. An den Wänden erstrecken sich riesige Bücherregale mit unzähligen Büchern in den verschiedesten Größen, Dicken und Sprachen, Eins älter als das Andere. Der Duft von altem Papier stieg der Hexe in die Nase und sie schloss für einen Moment entspannt die Augen, konzentrierte sich auf den vertrauten Geruch. Früher hatte sie oft in der alten Bibliothek ihres Hexenzirkels gesessen. Immer wenn Luna eine Zuflucht brauchte, boten ihr die Bücher einen Ausweg. Stunden, manchmal Tage hatte sie dort verbracht und hatte all das Wissen der Bücher wie ein Schwamm in einer Pfütze in sich aufgesogen. Sie öffnete die Augen, als ihr ein anderer Geruch in dem muffigen Duft der Bücher auffiel. Ihr Blick senkte sich auf eine kleine Vase, welche auf dem Sofatisch vor ihr stand. In ihr war ein Strauß Nelken gestellt worden. Sachte streckte sich Luna ein Stück nach vorne, wobei die Decke ihr von den Schultern rutschte und das lilane Rankentattoo auf ihrem linken Arm freigab. Behutsam zog sie eine der zarten Blumen aus der Vase und betrachtete sie. Sie strich mit den Fingern sanft über die Blütenblätter. Unsterblichkeit, schoss ihr durch den Kopf, das Symbol dieser Pflanze und mit einmal brachen all die Ereignisse des Abends über sie ein. Lady Scarlett de Vere, die wunderschöne, hochgewachsene Frau, war eine über zwei Meter große Porzellanpuppe, besessen von der Seele einer 300 Jahre alten Frau, die nun für alle Ewigkeit in diesem Gegenstand gefangen war. Es hätte ihr auffallen müssen, es hätte sie stutzig machen müssen, aber sie hatte es einfach als gegeben hingenommen. Hexen konnten auch sehr alt werden, also hatte sie sich bei dem Alter nichts weitergedacht. Niemals hätte sie vermutet, dass Scarlett ein besessenes Objekt war. Eigentlich wusste sie sehr wenig über sie. Sie wusste auch sehr wenig über Robin. Sie hatte ihn unten im Saal Hexenmagie anwenden sehen, aber wusste bis jetzt immer noch nicht, was genau er war.

Nach einem tiefen Seufzer stellte sie die Nelke zurück in die Vase. Als sie die Decke wieder über ihre Schultern streifte, fiel ihr Blick kurz auf ihr Tattoo. Die magischen, lilanen Ranken zogen sich langsam wieder zurück und sie tastete ihr Handgelenk ab. Das magische Tattoo sollte sie davon abhalten, dass sie kräftige Feuermagie einsetzen konnte, in dem die Ranken sich wie eine Fessel ums Handgelenk schlangen und zudrückten. Dies funktionierte eher weniger gut, denn sie hielten die Magie nicht im Ansatz auf. Sie drückten ihr nur die Blutzufuhr ab. Das Handgelenk der kleinen Hexe tat weh. Der Schmerz erinnerte sie daran, wie ihr Cousin der Lady ein Messer in den Rücken gejagt hatte. Bei dem Gedanken wurde ihr Mund ganz trocken und sie schluckte schwer. Niemals hätte sie gedacht, dass Cezis in der Lage wäre, jemanden kaltblütig erstechen zu wollen. Wäre Scarlett nicht unsterblich, dann hätte es auch geklappt. Was wäre dann passiert? Hätte er dasselbe auch mit Robin oder Ovina gemacht? Vielleicht hätte er sich Ovina auch ganz zum Schluss vorgeknöpft, wenn er wüsste, was Luna für die Elfe empfand. Bei dem Gedanken breitete sich ein flaues Gefühl in der Hexe aus und es wurde ihr schlecht.

Bevor sie aber diesen Gedanken weiterführen konnte, ging die Tür auf und das Aroma von Tee erfüllte die Luft. Scarlett betrat den Raum. In ihren Händen hielt sie ein Tablett, worauf eine Tasse mit dampfendem Tee stand. Nur eine einzelne Tasse für Luna. Die Lady würde nichts trinken. Was hatte die Hexe auch erwartet? Eine Porzellanpuppe hatte schließlich keinen Magen.

Scarlett kam zum Sofa herüber und stellte das Tablett auf den Sofatisch ab. Dann reichte sie Luna die Tasse: „Ich dachte, eine Tasse Tee würde deine Sorgen vertreiben und den Schreck lindern."

Zögernd nahm die Feuerhexe die Tasse mit der rechten Hand entgegen. Ihre linke, die mit dem verletzten Handgelenk, zog sie weiter in die Decke hinein und ignorierte den Schmerz, als sie es dabei bewegte. Sie senkte ihren Blick in die Tasse. Egal wie sehr Luna Tee liebte, kein Tee dieser Welt würde sie ausblenden lassen, was dort im Saal geschehen ist. Sie würde niemals den Ausdruck in Cezis' Gesicht vergessen, als er sie wieder erkannte und das Lachen, als er der Lady das Messer durch den Porzellankörper stach. Luna spürte, wie der Stoff des Sofas unter dem Gewicht von Scarlett nachgab, während sie sich setzte. Sachte zog sie den Stoff der weichen Decke zur Seite, wobei Lunas linkes Handgelenk zum Vorschein kam. Sie hatte so sehr versucht, es sich anmerken zu lassen. Die Druckstelle durch ihr Tattoo, die sich wie ein Ring um ihr Handgelenk legte, waren schon dunkelrot angelaufen. Scarlett schwieg, ihr Blick ruhend auf dem Bluterguss.

Little witch LunaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt